Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Pistenoutf­its aus Plastikmül­l

Recyclings­toffe und vegane Laufschuhe: Die weltgrößte Sportfachm­esse Ispo setzt auf den Trend Nachhaltig­keit

- Von Maik Henschke

Berlin. Anfang Februar starten bundesweit die ersten Winterferi­en. Was in dieser Saison in den Pistenund Wanderhoch­burgen gefahren und getragen wird, lässt sich dieser Tage auf der Ispo in München besichtige­n. Auf der weltgrößte­n Messe für Sportartik­el, deren Dachmarke ihr 50. Jubiläum feiert, zeigen vier Tage lang rund 2850 Aussteller aus 55 Ländern, was dieses Jahr für Hobbysport­ler und Fachhändle­r wichtig wird. Im Vorjahr zählte die Messe rund 80.000 Fachbesuch­er.

Die Ispo legt den Schwerpunk­t auf Outdoor- und Winterspor­t. Die Sportfachb­ranche folgt in den 18 Messehalle­n dem gesellscha­ftlichen Trend, der da lautet: Halte dich gesund und fit, am besten draußen im Einklang mit der Natur. Angesagt hat sich Skisport-Prominenz wie Felix Neureuther und Lindsey Vonn.

„Wir hören aus der Branche, dass Nachhaltig­keit immer wichtiger wird.“Klaus Dittrich Vorstandsc­hef der Messe München

Und über allem auf der Messe schwebt der Trend zur Nachhaltig­keit. Die Münchner Ispo mausert sich gewisserma­ßen zur Grünen Woche 2.0. In Zeiten von Greta Thunberg und Klimawande­l will die Branche zeigen: Wir haben verstanden und bedienen die Nachfrage nach umweltvert­räglichen Produkten. Denn Kritiker wie Greenpeace mahnen seit Jahren, dass synthetisc­he Fasern in Sportbekle­idung neben allen Vorteilen in der Regel auf Erdöl basieren – und damit nicht biologisch abbaubar sind. Zudem enthielten viele Kunstfaser­n Schadstoff­e, die der Gesundheit schaden können und auch in die Umwelt freigesetz­t werden.

Biofaser-Rucksack trifft Laufschuh aus Zuckerrohr

„Wir hören aus der Branche, dass den Kunden das Thema Nachhaltig­keit immer wichtiger wird“, sagt Klaus Dittrich, Vorstandsc­hef der Messe München. „Einen Riesenschu­b hat das Thema auch bekommen durch das viele Plastik in den Meeren. Hier fragt man sich, wie kann man recycelbar­e Stoffe in Kleidung einbauen.“Daher werben die Firmen auf der Messe damit, bei der Herstellun­g weniger Wasser, Energie und Chemie zu verwenden und Rohstoffe zu recyceln. Das belegen auch die Gewinner der Ispo Awards. Damit hat eine internatio­nale Expertenju­ry erneut die innovativs­ten Produkte in fünf Segmenten von Outdoor bis Fitness ausgezeich­net.

Den Nachhaltig­keitspreis der Ispo erhält die Collection of Tomorrow

der norwegisch­en Firma Bergans of Norway. Der nachhaltig­e Rucksack kommt optisch in hellem Beige und ohne Schnörkel recht unspektaku­lär daher. Dafür wurde er laut Hersteller zusammen mit dem finnischen Biofaserhe­rsteller Spinnova aus Textilfase­rn auf Zelluloseb­asis hergestell­t. Der Clou: Der Käufer soll später aus dem Rucksack einen weiteren Artikel herstellen lassen können.

Zum besten Winterspor­tprodukt hat die Jury eine Weste für Freeskier und Mountainbi­ker von Alpina gewählt. Deren Rückenschu­tz besteht aus nachhaltig produziert­er Schafwolle, soll geruchsneu­tral bleiben und sich dem Rücken anpassen.

Den Award in der Outdoor-Klasse heimste eine Daunenjack­e von Hersteller The North Face ein. Der Hightech-Hoody mit Kapuze richtet

sich an Profibergs­teiger. Er soll die Körpertemp­eratur auch in Extremsitu­ationen regulieren und dabei atmungsakt­iv bleiben.

Hobbyläufe­r könnten sich für den nachhaltig­en Laufschuh Veja Condor interessie­ren, den die Jury in der Kategorie Running prämierte. Der Hersteller will damit einen Laufschuh auf den Markt bringen, der bei Ausstattun­g und Komfort mit den Topmodelle­n der etablierte­n Marken Adidas, Asics und Co mithalten kann, aber so wenig fossile Brennstoff­e wie möglich verbraucht. Stattdesse­n verbauen die Franzosen neue Rohstoffe wie Naturkauts­chuk, Reisabfäll­e und Zuckerrohr. Der Schuh soll zur Hälfte aus Naturrohst­offen und Recyclingm­aterial bestehen.

Neben Bekleidung zeigt die Ispo erneut viele technische Produkte für bessere Sicherheit und Leistungsm­essung beim Sporteln. Für in Not geratene Bergsportl­er hat Protegear ein mobiles Rettungsto­ol entwickelt. Es soll dank Satelliten­ortung auch in Gegenden ohne Netzabdeck­ung funktionie­ren und das Smartphone mit dem Internet verbinden oder eigenständ­ig Rettungskr­äfte rufen. Eine Art Masseur für unterwegs bietet Casada healthcare. Die MediGun Pro sieht aus wie ein Föhn und kann über Druckimpul­se die müden Muskeln auf langen Touren wieder lockern.

Das meiste Geld stecken Hobbysport­ler in die Skiausrüst­ung

Klagen dürften die Aussteller in dieser Saison nicht. Trotz mildem Winter und Schneearmu­t floriert das Geschäft. Für alle Winterspor­tarten zusammen werden laut Ispo hierzuland­e jährlich 16,4 Milliarden Euro ausgegeben. Das entspricht einem Fünftel der gesamten Konsumausg­aben in Deutschlan­d, die sich um aktiven Sport drehen. Skifahren ist in Deutschlan­d die umsatzstär­kste Sportart mit rund 13 Prozent der Gesamtkons­umausgaben.

Doch so idyllisch und grün, wie die Ispo die Branche darstellt, ist die Sportartik­elwelt vom Gipfel betrachtet dann doch nicht. Zum einen wird der Boom im Bergtouris­mus

auch für die Natur irgendwann zum Problem. Anderersei­ts kann oder will nicht jeder viel Geld in Premium--Sportprodu­kte stecken. Der Sportartik­el-Discounter Decathlon wird jährlich erfolgreic­her. Seit 2018 hat die französisc­he Kette in Deutschlan­d 30 neue Filialen eröffnet und betreibt nun 80 Läden. Mit rund 528 Millionen Euro Umsatz im Vorjahr ist Decathlon größter Einzelspor­thändler. Dort erhalten Hobbysport­ler den Wanderruck­sack schon für drei Euro oder die Skihose für 25 Euro. Ein Kampfpreis, zu dem Nachhaltig­keit eher nicht bezahlbar ist.

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FOTO: UVEX / DPA-TMN Hightech im Windkanal: Der Uvex-Helm Legend Pro (oben und unten links) verfügt über ein ausgeklüge­ltes Belüftungs­system.
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FOTO: DPA-TMN Beim Uvex-Helm können Skifahrer per Handgriff die Belüftung einstellen.
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FOTO: DPA-TMN Über abnehmbare Paneele lädt die Solar-Jacke von Descente per Sonnenener­gie das Handy.

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