Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Traumziel Tokio
Warum Rekordsprinter Julian Reus beim Erfurt Indoor am Sonntag nur als Zuschauer in der Halle ist
Erfurt. Es ist kompliziert. Für Julian Reus – und seine Fans. Bei der Jagd nach dem Olympia-Ticket für Tokio geht der deutsche 100-m-Rekordhalter keine Kompromisse ein. Sogar auf einen Start bei seinem Heimmeeting Erfurt Indoor am Sonntag (Beginn 17 Uhr, Leichtathletikhalle) verzichtet er. „Gerne wäre ich gestartet. Aber entscheidend ist, dass ich 48 Stunden später in Düsseldorf schnell bin und Punkte für die Qualifikation sammeln kann“, sagt er.
Der Sprinter vom Top Team des Erfurter LAC, der in Chemnitz in
6,68 Sekunden über die 60 Meter ins Jahr gestartet war, muss die 100 Meter in 10,05 Sekunden laufen, um sich direkt für die Sommerspiele zu qualifizieren. Die zweite Möglichkeit bietet eine Rangliste, in der Platzierungen und Zeiten der wichtigsten Meetings einfließen. Gewertet werden auch zwei Hallenstarts.
Allerdings genießt die Erfurter Veranstaltung beim Weltverband nicht die höchste Priorität. Das Düsseldorfer Meeting am Dienstag dagegen schon. Es gehört genauso zur World Indoor Tour wie der Wettbewerb am 19. Februar im französischen Lievin, wo Reus ebenfalls antritt: „Das sind für mich die wichtigsten Rennen des Winters. Ich will alles in diese Starts investieren. Eine Teilnahme in Erfurt würde körperlich und mental zu viel Kraft kosten“, begründet der 31-Jährige seinen Verzicht: „Ein siebter Platz in Düsseldorf in 6,70 Sekunden würde mir mehr bringen als ein Sieg mit einer schnelleren Zeit in Erfurt.“
Selbst die deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig (22./23. Februar) haben nicht den Stellenwert, wenngleich er den Titel gewinnen will. Im vorigen Jahr hatte Reus wegen Oberschenkelproblemen auf einen Start verzichten müssen.
Dennoch wird der Erfurter beim Indoor vor Ort sein – als Initiator des Sprint-Cups, bei dem der schnellste Junge und das schnellste Mädchen von Erfurt ermittelt werden.
Wenn zum Meeting-Finale gegen 19 Uhr die 60 Meter gelaufen werden, schaut er ganz genau hin. Dann duellieren sich Hallen-Europameister Jan Volko aus der Slowakei und der Hallen-EM-Zweite, der Türke Emre Barnes: „Mal sehen, vielleicht gibt’s eine Überraschung.“Nur der Vorjahressieger wird nicht jubeln. Reus, damals in 6,68 Sekunden vorn, will auf dem Weg nach Tokio keine Kompromisse eingehen.