Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Warum Iowa so wichtig ist
Am Dienstag beginnen im kleinen US-Bundesstaat die Vorwahlen der Demokraten. Sie entscheiden darüber, wer sich dem amerikanischen Präsidenten entgegenstellt
Washington. Joe Biden oder Bernie Sanders? Elisabeth Warren oder Pete Buttigieg? Oder doch am Ende Michael Bloomberg? Am 3. Februar beginnt mit den Vorwahlen im Bundesstaat Iowa für Amerikas Demokraten das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur für die Wahl am 3. November. Wer wird Herausforderer von Amtsinhaber Donald Trump, den die Republikaner bei ihrem Parteitag vom 24. bis 27. August in Charlotte (North Carolina) für die Wiederwahl nominieren wollen? Es gibt nur drei Gegenkandidaten, die nach jetzigem Stand keine Rolle spielen.
Wie funktionieren die Vorwahlen bei den Demokraten?
Den Modus bestimmen die einzelnen Bundesstaaten. Das System ist komplex und aus europäischer Sicht oft bizarr. Der Großteil der Abstimmungen sind so genannte Primaries. Dabei können registrierte Wähler in einem öffentlichen Wahllokal geheim ihre Stimme abgeben. Einige Bundesstaaten praktizieren das Caucus(Versammlungs)-Prinzip. Dabei wird in Gemeinschaft erst diskutiert, dann abgestimmt. Im Kern gilt: Je besser ein Präsidentschaftsbewerber in einem Bundesstaat abschneidet, desto mehr Delegierte darf er von dort zum Parteitag schicken.
Wann geht es los?
Den offiziellen Auftakt der Vorwahlen in den 50 US-Staaten und Außenterritorien macht traditionell
Iowa (3. Februar). Zweite Station im Februar ist New Hampshire. Danach folgen Nevada und South Carolina. In diesen vier Bundesstaaten sind zusammen zwar nur 155 Delegiertenstimmen zu vergeben. Aber: Wer hier gewinnt oder unter den ersten drei landet, kann in der Regel auf Rückenwind hoffen.
Warum eigentlich immer Iowa?
Gewohnheitsrecht seit fast 50 Jahren. Obwohl Iowa zu weiß, zu wohlhabend, zu religiös und demografisch für Amerika nicht repräsentativ ist, geht der Vorwahlzirkus hier los. Iowa hat Menetekel-Qualität: In 44 Jahren haben nur zwei Demokraten, die hier vorn lagen, am Ende nicht die Kandidatur gewonnen. Al Gore (2000), John Kerry (2004), Barack Obama (2008) und Hillary Clinton (2016) landeten in Iowa auf Platz eins und wurden später auf den Parteitagen nominiert.
Wer sind die wichtigsten Bewerber?
Am Anfang waren es 29, inzwischen sind noch elf Kandidaten im Rennen. Echte Chancen werden aber nach heutigem Stand nur diesen Bewerbern eingeräumt:
Joe Biden: Der ehemalige Vizepräsident liegt im Prinzip seit Frühjahr 2019 in den meisten Umfragen vorn. Der 77-Jährige war acht Jahre lang Stellvertreter von Barack Obama. Sein Credo lautet: Trump spaltet die Nation, Biden kann kitten, was kaputt ist. Biden ist kein mitreißender Redner. Und er hat einen wunden Punkt: die UkraineAffäre. Dass sein Sohn zu seiner Zeit als Vizepräsident bei einem ukrainischen Gaskonzern Millionen verdient hat, mag juristisch einwandfrei sein. Ethisch-moralisch sauber ist es nicht. Politisch würde Donald Trump ihm das Thema bis zum letzten Tag um die Ohren hauen. Biden lag zuletzt im Mittelwert seriöser Umfragen bei 28 Prozent.
Bernie Sanders: Wie bereits vor vier Jahren kann der 78-jährige Senator aus Vermont immer noch auf eine breite Anhängerschaft gerade bei jungen Leuten zählen. Der parteilose, selbst ernannte demokratische Sozialist hat die gleichen Forderungen wie 2016: staatliche gesetzliche Krankenversicherung für alle, mehr Geld für den Kampf gegen den Klimawandel und eine höhere Besteuerung von Superreichen. Sanders hat im Herbst einen Herzinfarkt erfolgreich bewältigt. Das Partei-Establishment glaubt, dass er „viel zu weit links“ist, um Trump schlagen zu können. Sanders lag zuletzt im Mittelwert seriöser Umfragen bei 21
Prozent.
Elizabeth Warren:
Die Senatorin aus Massachusetts (70) ist politisch in vielen Bereichen nahe bei
Sanders. Der früheren Juraprofessorin ist die Bekämpfung der sozialen Ungleichheit besonders wichtig. Sie liegt in Umfragen bei 14 Prozent.
Pete Buttigieg:
Als der frühere Bürgermeister von South Bend im Arbeiterbundesstaat Indiana im Frühjahr 2019 antrat, gab ihm kaum jemand eine Chance. Zu unerfahren, lauteten die häufigsten Urteile über den offen homosexuell lebenden Afghanistan-Veteranen, der mindestens sechs Sprachen spricht. Durch kluge Rhetorik, breites Praxiswissen als Bürgermeister und Schlagfertigkeit hat sich Buttigieg (37) etabliert. Er fischt im gleichen Wählerteich wie Biden und liegt in Umfragen bei acht Prozent.
Michael Bloomberg: Der ehemalige Bürgermeister New Yorks ist die Wildcard im Rennen, in das er erst Anfang März einsteigt. Der 60-fache Milliardär hält Biden wegen der Ukraine-Affäre für zu angeschlagen und Warren und Sanders für entschieden zu weit links. Seine Kampagne bezahlt er selbst. Seine Kernbotschaft: Trump, der Bankrotteur und Hochstapler, ruiniert das Land und muss weg. Bloomberg liegt in Umfragen bei acht Prozent.
Wer hat die besten Chancen im November gegen Donald Trump?
Zieht man alle verlässlichen Umfragen zusammen, besäße Joe Biden mit 48 Prozent zu 44 Prozent zurzeit die größten Erfolgsaussichten gegen Amtsinhaber Trump. Doch diese Momentaufnahme kann sich je nach Ausgang der ersten Vorwahlen schnell ändern.