Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Bundeswehr holt 90 Deutsche in Wuhan ab
Kampf gegen das Coronavirus: Die Ausgeflogenen werden zwei Wochen lang in einer Kaserne von Ärzten überwacht
Berlin. Am Sonnabendnachmittag soll in Frankfurt ein Airbus A310 landen, eine Maschine der Luftwaffe mit dem Namen „Kurt Schumacher“. Fünf Flugzeuge dieses Typ hat die Bundeswehr. Als fliegende Tankstellen können sie dienen, als Truppentransporter, sogar zur Intensivstation können sie umgebaut werden. Doch die Mission an diesem Wochenende ist eine andere: Die „Kurt Schumacher“ist am Freitag nach China geflogen, um mehr als hundert Menschen aus dem chinesischen Wuhan zu holen, wo der Ausbruch des neuen Coronavirus seinen Anfang nahm.
90 deutsche Staatsbürger und 40 enge Familienmitglieder mit anderer Staatsangehörigkeit sollen von Wuhan aus nach Deutschland geflogen werden. Einer von ihnen ist Sebastian Scholze, Leiter eines Sprachzentrums in Wuhan. Am späten Freitagabend, Ortszeit, sitzt er in Wuhan am Flughafen und wartet, dass es los geht. „Hier sind Studenten, ältere Menschen, Familien“, sagt Scholze, am Telefon ein bisschen schwer zu verstehen, weil er eine Atemmaske trägt. „Die Kinder sind mittlerweile ziemlich müde, weil es schon spät ist.“Um fünf Uhr morgens Ortszeit soll es losgehen. Dann soll die „Kurt Schumacher“abheben in Richtung Deutschland.
Gruppe wird vor dem Abflug von Medizinern untersucht
Die Deutschen in Wuhan konnten entscheiden, ob sie sich und ihre Angehörigen ausfliegen lassen, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Mitfliegen dürfen aber nur gesunde Menschen – wer bereits am Virus erkrankt ist, muss in Wuhan bleiben. Um das zu gewährleisten, soll die Gruppe vor dem Abflug unter anderem von Bundeswehrmedizinern untersucht werden. „Auf dem Weg zum Flughafen gab es einen Checkpoint, an dem Fieber gemessen wurde, am Flughafeneingang gab es auch noch eine Kontrolle“, berichtet auch Scholze.
Von der Rückkehr aus einem Krisengebiet dürfe keine Gefahr für die Bevölkerung hier ausgehen, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD). Deshalb werde die Gruppe während der Reise und auch im Anschluss medizinisch betreut und zentral untergebracht. Das heißt: Die Ausgeflogenen kommen in Quarantäne. Eine zentrale Unterbringung sei wichtig, um mögliche Ansteckungen in der Inkubationszeit zu vermeiden. In einem Schreiben der deutschen Botschaft an die Betroffenen heißt es: „Sie müssen damit rechnen, dass Ihre Mobilität in der ersten Zeit in Deutschland deutlich eingeschränkt sein wird.“Nach der Ankunft werden die China-Rückkehrer zunächst in einer Frankfurter Sporthalle untergebracht, die zum Medizinzentrum umgewandelt wurde. Dort werden sie nach einer weiteren Untersuchung in eine rote, gelbe und grüne Gruppe unterteilt: Bei „roten“Patienten wurde nach dem Flug doch die Infektion festgestellt, sie kommen in die Uniklinik. „Gelbe“Personen standen mit ihnen in Kontakt, „grüne“Personen nicht. Sie kommen zur Quarantäne in den Luftwaffenstützpunkt Germersheim in Rheinland-Pfalz. Hier sollen sie sicherheitshalber zwei Wochen lang untergebracht und beobachtet werden, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Keine schöne Aussicht, sagt Scholze, „aber ich habe Verständnis, dass es so ist. Wir werden die Zeit rumkriegen, und danach können wir zu unseren Familien in Deutschland.“
Wehren können sich die Evakuierten gegen dieses Vorgehen nicht. „Solange ein begründeter Verdacht besteht, haben die Bürger Folge zu leisten“, sagt Rudolf Ratzel, der Vorsitzende des Ausschusses Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein. Das sei im Infektionsschutzgesetz klar geregelt. „Willigt die betroffene Person nicht freiwillig ein, muss die Quarantäne von einem Richter angeordnet werden.“
Die 130, die ausgeflogen werden, sind nur ein kleiner Teil der deutschen Staatsbürger in der Volksrepublik. Von 15.000 geht man im Auswärtigen Amt aus, genaue Zahlen gibt es nicht. Die meisten harren in China aus – so wie Paul Kohlenberg von der Heinrich-Böll-Stiftung. Er wohnt in Peking, mehr als 1000 Kilometer von Wuhan entfernt. Doch auch dort spürt man die Ausbreitung des Virus. Die Feiertage um das Neujahrsfest seien immer eine ruhige Zeit, sagt Kohlenberg, „dieses Jahr aber deutlich ruhiger als sonst“. Die Menschen seien angehalten, in ihren Wohnungen zu bleiben. Auf der Straße sei deshalb wenig von Panik zu spüren. „In den sozialen Medien sieht man aber, dass sie das Thema beschäftigt und sehr besorgt.“Und auch im Alltag spüre man die Auswirkungen des Virus: „Viele öffentliche Einrichtungen sind nur eingeschränkt offen, selbst am Parkeingang wird Fieber gemessen, die meisten Cafés sind zu“, sagt Kohlenberg. Viele Supermärkte dagegen seien noch offen. „Es ist keine Endzeitstimmung.“
Auch in Deutschland mahnen die Behörden zwar zur Vorsicht, warnen aber vor Panik. In Bayern wurden der sechste und siebte CoronaFall in der Bundesrepublik bestätigt. Laut bayerischem Gesundheitsministerium ist zum ersten Mal ein Kind betroffen. Auch der Vater ist infiziert, er arbeitet in der Firma, aus der die fünf anderen bekannten Fälle in Deutschland kommen. Die bayerischen Behörden betonten, dass sich alle in einem stabilen gesundheitlichen Zustand befinden.