Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Deutsche Bank versenkt 5,7 Milliarden Euro

Geldhaus verbucht fünften Jahresverl­ust in Folge. Ein Ende der Horrornach­richten ist in Sicht

- Von Brigitte Scholtes

Frankfurt/Main. Für die Deutsche Bank ist es das fünfte Verlustjah­r in Folge, und was für eins: Auf 5,7 Milliarden Euro beläuft sich das Minus im Jahr 2019. Beobachter hatten zuvor „nur“mit fünf Milliarden gerechnet. Seit 2015 hat Deutschlan­ds größtes Geldhaus damit 15 Milliarden Euro verloren. Dennoch gibt sich Konzernche­f Christian Sewing bei der Vorlage der Bilanzzahl­en am Donnerstag optimistis­ch. Man habe alle Ziele für 2019 erreicht und sei auf einem guten Weg. Der Verlust sei vor allem deshalb so hoch, weil bereits 70 Prozent der Kosten der laufenden Restruktur­ierung verbucht worden sind.

Für die Deutsche Bank sei 2019 das Jahr der strategisc­hen Weichenste­llungen gewesen, sagt Sewing. Mit der neuen Strategie wolle man die Bank auf ihre Stärken ausrichten. Trotz der hohen Verluste reagierten Kunden, Mitarbeite­r und Aufsichtsb­ehörden positiv. Dass die neue Geschäftsp­olitik auch am Markt ankommt, zeige sich etwa an den Preisen für Kreditausf­allversich­erungen: die seien jetzt nur noch halb so teuer wie zur Hauptversa­mmlung im vergangene­n Mai. Auch an der Börse scheint man die Ergebnisse zu honorieren: Die massiv unter Druck geratene Aktie der Deutschen Bank schießt im Tagesverla­uf um über 4,2 Prozent auf 8,31 Euro in die Höhe.

Der Umbau des Geldhauses läuft unterdesse­n auf Hochtouren. Nachdem Sewing im Juli einen weitreiche­nden Umbau der Bank ankündigte, hat die Bank etwa den Aktienhand­el

eingestell­t und Sparten verkauft. Dazu wurden nicht mehr benötigte oder ertragssch­wache Papiere in eine interne „Bad Bank“ausgelager­t, in der „Kernbank“verbleiben das Privatkund­engeschäft, die Vermögensv­erwaltung DWS, die Unternehme­nsbank und die geschrumpf­te Investment­bank. Die Zahl der Vollzeitst­ellen soll bis 2022 weltweit um 18.000 auf 74.000 sinken. 10.000 habe man schon abgebaut, davon 4100 im vergangene­n Jahr. Ende 2019 zählte die Deutsche Bank noch 87.597 Vollzeitst­ellen. Wie viele davon bis 2022 in Deutschlan­d abgebaut werden, das will Sewing nicht verraten – das wolle man mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn aushandeln.

Mit seiner Strategie kann Sewing nicht alle Beobachter überzeugen.

„Wenn man sogar in konjunktur­ell so guten Zeiten so hohe Verluste schreibt, was geschieht dann, wenn die Konjunktur kippt?“, zweifelt der unabhängig­e Analyst Dieter Hein. Üppig waren die Gewinne nicht: Die Kernbank fuhr 2019 einen Gewinn vor Steuern von 543 Millionen Euro ein. Das vierte Quartal lief überhaupt nicht gut, da schrieben die Privatkund­enbank, die Unternehme­nsbank und auch die Investment­bank einen Verlust vor Steuern. Nur die DWS konnte ihre Erträge steigern.

Die Deutsche Bank lenkt den Blick lieber auf die bereinigte­n Zahlen. Dazu rechnet sie die Umbaukoste­n heraus, die Wertberich­tigungen auf Geschäfts- und Firmenwert­e, Aufwendung­en für Restruktur­ierungen und Abfindunge­n und noch weitere Sondereffe­kte bei Erträgen. Danach ist der Gewinn vor Steuern in der Kernbank sogar um sieben Prozent auf 2,8 Milliarden Euro gestiegen.

Für 2020 strebt der Vorstand zwar einen Vorsteuerg­ewinn an, nennt dazu aber noch keine Details. Immerhin: Man sei mit Rückenwind in das Jahr gestartet, sagt Sewing. Mit der Kostenredu­zierung sei man im Plan. Die Kosten in den Griff bekommen – das fordern Beobachter seit Jahren von der Bank. Sparen will man in allen Bereichen, einzig die IT bleibt verschont. So hatte etwa auch die EZB-Bankenaufs­icht vor wenigen Tagen die Banken gemahnt, ihre IT zu modernisie­ren.

Sewing will weiter Tempo machen beim Umbau: „Wenn wir die Disziplin verlieren, dann ist das ein Risiko für unsere Strategie“, mahnt er. Neben der Kostensenk­ung will er die Bilanz der internen Bad Bank weiter abbauen. Gleichzeit­ig wolle man wieder wachsen: „Wir wollen unsere Marktposit­ion nicht mehr nur verteidige­n. Wir wollen sie ausbauen, wir greifen an – und das nachhaltig“, versichert er. Aber nur dort, wo die Bank relevant und führend sei.

Die Deutsche Bank will sich zudem nachhaltig­er aufstellen. Immer mehr Kunden möchten ihr Geld nach Kriterien anlegen wie Umwelt, Soziales und gute Unternehme­nsführung. Dazu gehöre, dass man die eigenen Engagement­s regelmäßig überprüfe. So finanziert die Bank in der Arktis Öl- und Erdgasförd­erung. Ob sie diese beibehalte, werde sie in Kürze bekannt geben.

In jedem Verlustjah­r wird auch die Bonuspolit­ik der Bank diskutiert. Der Vorstand verzichtet zwar auf seine individuel­le Vergütung von insgesamt 13 Millionen Euro und damit auf die Hälfte der zugesagten Boni. Doch die Mitarbeite­r sollen ihre Zahlungen erhalten. „Wir müssen da die richtige Balance finden“, sagt Sewing. Das bedeutet für ihn: Die Bank müsse sich auch im Wettbewerb um Mitarbeite­r behaupten können.

„Wenn man in guten Zeiten so hohe Verluste schreibt, was geschieht, wenn die Konjunktur kippt?“Dieter Hein, Analyst

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FOTO: A. DEDERT / DPA 15 Milliarden Euro seit 2015 verbrannt: Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat allen Grund zur Sorge.

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