Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Landesbeamte gehen lieber ins Büro
Homeoffice ist beim größten Arbeitgeber in Thüringen kaum gefragt
Erfurt. Als die Digitalisierung noch in ihren Kinderschuhen steckte – vor 20, 30 Jahren vielleicht –, da galt das Arbeiten von zu Hause aus als eine der ganz großen Verheißungen der schönen, neuen Arbeitswelt. Das Arbeiten im sogenannten Homeoffice schien auch fast nur Vorteile mit sich zu bringen: Keine langen Arbeitswege mehr. Und: Mehr Zeit für die Kinder, die sich quasi nebenbei betreuen lassen, wenn Mama oder Papa von zu Hause aus arbeiten. Beim Freistaat, der Ende 2019 nach Angaben des Finanzministeriums etwa 24.000 Angestellte und 31.000 Beamte hatte, allerdings wolle nur wenige Beschäftigte von zu Hause aus arbeiten.
Nur wenige Prozent nutzen die Möglichkeit
Ganz genau und mit mathematischer Gewissheit sagen lässt sich zwar nicht, wie viele Landesdiener derzeit im Homeoffice arbeiten. Beim Land wird in diesem Zusammenhang von „Telearbeit“oder „alternierender Telearbeit“gesprochen. Aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Thadäus König lässt sich jetzt eine Vorstellung gewinnen: Demnach arbeiteten zum Beispiel in der Staatskanzlei im Jahr 2019 von 273 Mitarbeitern 18 zumindest manchmal von zu Hause aus. Das entspricht einem Homeoffice-Anteil von etwa 6,6 Prozent. Im Sozialministerium waren es zum gleichen Zeitpunkt 10 von 245 Mitarbeitern, was einem Homeoffice-Anteil von etwa 4 Prozent entspricht. Im Landesverwaltungsamt waren es 37 von 726 – Quote: 5 Prozent – und im Landesamt für Statistik 2 von 225, macht einen Homeoffice-Anteil von unter 1 Prozent. In der Antwort des Innenministeriums heißt es folgerichtig: „Ein deutlicher Unterschied bei der Anzahl von Telearbeitsplätzen in den einzelnen Dienststellen wird – unter Beachtung der unterschiedlichen Aufgabenzuschnitte – nicht gesehen.“
Oft werden nur wenige Stunden Heimarbeit beantragt
Tatsächlich arbeiten im Landesdienst deutlich weniger Menschen im Homeoffice als in vielen Teilen der Wirtschaft. Nach einer vor etwa einem Jahr veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) arbeiteten in privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten in Deutschland im Jahr 2017 waren 22 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice, 2013 waren es nur 19 Prozent. „Ganze Homeoffice-Tage sind vergleichsweise selten: 63 Prozent derjenigen, die Homeoffice nutzen, arbeiten ausschließlich stundenweise von zu Hause“, heißt es in der Studie. „Arbeiten zu Hause ist kein Massenphänomen.“
Warum im Landesdienst in Thüringen so viel weniger Menschen als in der Wirtschaft von zu Hause aus arbeiten, dafür dürften mehrere Gründe verantwortlich sein. Da ist zum einen die Art der Jobs im öffentlichen Dienst, die – wie oft auch in der Wirtschaft – teilweise nicht dafür geeignet sind, von zu Hause erledigt zu werden; aller Digitalisierung zum Trotz. So weist zum Beispiel ein Sprecher des Innenministeriums darauf hin, dass Polizisten im Streifendienst ihren Job kaum vom Sofa oder heimischen Bürostuhl aus erledigen können.
Vorgesetzte setzen auf Präsenz der Mitarbeiter
Da aber eben selbst zum Beispiel im Landesverwaltungsamt nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter seine Verwaltungstätigkeit von zu Hause aus erledigt, muss es auch noch andere Erklärungen geben. Eine Führungskraft aus der Landesverwaltung sagt, das habe wohl auch mit der Mentalität zu tun. Viele kämen gar nicht auf die Idee, von zu Hause zu arbeiten oder arbeiten zu wollen. Und: Viele Vorgesetzte würden darauf bestehen, dass sie ihre Leute im Büro und damit für sie unmittelbar erreichbar seien.
Die Sprecher einzelner Ressorts bestätigen diese Einschätzung. Es sei nicht nötig, aktiv für mehr Homeoffice-Arbeitsplätze zu werben oder zu tun, „da es Sache der Bediensteten ist, Telearbeit zu beantragen“, heißt es zum Beispiel aus dem Infrastrukturministerium. Es sei schlicht so, „dass durchaus nicht jeder Bedienstete von zu Hause aus arbeiten möchte.“Aus allen Teilen der Landesverwaltung heißt es übereinstimmend, Anträge auf Homeoffice würden wohlwollend geprüft und nahezu immer genehmigt, wenn es mit der Art des Jobs und zum Beispiel Datenschutzbestimmungen vereinbar sei.
Die digitale Arbeitswelt für zur Entgrenzung
Warum wiederum Menschen – gerade auch als Eltern – nicht unbedingt von zu Hause aus arbeiten wollen, haben die Autoren der Studie des IAB und des ZEW – jenseits von Mentalitätsfragen – auch beleuchtet. Und festgestellt, dass die Homeoffice-Arbeit durchaus auch Nachteile hat. Stichwort Entgrenzung der Arbeit. Denn, so schrieben die Forscher 2019, während die Hälfte der untersuchten Beschäftigten durch das Arbeiten im Homeoffice Beruf und Privatleben besser vereinbaren könnten, würden fast genau so viele Beschäftigten im Homeoffice davon berichten, dass sie Beruf und Privatleben durch diese Arbeitsform schlechter trennen könnten als dann, wenn sie zum Arbeiten ins Büro gingen. Homeoffice polarisiert also, auch heute noch. Nach IAB- und ZEW-Angaben lehnen etwa zwei Drittel der Beschäftigten, die derzeit nicht von zu Hause arbeiten, diese Möglichkeit auch grundsätzlich ab.