Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
In Paris sind Atemmasken ausverkauft
Coronavirus breitet sich trotz radikaler Vorsichtsmaßnahmen aus. Frankreich sieht sich nach ersten Fällen gerüstet
Paris/Peking. Das vermutliche Epizentrum der Epidemie, die chinesische Millionenstadt Wuhan, ist wirtschaftlich eng mit Frankreich verbunden. Die großen Autohersteller Renault und Peugeot betreiben dort Fabriken. Rund 500 französische Staatsbürger leben in Wuhan. So war es nur eine Frage der Zeit, bis das Coronavirus Europa erreicht. Ein Verdachtsfall in Berlin bestätigte sich am Sonntag nicht. In Zürich sind zwei Personen in Quarantäne.
Die ersten drei Infizierten, die Frankreich am späten Freitag offiziell bestätigte, sind auf dem Weg der Besserung. Alle drei waren aus China eingereist und haben sich zuvor in Wuhan aufgehalten. Während ein chinesisches Touristenpaar in einem Pariser Krankenhaus liegt, muss in Bordeaux ein 48-jähriger Franzose chinesischer Abstammung behandelt werden. Den Ärzten zufolge geht es den auf Isolationsstationen gepflegten Patienten „vergleichsweise gut“. Die Behörden bemühten sich, alle Menschen ausfindig zu machen, die Kontakt mit den Erkrankten hatten.
Im Übrigen begnügen sich die Behörden damit, auf dem Großflughafen Paris-Charles-de-Gaulle aus China einreisende Fluggäste eine ärztliche Beratung anzubieten. „Wir sind hervorragend vorbereitet“, versichert Gesundheitsministerin Agnès Buzy. Trotzdem melden Apotheken in Paris und Bordeaux: Atemmasken sind ausverkauft.
Chinas Regierung ergreift weitere radikale Maßnahmen
In China haben die Behörden unterdessen knapp 2000 Infizierte bestätigt, 56 Tote und mehrere Hundert Patienten in kritischem Zustand. Und die Zahl der Infektionen mit dem neuen Virus hinter der Lungenkrankheit könnte in der schwer betroffenen Metropole Wuhan noch um Tausende steigen. Wie der Bürgermeister Zhou Xianwang berichtet, gebe es 2700 Verdachtsund Fieberfälle, die jetzt getestet würden.
In Peking tritt Ma Xiaowei, Leiter der nationalen Gesundheitskommission, mit zwei Hiobsbotschaften vor die internationale Presse: So würde die Übertragungsfähigkeit des Coronavirus weiter zunehmen. Und im Gegensatz zu SARS sei der Erreger auch während der Inkubationszeit ansteckend. Dies macht die Eindämmung schwerer, schließlich dauert es bis zu zwei Wochen, dass Infizierte erste Symptome zeigen.
Die jüngsten Erkenntnisse der Gesundheitskommission erklären die radikalen Maßnahmen der chinesischen Zentralregierung zur Eindämmung. Allein am Sonntag erlässt sie über ein Dutzend davon: Der Start des Sommersemesters für Schulen und Universitäten wird auf unbestimmte Zeit verschoben. In der Provinz Guangdong gilt im öffentlichen Raum eine Atemschutzmasken-Pflicht. Ausländer können keine Gruppenreisen mehr ins Land antreten und Chinesen keine Pauschalreisen mehr buchen.
Untersagt ist zudem der Handel mit Wildtieren. Schließlich soll der Erreger von einem Markt für exotische Tiere in Wuhan stammen.
Dort ist das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen. In der ElfMillionen-Metropole ist seit Sonntag auch der Autoverkehr verboten. Das US-Konsulat hat die Evakuierung
seiner Angestellten sowie einiger Zivilisten angekündigt. Ähnliches planen Japan, Russland und Frankreich.
Die deutsche Botschaft in Peking geht von 50 bis 100 Staatsbürgern in Wuhan aus. Die Zweigstellen deutscher Unternehmen beschäftigen dort hauptsächlich Einheimische.
24 Krankenhäuser nur für die Virusbekämpfung
Die Lage der medizinischen Versorgung ist prekär. Das belegen Videos in sozialen Netzwerken. Darauf zu sehen sind überfüllte Notaufnahmen, in denen Krankenschwestern verzweifelte Menschen nach Hause schicken müssen.
Auch Mediziner bleiben von der Lungenkrankheit nicht verschont. Laut offiziellen Angaben haben sich mindestens 15 Angestellte in Wuhan mit dem Coronavirus angesteckt, ein Arzt ist bereits verstorben. Der Zustand von elf Infizierten habe sich aber verbessert, meldet die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Das Fieber und andere Beschwerden seien zurückgegangen.
Die Behörden arbeiten unter Hochdruck daran, den Ansturm der Patienten zu bewältigen. Bis zum 3. Februar soll in Wuhan ein neues Krankenhaus mit über 1000 Betten bereitstehen. Die Gesundheitskommission in Peking will über 1200 Experten in die Stadt entsenden und 24 Klinken zur Virusbekämpfung umfunktionieren. Zudem soll innerhalb von 14 Tagen eine weitere Klinik mit 1300 Betten entstehen.
Wirtschaftlich wird die Epidemie wohl schwerwiegende Folgen haben für China. Über ein Dutzend Städte in der Hubei-Provinz sind abgeschottet. Zudem dürften die Konsumausgaben während der Neujahrsfeierlichkeiten, die seit Samstag laufen, massiv einbrechen. 2019 gaben die Chinesen in dieser Zeit umgerechnet 135 Milliarden Euro aus. Das wird die angeschlagene
Wirtschaft weiter schwächen. Derzeit wächst die Wirtschaft wächst mit nur 6,1 Prozent – so langsam wie seit 30 Jahren nicht mehr. Experten erwarten einen Einbruch des Wachstums von bis zu einem Prozentpunkt aus.
Im asiatischen Ausland reagieren die Leute hysterisch. In Südkorea ruft eine Petition auf der Präsidenten-Webseite dazu auf, „chinesische Staatsbürger aus unserem Land zu verbannen“. 285.000 Menschen haben schon unterschrieben – obwohl zwei der drei Infizierten Südkoreaner sind. Und in Hongkong fordern immer mehr Bürger, die Grenzen zu Festlandchina zu schließen.