Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Wolfsabsch­uss wirft uns zurück“

Debatte über die Zukunft der Raubtiere in Thüringen bei Forum in Schloss Kromsdorf

- Von Hanno Müller

Weimar.

Am Eingang zu Schloss Kromsdorf warb eine Petition gegen den Abschuss der Ohrdrufer Wölfin. Auch in der voll besetzten Kapelle wurde schnell klar: Mit der Abschussfr­eigabe ist das Streitthem­a Wölfe in Thüringen nicht vom Tisch. Eingeladen hatte der junge Verein Bürgerschl­oss und Kulturbrau­erei Kromsdorf Bauernverb­and, Umwelt- und Artenschüt­zer sowie Autoren. Zum Motto „Rückkehr der Wölfe – Artenschut­zerfolg oder Gefahr?“gebe es keine einfachen Antworten, sagte der Vereinsvor­sitzende Peter Möller zu Beginn.

Dass Wölfe derart kontrovers­e Auseinande­rsetzungen auslösen, führte der Journalist und Jäger Eckard Fuhr auf die jahrhunder­tealte Beziehung der Menschen zu Hund und Wolf zurück. Wölfe würden als charismati­sch erlebt und seien mit vielen Emotionen und Ängsten besetzt, ihre Rückkehr werde mal verklärt, mal verteufelt. „Die Tiere sehen das ganz nüchtern. Dank intensiver Landwirtsc­haft mit Millionen Hühnern, Schweinen und Rindern sowie wildlebend­en Huftieren finden sie ein üppiges Buffet vor“, sagte Fuhr.

Zum Problemwol­f werde ein Wolf, wenn er sich Menschen nähert oder wenn er empfohlene Schutzstan­dards überwindet. Letzteres hatte das Umweltmini­sterium veranlasst, die Tötung der Ohrtion

drufer Wölfin anzuordnen. Bei Silvester Tamas, Koordinato­r für Wolf und Luchs beim Thüringer Nabu, stößt das auf Kritik. Mit der Defini

von Problemwöl­fen gehe man noch mit, allerdings stünde nun mit der Wölfin auch ihre Begleitung auf der Abschussli­ste. „Es darf nicht sein, dass unschuldig­e Tiere quasi mit entnommen werden“, mahnte Tamas. In über Hundert Jahren ohne Wölfe hätten die Menschen verlernt, mit ihnen zu leben. Der geplante Abschuss werfe den begonnenen Lernprozes­s zurück. „Wölfe und Luchse gehörten in die Thüringer Wälder wie Buntspecht, Reh und Fliegenpil­z“, so der Nabu-Vertreter, der die Weidetierh­alter in der Verantwort­ung sieht.

Anne Byrenheid, Referentin für Nutztierha­ltung und Tierschutz beim Thüringer Bauernverb­and, hielt das für zu einfach. „Herdenschu­tz

kostet Geld, dass viele Schäfer nicht haben“, sagte sie. Zäune allein lösten das Problem nicht, zumal örtliche Gegebenhei­ten vielerorts deren Aufbau erschwerte­n oder unmöglich machten. Der Anstieg bei Nutztierri­ssen zeige, dass die vor Verfolgung geschützte Thüringer Wölfin gelernt habe, Schutzmaßn­ahmen zu überwinden. „Der Wolf ist zurück, zu erwarten ist, dass er sich weiter rasant vermehrt. Wir müssen uns fragen, wie viele Wölfe ein dicht besiedelte­s Land verträgt“, sagte Byrenheid.

Für Martin Görner, Leiter der Arbeitsgru­ppe Artenschut­z Thüringen, gehören Wölfe zweifellos zur Fauna Thüringens. Jeder Wolf, der etwa im Verkehr ums Leben komme, sei einer zu viel. Allerdings gelte das für artenreine Tiere. „Eine Wölfin, die sich mit einem Hund paart, wie auch ihre Hybriden im Raum Ohrdruf haben aus Gründen des Wolfsschut­zes keine Berechtigu­ng“, so der Jenaer.

Dass der Wolf im Alltag angekommen ist, thematisie­rt die Magdalaer Krimiautor­in Heike Köhler-Oswald. In „Mörder im Schafspelz“über eine Schäferin streift ein Rudel Graupelze ungehinder­t durchs Weimarer Land. „Ich liebe Wölfe und finde, dass sie ein Recht haben, hier wieder heimisch zu werden. Da ich Pferde, Schafe und Hühner halte mache ich mir auch Sorgen um deren Wohlergehe­n“, sagt die Schriftste­llerin.

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FOTO: S. STACHE / ZB Der Wolf wird das Verhältnis zur Natur verändern.

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