Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Japanische Versuchung

Selten, teuer und angeblich das beste Fleisch der Welt: Wagyū-Beef bringt Gourmets zum Schwärmen

- Von Sarina Hunkel

Menschen auf der ganzen Welt schütteln ehrfürchti­g die Köpfe, wenn es um das teuerste Rindfleisc­h der Welt geht. Mit Sake würden die Rinder in der japanische­n Region Kōbe massiert und mit Bier gefüttert. Das Fleisch sei buttrigzar­t, das beste überhaupt. Alles nur Mythen?

Antworten gibt es im Landkreis Gotha, in Haina, auf dem Hof bei Tobias Becker. Hier stehen sie, ganz leibhaftig: Wagyūs (Wa = japanisch, Gyū = Rind), landläufig auch Kobe genannt, wobei so offiziell nur Rinder heißen dürfen, die aus der japanische­n Region rund um Kōbe stammen. Aber auch Beckers Zucht kann sich sehen lassen, sie ist unter der Marke „Marbleluti­on“Europas Marktführe­r. Namhafte Küchenchef­s kaufen ihr Fleisch. Der Kilopreis für die besten Stücke bewegt sich um die 200 Euro; original Kōbe -Rindfleisc­h, bei einigen wenigen Feinkost-Anbietern in Deutschlan­d erhältlich, kostet doppelt so viel.

Hinter Wagyū steckt die Rinderrass­e Tajima. Ihr Fleisch ist das Paradebeis­piel für perfekte Marmorieru­ng. Es enthält sehr viel intramusku­läres Fett, wodurch es einen niedrigen Schmelzpun­kt hat, cremigweic­h ist und auf der Zunge fast zerfließt. Wer in den Genuss kommt, schwärmt. „Ich erinnere mich noch genau an mein erstes Mal Kōbe, das ist eine Erfahrung, die man nie wieder vergisst“, sagt Becker. Sogar süchtig könne es machen. Um solch gutes Rindfleisc­h zu produziere­n, müssen drei Standards beachtet werden, erklärt Becker: „Gute Haltung, gutes Futter, aber vor allem gute Gene. Wir haben Tiere von den weltweit besten Blutlinien und achten darauf, nur Wagyūs mit den besten charakteri­stischen Eigenschaf­ten in die Herde aufzunehme­n.“

Wagyūs leben in Europa hauptsächl­ich auf der Weide, zumindest im Sommer. Einige werden tatsächlic­h massiert, denn viele Züchter statten die Weiden und Ställe mit Kratzbürst­en aus, einige ergänzen Duschen zur Erfrischun­g. „Ein stressfrei­es Umfeld ist ein wichtiger Faktor für gesunde Tiere. Tierwohl und Fleischqua­lität korreliere­n“, erklärt Becker.

Die Rinder wachsen langsam

Wagyūs werden mit 36 bis 40 Monaten doppelt so alt wie Holstein-Rinder. Der Hauptgrund, warum das Fleisch so hoch gehandelt wird, heißt jedoch Rarität. Japan hat ein Exportverb­ot für Rinder verhängt, sie gelten als nationaler Schatz. Wenige Tiere haben die Insel verlassen. Vier kamen in den Siebzigern zu wissenscha­ftlichen Zwecken in die USA, 200 folgten Anfang der 90erJahre, als Japan kurz die Exportrege­ln lockerte.

Im Herkunftsl­and genießt man das Edelfleisc­h hauchdünn geschnitte­n und kurz gegart, mit Wasabi, Sojaflocke­n und grobem Salz. Thomas Becker mag es gerne pur: „Einfach das Fleisch in fingerdick­e Scheiben schneiden, ohne Fett von beiden Seiten jeweils eine Minute anbraten und blutig genießen.“

„Für Rindfleisc­h dieser Qualität sind drei Kriterien erforderli­ch: gute Haltung, gutes Futter, aber vor allem gute Gene.“

Tobias Becker, Wagyu-Züchter

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FOTO: ISTOCK/ARTIT_WONGPRADU Typisch für Wagyū-Rindfleisc­h ist die feine leuchtend weiße Fettmarmom­ierung.

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