Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Stadtpfeifern auf der Spur
Bachfestival Arnstadt bietet vom 19. bis 22. März fast dreißig Veranstaltungen an
Arnstadt. Je weiter weg man sich von Arnstadt entfernt, umso unschärfer mag das Profil dessen werden, was sich dort jährlich um den Geburtstag Johann Sebastian Bachs am 21. März ereignet: das Bachfestival. Es ist dann leichter mit den Thüringer Bachwochen zu verwechseln oder als deren lokales Vor- oder Rahmenprogramm misszuverstehen.
Stadtkantor Jörg Reddin würde das Festival, das er seit 2016 künstlerisch verantwortet, eher deren „kleine Schwester“nennen, eine mit eigenem Profil: „für Leute, die nicht ihren besten Zwirn ausführen, sondern wegen der Musik kommen“. Allerdings gäbe es das Bachfestival ohne die Bachwochen vermutlich gar nicht: Dieses entstand, nachdem jene 2004 pleite gingen.
Arnstadt als die Bachstadt schlechthin
Ein Jahrzehnt später wiederum, als die Bachwochen längst wieder aufblühten, erlebte das bis dahin zehntägige, aber auch etwas beliebige Bachfestival, was Reddin „eine leichte Delle“nennt. Die brachte ihn selbst in die Verantwortung. Im Zuge eines allgemeinen Sparkurses übertrug die Stadt das Festival an die evangelische Gemeinde, mit einem Zehntel des Budgets.
Im Klartext: Reddin hatte es plötzlich an der Backe. Nach einer Saison war klar: „Das will ich nicht noch einmal so machen.“So kam Alexandra Lehmann vom städtischen Kulturbetrieb „wie die Jungfrau zum Kinde“, als organisierende Kraft. Sie hatte unter anderem „viel Überzeugungsarbeit bei Sponsoren“zu leisten.
Inzwischen geht es wieder deutlich aufwärts. Nicht nur an ein früheres Niveau ließ sich anknüpfen. Man nimmt, mit langem Atem, stärker Arnstadt als die Bachstadt schlechthin in den Blick: mit einem Kernprogramm innerhalb von fast
30 Veranstaltungen an vier Tagen, wofür ein Budget von gerade einmal
50.000 Euro reichen muss. Arnstadt ist viel mehr als der Ort, an dem Johann Sebastian Bach als aufmüpfiger Achtzehnjähriger seine erste Stelle antrat. Arnstadt steht für einen ganzen Zweig der großen Bachfamilie. Unter anderem übte hier Heinrich Bach, ein Großonkel Sebastians, ein halbes Jahrhundert lang das Organistenamt aus.
Capella de la Torre und Ludwig Güttlers Blechbläser
Und nicht von ungefähr nimmt das Festival diesmal die Stadtpfeifer in den Blick, über die man heute „nicht besonders viel weiß“, so Reddin. Außer vielleicht, dass „die Bache“hierzulande eine lange Familientradition als Stadtpfeifer pflegten: gleichsam ein Beruf irgendwo zwischen signalgebendem Türmer und Stadtmusikus. Dem widmet sich einerseits, am 20. März, das Berliner Bläserensemble „Capella de la Torre“. Auf historischen Instrumenten präsentiert es in der Bachkirche „Echte Stadtpfeifer“. In ganz anderem Klanggewand, auf modernem Instrumentarium, pflegt Ludwig Güttlers Blechbläserensemble diese Musik seit Jahrzehnten. Es bestreitet am 22. März an selber Stelle das Abschlusskonzert.
Ehrung für den lümmelnden Lümmel
Das Konzert zum 335. Geburtstag Johann Sebastians vollzieht sozusagen den Weg der Stadtpfeifer in sich bildende Hofkapellen nach. Arnstadt etwa verfügte nach dem Dreißigjährigen Krieg ein Jahrhundert lang über eine solche.
Für das erst vor zwei Jahren unter anderem von Mitgliedern der Staatskapelle Weimar, aber auch von Jörg Reddin mitbegründete Thüringer Bach Collegium orientiert sich in seinem Programm an dorthin übernommenen Stadtpfeifer-Instrumenten: Oboen, Zugtrompete oder Blockflöte erklingen an einem Abend, der die Solokantate „Jauchzet Gott in allen Landen“, zwei Choralkantaten mit dem Bachchor Arnstadt und das vierte der Brandenburgischen Konzerte umfasst. Zwei Stunden später spielt das Collegium an Bernd Göbels unkonventionellem Bachdenkmal auf dem Marktplatz, 1985 eingeweiht. Der Bildhauer wird dabei sein.
Sein Bildnis des lümmelnden Lümmels darf gleichsam als Leitbildnis des Festivals gelten, das eben nicht eine bis heute anhaltende Glorifizierung Bachs fortschreiben mag, wie sie schon durch dessen ersten Biografen in die Welt kam: Johann Nikolaus Forkel, ein Zeitgenosse der Söhne Carl Philipp Emanuel und Wilhelm Friedemann, mit denen er korrespondierte.
Die Bachstadt Arnstadt steht in nuce wohl für das Bachland Thüringen, das, je weiter man sich entfernt, in der Wahrnehmung immer noch hinter Leipzig zurücksteht.
Beide stehen auch dafür, „auf welchem Humus eine solche Gestalt wie Johann Sebastian Bach wachsen konnte“, so Gernot Süßmuth, der das Thüringer Bach Collegium leitet. In diesem Humus hat das Bachfestival produktiv zu wühlen begonnen.
Wir verlosen 2 x 2 Freikarten für das Konzert mit dem Thüringer Bach Collegium am Samstag, 21. März, 19.30 Uhr, in der Bachkirche Arnstadt. Rufen Sie bis diesen Montag, 3. Februar, 23 Uhr, an unter Telefon 01378 / 90 44 95 (0,50 € / Anruf aus dem Festnetz, höherer Mobilfunktarif ).