Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Bons gegen Betrug
Frankreich lockert die Kassenzettelpflicht. Für kleine Einkäufe bis zehn Euro (später 30 Euro) muss kein Bon mehr ausgestellt werden. Das soll für weniger Papiermüll sorgen.
Viele fragen sich nun: Warum geht das bei uns nicht? Seit Wochen quillt das Internet über von Fotos, auf denen erboste Bäcker und Fleischer meterlange Papierschlangen mit dem Hinweis verewigen, die Politiker in Berlin seien doch „plemplem“.
Bei allem Verständnis für den Ärger über die nervige Zettelwirtschaft: Was ist mit massenhaftem Steuerbetrug an Ladenkassen? Europaweit werden so jährlich Hunderte Milliarden hinterzogen. Das Landgericht Osnabrück verurteilte zwei Brüder wegen gewerbsmäßiger Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu langjährigen Haftstrafen. Sie verkauften an Restaurants Kassensysteme inklusive einer simplen Manipulationssoftware, um Tageseinnahmen zu löschen. In acht Betrugsfällen wies das Gericht einen Steuerbetrug von sechs Millionen Euro nach. Viel Geld, denken Sie jetzt? Die Brüder hatten 1200 Restaurants in Deutschland und 2600 in Europa in der Kartei! Das Gericht schätzt den Gesamtschaden auf eine Milliarde Euro.
Das ist Geld, das Steuerbetrüger der Allgemeinheit vorenthalten. Wenn ich als Kunde 19 Prozent Umsatzsteuer blechen muss, möchte ich, dass dieses Geld dem Gemeinwohl dient! Und die Umwelt? Es gibt gute Alternativen zum Thermopapier, auch digitale Bons sind erlaubt. In vielen EU-Ländern ist die Bonpflicht seit Jahren Alltag. In Lettland, der Slowakei oder Italien übrigens gibt es im Kampf gegen Steuerbetrug Kassenbon-Lotterien. Wer seinen Wisch behält, nimmt damit an einer staatlichen Verlosung mit lukrativen Gewinnen teil. Das könnte Finanzminister Olaf Scholz doch nachmachen, um den deutschen „Bonfrieden“wiederherzustellen.