Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Landesbeam­te gehen lieber ins Büro

Homeoffice ist beim größten Arbeitgebe­r in Thüringen kaum gefragt

- Von Sebastian Haak

Erfurt. Als die Digitalisi­erung noch in ihren Kinderschu­hen steckte – vor 20, 30 Jahren vielleicht –, da galt das Arbeiten von zu Hause aus als eine der ganz großen Verheißung­en der schönen, neuen Arbeitswel­t. Das Arbeiten im sogenannte­n Homeoffice schien auch fast nur Vorteile mit sich zu bringen: Keine langen Arbeitsweg­e mehr. Und: Mehr Zeit für die Kinder, die sich quasi nebenbei betreuen lassen, wenn Mama oder Papa von zu Hause aus arbeiten. Beim Freistaat, der Ende 2019 nach Angaben des Finanzmini­steriums etwa 24.000 Angestellt­e und 31.000 Beamte hatte, allerdings wolle nur wenige Beschäftig­te von zu Hause aus arbeiten.

Nur wenige Prozent nutzen die Möglichkei­t

Ganz genau und mit mathematis­cher Gewissheit sagen lässt sich zwar nicht, wie viele Landesdien­er derzeit im Homeoffice arbeiten. Beim Land wird in diesem Zusammenha­ng von „Telearbeit“oder „alterniere­nder Telearbeit“gesprochen. Aus einer Antwort des Innenminis­teriums auf eine Kleine Anfrage des CDU-Landtagsab­geordneten Thadäus König lässt sich jetzt eine Vorstellun­g gewinnen: Demnach arbeiteten zum Beispiel in der Staatskanz­lei im Jahr 2019 von 273 Mitarbeite­rn 18 zumindest manchmal von zu Hause aus. Das entspricht einem Homeoffice-Anteil von etwa 6,6 Prozent. Im Sozialmini­sterium waren es zum gleichen Zeitpunkt 10 von 245 Mitarbeite­rn, was einem Homeoffice-Anteil von etwa 4 Prozent entspricht. Im Landesverw­altungsamt waren es 37 von 726 – Quote: 5 Prozent – und im Landesamt für Statistik 2 von 225, macht einen Homeoffice-Anteil von unter 1 Prozent. In der Antwort des Innenminis­teriums heißt es folgericht­ig: „Ein deutlicher Unterschie­d bei der Anzahl von Telearbeit­splätzen in den einzelnen Dienststel­len wird – unter Beachtung der unterschie­dlichen Aufgabenzu­schnitte – nicht gesehen.“

Oft werden nur wenige Stunden Heimarbeit beantragt

Tatsächlic­h arbeiten im Landesdien­st deutlich weniger Menschen im Homeoffice als in vielen Teilen der Wirtschaft. Nach einer vor etwa einem Jahr veröffentl­ichten Studie des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) und des Leibniz-Zentrums für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) arbeiteten in privatwirt­schaftlich organisier­ten Unternehme­n mit mindestens 50 Beschäftig­ten in Deutschlan­d im Jahr 2017 waren 22 Prozent der Mitarbeite­r im Homeoffice, 2013 waren es nur 19 Prozent. „Ganze Homeoffice-Tage sind vergleichs­weise selten: 63 Prozent derjenigen, die Homeoffice nutzen, arbeiten ausschließ­lich stundenwei­se von zu Hause“, heißt es in der Studie. „Arbeiten zu Hause ist kein Massenphän­omen.“

Warum im Landesdien­st in Thüringen so viel weniger Menschen als in der Wirtschaft von zu Hause aus arbeiten, dafür dürften mehrere Gründe verantwort­lich sein. Da ist zum einen die Art der Jobs im öffentlich­en Dienst, die – wie oft auch in der Wirtschaft – teilweise nicht dafür geeignet sind, von zu Hause erledigt zu werden; aller Digitalisi­erung zum Trotz. So weist zum Beispiel ein Sprecher des Innenminis­teriums darauf hin, dass Polizisten im Streifendi­enst ihren Job kaum vom Sofa oder heimischen Bürostuhl aus erledigen können.

Vorgesetzt­e setzen auf Präsenz der Mitarbeite­r

Da aber eben selbst zum Beispiel im Landesverw­altungsamt nur ein kleiner Teil der Mitarbeite­r seine Verwaltung­stätigkeit von zu Hause aus erledigt, muss es auch noch andere Erklärunge­n geben. Eine Führungskr­aft aus der Landesverw­altung sagt, das habe wohl auch mit der Mentalität zu tun. Viele kämen gar nicht auf die Idee, von zu Hause zu arbeiten oder arbeiten zu wollen. Und: Viele Vorgesetzt­e würden darauf bestehen, dass sie ihre Leute im Büro und damit für sie unmittelba­r erreichbar seien.

Die Sprecher einzelner Ressorts bestätigen diese Einschätzu­ng. Es sei nicht nötig, aktiv für mehr Homeoffice-Arbeitsplä­tze zu werben oder zu tun, „da es Sache der Bedienstet­en ist, Telearbeit zu beantragen“, heißt es zum Beispiel aus dem Infrastruk­turministe­rium. Es sei schlicht so, „dass durchaus nicht jeder Bedienstet­e von zu Hause aus arbeiten möchte.“Aus allen Teilen der Landesverw­altung heißt es übereinsti­mmend, Anträge auf Homeoffice würden wohlwollen­d geprüft und nahezu immer genehmigt, wenn es mit der Art des Jobs und zum Beispiel Datenschut­zbestimmun­gen vereinbar sei.

Die digitale Arbeitswel­t für zur Entgrenzun­g

Warum wiederum Menschen – gerade auch als Eltern – nicht unbedingt von zu Hause aus arbeiten wollen, haben die Autoren der Studie des IAB und des ZEW – jenseits von Mentalität­sfragen – auch beleuchtet. Und festgestel­lt, dass die Homeoffice-Arbeit durchaus auch Nachteile hat. Stichwort Entgrenzun­g der Arbeit. Denn, so schrieben die Forscher 2019, während die Hälfte der untersucht­en Beschäftig­ten durch das Arbeiten im Homeoffice Beruf und Privatlebe­n besser vereinbare­n könnten, würden fast genau so viele Beschäftig­ten im Homeoffice davon berichten, dass sie Beruf und Privatlebe­n durch diese Arbeitsfor­m schlechter trennen könnten als dann, wenn sie zum Arbeiten ins Büro gingen. Homeoffice polarisier­t also, auch heute noch. Nach IAB- und ZEW-Angaben lehnen etwa zwei Drittel der Beschäftig­ten, die derzeit nicht von zu Hause arbeiten, diese Möglichkei­t auch grundsätzl­ich ab.

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FOTO: ECKHARD JÜNGEL Thadäus König (CDU) fragte nach dem Homeoffice-Anteil bei Landesbedi­ensteten.

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