Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Schritt für Schritt zur hitzerobusten Stadt
Erfurter Zukunftsforum thematisiert, wie sich Erfurt auf trockenere Sommer und anhaltende Hitze einstellt
Erfurt. 1659 Sonnenstunden sind Erfurt im Jahr beschieden. Trockene Sommer und langanhaltende Hitzewellen werden zunehmen. Wie kann sich Erfurt besser darauf vorbereiten und welche Folgen für Gesundheit, städtisches Grün und Lebensqualität müssen bedacht werden?
Beim mittlerweile 24. Erfurter Zukunftsforum im Mercure Hotel Erfurt Altstadt ging es um solche Fragen, mit denen sich ausführlich auch das Forschungsprojekt von Heidi Sinning und ihrem Team befasst. Sie ist Professorin an der Fachhochschule Erfurt und leitet das Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation. Dort ist der Erfurter Anteil des vom Bund finanzierten Projekts „HeatResilientCity“angesiedelt. Ein ganzer Forschungsverbund untersucht Erfurt und Dresden.
Zum Einstieg in die Diskussion wollte Moderator Frank Karmeyer von Heidi Sinning, aber auch vom städtischen Gartenamtsleiter Sascha Döll und vom Doktor Christoph Rödiger, Facharzt für Kardiologie am Helios-Klinikum, wissen, welchen Begriff sie an das „Unwort des Jahres“Klimahysterie koppeln würden.
„Das Klimabewusstsein wächst“, würde die Forscherin sagen. „Wir könnten uns zurücklehnen, denn die gravierenden Veränderungen werden wir wohl nicht mehr erleben, aber wir haben eine Verantwortung
für nachfolgende Generationen. Die Uhr tickt“, gab sie zu bedenken. Der Facharzt warf den Begriff von gestiegenem Klimainteresse in die Runde. Und betonte, die Diskussion habe ihn im beruflichen Alltag erreicht.
In diese positive Richtung lenkte auch der Gartenamtsleiter: „Es ist gut, dass das Thema in der Öffentlichkeit breit diskutiert wird. Wir müssen gucken, wie wir Probleme angehen und mögliche Lösungen umsetzen.“
Eine Bilanz zum Forschungsprojekt, das sich mit hitzeresilienter Stadt- und Quartiersentwicklung beschäftigt, steht erst zum Schluss. Dennoch gibt es Zwischenergebnisse, wie sich Bewohner und Fachleute eine Stadt hitzeresilient vorstellen, was es also braucht, um widerstandsfähiger zu werden und gewappnet zu sein für längere Hitzeperioden.
Drei Ansatzpunkte benannte Heidi Sinning. Es gilt, bei den Menschen das Bewusstsein zu wecken und aufzuzeigen, was man persönlich in seinem Wirkungskreis tun kann. Aber auch an Gebäuden gibt es einiges zu tun. Hauseigentümer könne man für das Thema Lebensqualität trotz Sommerhitze sensibilisieren. Ein dritter großer Bereich ist der Freiraum mit dem vorhandenen oder nicht vorhandenen Grün.
Schwarz-Weiß-Denken hält Sascha Döll als Herr über das städtische Grün für nicht förderlich. Er hält es für hilfreich, über Details zu reden und keine pauschalen Aussagen zu treffen.
Der Leipziger Platz spielt wie die gesamte Krämpfervorstadt für das Forschungsprojekt eine wesentliche Rolle. Die Stadt wächst, gerade in der Oststadt werden noch Freiflächen verschwinden. Er sprach sich auch dafür aus, mehr für die Berücksichtigung von Klimabelangen zu werben, wo viele Interessen aufeinandertreffen.
„Man nennt das grüne Infrastruktur“, sagte er. Und bedauert: Gartenamtsleiter hatten beim Bund ein eigenes Förderprogramm gefordert, doch zustande sei es nicht gekommen. Die Probleme beträfen nicht allein Erfurt, sondern alle größeren Städte.
Am Leipziger Platz startet im Frühjahr eine Testphase mit Großbäumen, Schattenspendern, geänderter Wegeführung und der Motivierung eines Bäckers zur Außenbewirtschaftung. „Wir müssen Schritt für Schritt in Richtung hitzerobuste Stadt gehen. Die Entwicklung braucht Zeit“, so Heidi Sinning. Derzeit erarbeite Erfurt einen Hitzeaktionsplan. Döll brachte den Hirschgarten ins Spiel, der nicht zum Projekt gehört. Dort konnten sich die Großbäume nicht entwickeln, weil Baufahrzeuge das in großer Menge eingebrachte Erdreich verdichtet hatten. Jetzt kommen neue Pflanzgruben, klimaangepasste Bäume – und es wird die erste Fläche in der Stadt die mit Hilfe von Tröpfchenbewässerung ständig befeuchtet wird.
Zum Stichwort Lebensqualität mahnte der Kardiologe Rödiger an, nicht zu vergessen, dass diese eng verbunden sei mit dem Thema Gesundheit und Mediziner mit am Tisch sitzen müssten, wenn es um Klimadiskussionen geht. Nicht nur die Belastungen für Herz- und Kreislauf nehmen mit Hitze zu. Geplagt sind auch allergische Asthmatiker oder Menschen mit Heuschnupfenattacken.
Ob es für Erfurt belastbare Zahlen und gesundheitliche Daten zum
Thema Klimawandel gibt, wollte ein Zuhörer wissen. „Nein“, bedauerte der Mediziner, „weil diese sensiblen Krankenhausdaten gar nicht erhoben werden können.“Gefühlt nähmen aber die Belastungen für die Menschen und Einsätze der Notärzte zu, die mit Flüssigkeitsmangel und Austrocknung sowie allergische Probleme zu.
Als eine Dame aus dem Publikum nach schnell machbaren Dingen wie Fassadenbegrünung und mehr Möglichkeiten der Erfurter fragte, sich in die Diskussion einzumischen, wurde über die Stuhlreihen hinweg im Publikum der Kontakt zum Nachhaltigkeitszentrum geknüpft. Das ist ebenso wie eine Karte mit Klimazonen der Stadt auf der Webseite der Stadt zu finden.
Ein Teil unserer Ausgabe enthält Beilagen der Firma Usedom Reisen SN GmbH.
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