Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Lage in China spitzt sich zu
Coronavirus: Die Patientenzahl verzehnfacht sich innerhalb einer Woche. Die Bundesregierung erwägt, Deutsche aus dem Epizentrum Wuhan auszufliegen
Berlin. Sie wollen raus, einfach nur raus. Etwa 90 Deutsche leben in Wuhan, jenem Elf-Millionen-Einwohner-Moloch, der seit Tagen unter Quarantäne steht. Die zentralchinesische Stadt ist das Epizentrum des neuartigen Coronavirus: In einem Marktgebäude sprangen die Erreger wohl von gehandelten Wildtieren auf den Menschen über, seitdem breitet sich die Krankheit rapide aus – das dürfte auch den Deutschen dort Sorge bereiten. Sie sind angestellt in Niederlassungen von Bosch, Siemens oder Henkel, es sind „Staatsbürger, die dort leben, arbeiten, studieren, verheiratet sind“, sagt eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Nun dürfen sie hoffen: Die Bundesregierung erwägt eine Evakuierung.
„Wir haben keine Hinweise im Moment darauf, dass Deutsche betroffen sind von der Krankheit“, beruhigt die Sprecherin. Trotzdem tagte am Montag ein Krisenstab im Auswärtigen Amt. Die Deutschen in Wuhan sollen sich in eine Krisenvorsorgeliste des Ministeriums eintragen
lassen, damit die Behörden im Ernstfall schnell Kontakt zu ihnen aufnehmen können.
Dieser Ernstfall tritt vielleicht schon bald ein. Denn die Lage spitzt sich immer weiter zu. Das chinesische Staatsfernsehen berichtete am Montag, dass die Zahl bestätigter Infektionen im Vergleich zum Vortag um mehr als 700 gestiegen ist – auf weltweit fast 2800. Damit hat sich die Patientenzahl im Lauf der letzten Woche mehr als verzehnfacht. Mindestens 80 Menschen sind mittlerweile an der Lungenkrankheit gestorben. Die Zahl der
Infizierten wird in den nächsten Tagen voraussichtlich weiter ansteigen. In dem asiatischen Riesenreich gibt es rund 5800 Verdachtsfälle, in denen die Diagnose noch aussteht. Wie angespannt die Lage ist, zeigte sich auf einer aufgeheizten Pressekonferenz der chinesischen Gesundheitskommission am Sonntag in Peking. „Beruhigen Sie sich!“, rief ein Experte vom Zentrum für Seuchenbekämpfung und -prävention der internationalen Presse zu: „Wir sind momentan alle besorgt.“
Jens Spahn hält Deutschland für gut vorbereitet
Die Angst vor dem Virus bringt die Behörden an logistische Grenzen. Die Nachrichtenagentur Xinhua berichtet von 14.000 Schutzanzügen sowie 110.000 Paar Handschuhen, Masken und Brillen, die die Regierung in die Region um Wuhan geschickt hat. Hunderte Experten von der Gesundheitskommission und vom Militär sind vor Ort. Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, reiste am Montag nach China, um sich persönlich über die Situation zu informieren.
Falls das Virus auch hierzulande ausbricht, wäre Deutschland in Sachen Diagnostik und Therapie gut gewappnet, glaubt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Auf die Frage, ob in Deutschland wie in China die Abriegelung ganzer Städte möglich sei, führt er am Montag das Beispiel von Masern an, die deutlich ansteckender seien als das Coronavirus. „Und wir bekommen auch einen Masern-Ausbruch in Deutschland mit deutlich milderen Maßnahmen in den Griff, als wir sie derzeit in China sehen.“