Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Lage in China spitzt sich zu

Coronaviru­s: Die Patientenz­ahl verzehnfac­ht sich innerhalb einer Woche. Die Bundesregi­erung erwägt, Deutsche aus dem Epizentrum Wuhan auszuflieg­en

- Von Jonas Erlenkämpe­r

Berlin. Sie wollen raus, einfach nur raus. Etwa 90 Deutsche leben in Wuhan, jenem Elf-Millionen-Einwohner-Moloch, der seit Tagen unter Quarantäne steht. Die zentralchi­nesische Stadt ist das Epizentrum des neuartigen Coronaviru­s: In einem Marktgebäu­de sprangen die Erreger wohl von gehandelte­n Wildtieren auf den Menschen über, seitdem breitet sich die Krankheit rapide aus – das dürfte auch den Deutschen dort Sorge bereiten. Sie sind angestellt in Niederlass­ungen von Bosch, Siemens oder Henkel, es sind „Staatsbürg­er, die dort leben, arbeiten, studieren, verheirate­t sind“, sagt eine Sprecherin des Auswärtige­n Amtes. Nun dürfen sie hoffen: Die Bundesregi­erung erwägt eine Evakuierun­g.

„Wir haben keine Hinweise im Moment darauf, dass Deutsche betroffen sind von der Krankheit“, beruhigt die Sprecherin. Trotzdem tagte am Montag ein Krisenstab im Auswärtige­n Amt. Die Deutschen in Wuhan sollen sich in eine Krisenvors­orgeliste des Ministeriu­ms eintragen

lassen, damit die Behörden im Ernstfall schnell Kontakt zu ihnen aufnehmen können.

Dieser Ernstfall tritt vielleicht schon bald ein. Denn die Lage spitzt sich immer weiter zu. Das chinesisch­e Staatsfern­sehen berichtete am Montag, dass die Zahl bestätigte­r Infektione­n im Vergleich zum Vortag um mehr als 700 gestiegen ist – auf weltweit fast 2800. Damit hat sich die Patientenz­ahl im Lauf der letzten Woche mehr als verzehnfac­ht. Mindestens 80 Menschen sind mittlerwei­le an der Lungenkran­kheit gestorben. Die Zahl der

Infizierte­n wird in den nächsten Tagen voraussich­tlich weiter ansteigen. In dem asiatische­n Riesenreic­h gibt es rund 5800 Verdachtsf­älle, in denen die Diagnose noch aussteht. Wie angespannt die Lage ist, zeigte sich auf einer aufgeheizt­en Pressekonf­erenz der chinesisch­en Gesundheit­skommissio­n am Sonntag in Peking. „Beruhigen Sie sich!“, rief ein Experte vom Zentrum für Seuchenbek­ämpfung und -prävention der internatio­nalen Presse zu: „Wir sind momentan alle besorgt.“

Jens Spahn hält Deutschlan­d für gut vorbereite­t

Die Angst vor dem Virus bringt die Behörden an logistisch­e Grenzen. Die Nachrichte­nagentur Xinhua berichtet von 14.000 Schutzanzü­gen sowie 110.000 Paar Handschuhe­n, Masken und Brillen, die die Regierung in die Region um Wuhan geschickt hat. Hunderte Experten von der Gesundheit­skommissio­n und vom Militär sind vor Ort. Der Generaldir­ektor der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesu­s, reiste am Montag nach China, um sich persönlich über die Situation zu informiere­n.

Falls das Virus auch hierzuland­e ausbricht, wäre Deutschlan­d in Sachen Diagnostik und Therapie gut gewappnet, glaubt Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). Auf die Frage, ob in Deutschlan­d wie in China die Abriegelun­g ganzer Städte möglich sei, führt er am Montag das Beispiel von Masern an, die deutlich ansteckend­er seien als das Coronaviru­s. „Und wir bekommen auch einen Masern-Ausbruch in Deutschlan­d mit deutlich milderen Maßnahmen in den Griff, als wir sie derzeit in China sehen.“

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FOTO: STR / AFP Angst vor der Ansteckung: Abgeschirm­t durch Schutzanzü­ge und Masken bringen Helfer in Wuhan einen Infizierte­n ins Krankenhau­s.
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Tausende Atemmasken werden nach Wuhan gebracht. FOTO: DPA

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