Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Schäuble: Dem Antisemitismus entgegenstellen
Bundestagspräsident zeigt sich erschrocken über den wachsenden Hass
Berlin. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat das Erstarken des Antisemitismus in Deutschland scharf kritisiert. „Ich bin ja noch im Krieg geboren und habe lange Zeit gedacht, dass wir wenigstens all das hinter uns gelassen hätten. Deutschland hat die Menschheit damals in einen unglaublichen Abgrund geführt. Dass wir diesem Ungeist nochmal entgegentreten müssen, hätte ich nicht für möglich gehalten“, sagte Schäuble unserer Redaktion angesichts der Gedenkfeierlichkeiten zum 75. Jahrestag der
Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Der CDU-Politiker mahnte die Deutschen, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit stärker entgegenzutreten. „Wir müssen uns mit aller Entschiedenheit der Verharmlosung der Geschichte, Hassparolen und der Ausgrenzung von Minderheiten entgegenstellen. Denn mit Gewalt gegen eine Minderheit fängt es immer an, aus Hassparolen werden Taten. Unser Grundgesetz sagt es ganz klar: ,Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘“, sagte Schäuble. „Für diesen
Satz müssen wir jeden Tag eintreten, nicht nur bei Gedenkveranstaltungen.“
CSU-Chef Markus Söder attackierte vor allem die AfD. Die Partei spiele beim Wachsen der Judenfeindlichkeit ei- ne „ganz zentrale Rolle“, sagte er. Söder beschuldigte vor allem den rechten „Flügel“der AfD, Antisemitismus wieder „hoffähig“machen zu wollen. Auch Charlotte Knobloch, Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, nannte die
AfD „eine Ursache des neuen Judenhasses“.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock plädierte am Montag für eine Debatte über neue Formen des Gedenkens an die NS-Opfer. Konkret nannte Baerbock eine zwei Minuten lange Gedenkpause, in der das öffentliche Leben zum Stillstand komme, oder einen Gedenktag am 8. Mai oder am 9. November, der an den Auftrag erinnern solle, solches Leid nie wieder zuzulassen.
W. Schäuble Man könne aber auch den „Schrei nach Vergebung und Versöhnung hören“. Mit ihren Appellen an die Jugend, niemals gleichgültig gegenüber Erniedrigung und Hass zu sein, waren Turski und Zalewski an diesem Gedenktag erschreckend aktuell. Denn sie sprachen nicht nur über das Damals, sondern auch über den wachsenden Antisemitismus und Rassismus weltweit.
Für unangebrachte Misstöne sorgen lediglich die Politiker
Aber auch jene Politiker, die laut Cywinski nicht im Zentrum der Veranstaltung stehen sollten, hatten schon vorab für Spannungen gesorgt, statt im Gedenken zusammenzustehen. Als Repräsentant Russlands war nur Botschafter Sergej Andrejew anwesend. Putin wollte nicht kommen und wäre wohl auch nicht willkommen gewesen. Andrejew hielt das nicht davon ab, per Zeitungsinterview neues Öl ins Feuer zu gießen. Es sei eine Tatsache, dass die polnische Regierung die Rolle der Roten Armee bei der Befreiung von Auschwitz „vertuschen“wolle, sagte er der „Iswestija“. Auf der anderen Seite legte Jaroslaw Kaczynski, der Chef der polnischen Regierungspartei PiS, in einem Gespräch mit der „Bild“-Zeitung nach. „Russen als Täter, diese Rolle gefällt Putin nicht. Deshalb will er die Geschichte (des Krieges) umschreiben.“
Es war der israelische Präsident Reuven Rivlin, der nach einem Gespräch mit Polens Präsident Duda am Montag in Auschwitz ein Zeichen der Versöhnung setzte. Er wolle „dem polnischen Volk die Hand reichen, damit wir auf einen gemeinsamen Wege zurückkehren können“. Am Abend dann wollte Rivlin mit Bundespräsident Steinmeier in der deutschen Regierungsmaschine nach Berlin weiterfliegen – auch dies eine Geste neuer Freundschaft.