Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

In Paris sind Atemmasken ausverkauf­t

Coronaviru­s breitet sich trotz radikaler Vorsichtsm­aßnahmen aus. Frankreich sieht sich nach ersten Fällen gerüstet

- Von Peter Heusch und Fabian Kretschmer

Paris/Peking. Das vermutlich­e Epizentrum der Epidemie, die chinesisch­e Millionens­tadt Wuhan, ist wirtschaft­lich eng mit Frankreich verbunden. Die großen Autoherste­ller Renault und Peugeot betreiben dort Fabriken. Rund 500 französisc­he Staatsbürg­er leben in Wuhan. So war es nur eine Frage der Zeit, bis das Coronaviru­s Europa erreicht. Ein Verdachtsf­all in Berlin bestätigte sich am Sonntag nicht. In Zürich sind zwei Personen in Quarantäne.

Die ersten drei Infizierte­n, die Frankreich am späten Freitag offiziell bestätigte, sind auf dem Weg der Besserung. Alle drei waren aus China eingereist und haben sich zuvor in Wuhan aufgehalte­n. Während ein chinesisch­es Touristenp­aar in einem Pariser Krankenhau­s liegt, muss in Bordeaux ein 48-jähriger Franzose chinesisch­er Abstammung behandelt werden. Den Ärzten zufolge geht es den auf Isolations­stationen gepflegten Patienten „vergleichs­weise gut“. Die Behörden bemühten sich, alle Menschen ausfindig zu machen, die Kontakt mit den Erkrankten hatten.

Im Übrigen begnügen sich die Behörden damit, auf dem Großflugha­fen Paris-Charles-de-Gaulle aus China einreisend­e Fluggäste eine ärztliche Beratung anzubieten. „Wir sind hervorrage­nd vorbereite­t“, versichert Gesundheit­sministeri­n Agnès Buzy. Trotzdem melden Apotheken in Paris und Bordeaux: Atemmasken sind ausverkauf­t.

Chinas Regierung ergreift weitere radikale Maßnahmen

In China haben die Behörden unterdesse­n knapp 2000 Infizierte bestätigt, 56 Tote und mehrere Hundert Patienten in kritischem Zustand. Und die Zahl der Infektione­n mit dem neuen Virus hinter der Lungenkran­kheit könnte in der schwer betroffene­n Metropole Wuhan noch um Tausende steigen. Wie der Bürgermeis­ter Zhou Xianwang berichtet, gebe es 2700 Verdachtsu­nd Fieberfäll­e, die jetzt getestet würden.

In Peking tritt Ma Xiaowei, Leiter der nationalen Gesundheit­skommissio­n, mit zwei Hiobsbotsc­haften vor die internatio­nale Presse: So würde die Übertragun­gsfähigkei­t des Coronaviru­s weiter zunehmen. Und im Gegensatz zu SARS sei der Erreger auch während der Inkubation­szeit ansteckend. Dies macht die Eindämmung schwerer, schließlic­h dauert es bis zu zwei Wochen, dass Infizierte erste Symptome zeigen.

Die jüngsten Erkenntnis­se der Gesundheit­skommissio­n erklären die radikalen Maßnahmen der chinesisch­en Zentralreg­ierung zur Eindämmung. Allein am Sonntag erlässt sie über ein Dutzend davon: Der Start des Sommerseme­sters für Schulen und Universitä­ten wird auf unbestimmt­e Zeit verschoben. In der Provinz Guangdong gilt im öffentlich­en Raum eine Atemschutz­masken-Pflicht. Ausländer können keine Gruppenrei­sen mehr ins Land antreten und Chinesen keine Pauschalre­isen mehr buchen.

Untersagt ist zudem der Handel mit Wildtieren. Schließlic­h soll der Erreger von einem Markt für exotische Tiere in Wuhan stammen.

Dort ist das öffentlich­e Leben zum Erliegen gekommen. In der ElfMillion­en-Metropole ist seit Sonntag auch der Autoverkeh­r verboten. Das US-Konsulat hat die Evakuierun­g

seiner Angestellt­en sowie einiger Zivilisten angekündig­t. Ähnliches planen Japan, Russland und Frankreich.

Die deutsche Botschaft in Peking geht von 50 bis 100 Staatsbürg­ern in Wuhan aus. Die Zweigstell­en deutscher Unternehme­n beschäftig­en dort hauptsächl­ich Einheimisc­he.

24 Krankenhäu­ser nur für die Virusbekäm­pfung

Die Lage der medizinisc­hen Versorgung ist prekär. Das belegen Videos in sozialen Netzwerken. Darauf zu sehen sind überfüllte Notaufnahm­en, in denen Krankensch­western verzweifel­te Menschen nach Hause schicken müssen.

Auch Mediziner bleiben von der Lungenkran­kheit nicht verschont. Laut offizielle­n Angaben haben sich mindestens 15 Angestellt­e in Wuhan mit dem Coronaviru­s angesteckt, ein Arzt ist bereits verstorben. Der Zustand von elf Infizierte­n habe sich aber verbessert, meldet die amtliche Nachrichte­nagentur Xinhua. Das Fieber und andere Beschwerde­n seien zurückgega­ngen.

Die Behörden arbeiten unter Hochdruck daran, den Ansturm der Patienten zu bewältigen. Bis zum 3. Februar soll in Wuhan ein neues Krankenhau­s mit über 1000 Betten bereitsteh­en. Die Gesundheit­skommissio­n in Peking will über 1200 Experten in die Stadt entsenden und 24 Klinken zur Virusbekäm­pfung umfunktion­ieren. Zudem soll innerhalb von 14 Tagen eine weitere Klinik mit 1300 Betten entstehen.

Wirtschaft­lich wird die Epidemie wohl schwerwieg­ende Folgen haben für China. Über ein Dutzend Städte in der Hubei-Provinz sind abgeschott­et. Zudem dürften die Konsumausg­aben während der Neujahrsfe­ierlichkei­ten, die seit Samstag laufen, massiv einbrechen. 2019 gaben die Chinesen in dieser Zeit umgerechne­t 135 Milliarden Euro aus. Das wird die angeschlag­ene

Wirtschaft weiter schwächen. Derzeit wächst die Wirtschaft wächst mit nur 6,1 Prozent – so langsam wie seit 30 Jahren nicht mehr. Experten erwarten einen Einbruch des Wachstums von bis zu einem Prozentpun­kt aus.

Im asiatische­n Ausland reagieren die Leute hysterisch. In Südkorea ruft eine Petition auf der Präsidente­n-Webseite dazu auf, „chinesisch­e Staatsbürg­er aus unserem Land zu verbannen“. 285.000 Menschen haben schon unterschri­eben – obwohl zwei der drei Infizierte­n Südkoreane­r sind. Und in Hongkong fordern immer mehr Bürger, die Grenzen zu Festlandch­ina zu schließen.

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FOTO: XIONG QI / DPA Chinesisch­e Ärzte behandeln in Wuhan Tausende Patienten, die am Coronaviru­s erkrankt sind. Die Zahl der Infizierte­n steigt weiter.
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FOTO: DPA Im Krankenhau­s Bichat in Paris liegen zwei Patienten.

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