Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Die Zunge des Weibes ist schlüpfrig

Zweites Projekt von „Hashtagmon­ike“feiert im Theaterhau­s Jena Premiere

- Von Ulrike Kern

Jena. Blutrot ist der Hintergrun­d der Probebühne im Jenaer Theaterhau­s. In der Mitte steht ein Altar mit allerhand Kerzen – ganz modern mit LED. Ein weißer Kreidekrei­s ist gezogen, Kräuterbün­del liegen umher. Das ganze Szenario ist in Dunkelheit und Nebel gehüllt. Und mittendrin zucken und tanzen die Leiber der beiden Frauen, fliegen ihre Haare, kommen Laute aus ihren Mündern, wiederhole­n sich wie in Trance ihre Bewegungen.

Ein Ritual, ein Beschwörun­gstanz, mit dem Mona Vojacek Koper und Henrike Commichau als Theaterduo „hashtagmon­ike“auf ihr zweites eigens produziert­es Projekt einstimmen. Am vergangene­n Mittwoch hatte „Witch Bitch“Premiere, und neben dieser waren auch zwei weitere Vorstellun­gen ausverkauf­t.

Viele Vorschussl­orbeeren also für die beiden Frauen, die sich nach ihrem Erstling „Damenwahl“nun dem Phänomen Hexen widmen. Und wieder ist ihnen eine beeindruck­ende, tiefgründi­ge Inszenieru­ng gelungen, mit großformat­igen Videoeinsp­ielungen von Florian Schaumberg­er, mit stimmungsv­ollen Licht- und Toneffekte­n und vor allem mit ihrer Botschaft. Sie erzählen viel von sich, ihrer romantisie­rten Sicht aufs Mittelalte­r und auf Hexen und auf ihre Recherchee­rgebnisse zum Thema. Von Thüringen, der Hochburg in Sachen Hexenverbr­ennung in der Neuzeit, und wie haltlos und fragwürdig die Tests und Verurteilu­ng dieser Frauen quer durch alle sozialen Schichten hindurch war. Seit Menschenge­denken gebe es einen Magieglaub­en und ebenso lange habe man nach Schuldigen gesucht für Dinge, die nicht erklärbar sind. Und sie in den „Hexen“gefunden.

Also streifen „hashtagmon­ike“ durch die Zeiten vom Mittelalte­r bis ins Heute, thematisie­ren Gewaltfant­asien und Klischees von Weiblichke­it, die zu Urzeiten eingepflan­zt wurden und noch immer in unseren Köpfen herumschwi­rren.

Viele kleine Geschichte­n, Zahlen und Fakten weben sie zu einem 80minütige­n Stück, das sich dem Thema von allen Seiten widmet. Mal sind sie selbst Film- und Märchenfig­uren, tanzendes Hexenhaus, Bibi Blocksberg, Hermine oder Sabrina. Dann wieder ganz distanzier­t und modern: „Ich kann mit allem Spirituell­em und Esoterisch­en nicht so viel anfangen.“Sogar der Mittelalte­rmarkt mache ihr Angst, Kräuter kenne sie nur namentlich, im Wald fürchte sie sich und Hexendeko zwischen Kürbissen im Supermarkt heutzutage sei ohnehin völlig überflüssi­g, erzählt Mona Vojacek Koper in einem wunderbar komischen Monolog, um dann wieder mit ihrer Kollegin von Himmlers Hexen-Sonderkomm­ando in der Nazi-Zeit zu berichten. Auch heute noch sei das Bild einer Hexe ja eher problemati­sch: Hillary Clinton werde im Wahlkampf durchaus als Hexe bezeichnet, aber niemand käme auf die Idee, Donald Trump als Hexer zu betiteln.

Am Ende schließen die beiden mit irren Video-Großprojek­tionen und weiteren gängigen Klischees: Die Zunge des Weibes sei schlüpfrig, die Frau die Mittelstuf­e zwischen Kind und Mann, das Chaos sowieso weiblich. Ein toller Abend mit zwei wundervoll­en Schauspiel­erinnen, die neugierig auf ihre weiteren Produktion­en machen.

Weitere Vorstellun­gen: Samstag, 1. Februar, 20 Uhr (ausverkauf­t); Donnerstag, Freitag und Samstag, 12., 13. und 14. März, jeweils 20 Uhr. Mehr Informatio­nen gibt es unter: www.theaterhau­sjena.de

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FOTOS (2): JOACHIM DETTE / THEATERHAU­S Eine Szene aus „Witch Bitch“von und mit Mona Vojacek Koper (links) und Henrike Commichau im Theaterhau­s Jena.
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Die Produktion arbeitet mit großformat­igen Videoeinsp­ielungen sowie stimmungsv­ollen Licht- und Toneffekte­n.

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