Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Warum doch noch Chaos droht
Brüssel und London sind über ihre künftigen Handelsbeziehungen uneins
Brüssel/London. Voraussichtlich ab Anfang März verhandeln die EUKommission und die britische Regierung über die Abkommen zu den künftigen Beziehungen, vor allem ein Freihandelsabkommen. Doch eigentlich ist allen klar, dass solche Verträge nicht schon bis Jahresende fertig sein werden.
Vor allem beim Handel droht Riesenkrach: Premier Johnson hat den Briten versprochen, dass das Land weiter großzügig Zugang zum EUBinnenmarkt hat, aber zugleich von den EU-Standards abweichen kann. Doch die EU will Standarddumping vor der Haustür nicht zulassen – in diesem Fall bliebe der Binnenmarkt für die Briten weitgehend verschlossen. Die EU-Kommission drängt darauf, dass London eine Verlängerung der Übergangsfrist um ein, zwei Jahre beantragt. Johnson lehnt das ab.
Der Premier macht stattdessen jetzt Druck, will der EU laut einem
Bericht der „Sunday Times“mit Autozöllen bis zu zehn Prozent und Käsezöllen bis zu 30 Prozent drohen – so will Johnson Deutschland und Frankreich zwingen, sich für Zugeständnisse an die Briten einzusetzen. Die Drohung gibt einen Vorgeschmack auf den Streit der nächsten Monate. Wahrscheinlich werden bis Jahresende nur Rumpfabkommen fertig. Aber wenn alles schief geht und die Übergangszeit im Dezember ganz ohne Folgeverträge ausläuft, käme es doch noch zum Chaos-Brexit, Zölle eingeschlossen. versicherung abgesichert, auch der Führerschein gilt weiter. Wer allerdings auf eine Schnäppchen-Reise hofft, könnte enttäuscht werden: Das britische Pfund ist zwar immer noch um gut zehn Prozent schwächer als vor der Brexit-Entscheidung 2016, aber den starken Einbruch vom vergangenen Sommer hat die Währung überwunden. Ein Pfund ist derzeit 1,19 Euro wert.
Wird das EU-Parlament jetzt kleiner?
Ja. Die 73 britischen Abgeordneten verlassen diese Woche das Parlament. Allerdings: Die Zahl der Sitze verkleinert sich nur um 44. Denn 27 Mandate werden unter jenen Mitgliedstaaten aufgeteilt, die bisher leicht unterrepräsentiert waren, etwa Spanien und Frankreich. Diese 27 Abgeordneten hatten schon bei der Europawahl im Mai 2019 ein Mandat gewonnen, durften es aber bis zum Brexit nicht besetzen.
Spart die EU durch den Brexit Geld?
Unterm Strich nicht. Großbritannien war nach Deutschland der zweitgrößte Nettozahler in der EU. Die Lücke von etwa 12 bis 14 Milliarden Euro jährlich in der EU-Gemeinschaftskasse müssen jetzt die anderen Mitgliedstaaten durch höhere Beiträge schließen, voran Deutschland als größtes EU-Land. Ein Teil soll aber auch durch Kürzungen ausgeglichen werden.
Was wird mit Nordirland?
Damit die Grenze zwischen EUMitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland weitgehend offen bleibt, soll Nordirland laut Austrittsvertrag de facto Teil des EUBinnenmarktes bleiben und die EUStandards einhalten. Dafür muss es Kontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Königreichs geben. Das nordirische Parlament muss regelmäßig entscheiden, ob die Regel weiter gilt.