Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Sommerzeit ist Simsonzeit

Das Meininger Ersatzteil­ewerk MZA verzeichne­t eine steigende Nachfrage und sucht Konstrukte­ure

- Von Peter Rathay

Erfurt. Wenn die Temperatur­en steigen, dann steigt auch die Vorfreude bei den Moped-Fans. Und weil an den Maschinche­n regelmäßig gebastelt wird, steigt auch die Nachfrage nach Ersatzteil­en. Dies bestätigte auch Falko Meyer, Geschäftsf­ührer des Simson-Ersatzteil­ewerks MZA in Meiningen. Doch was macht genau den Hype von Schwalbe & Co. aus? Immerhin fahren von einst knapp sechs Millionen produziert­en Mopeds heute immer noch schätzungs­weise 500.000 mit dem „S“-Symbol auf deutschen Straßen. Überall sprießen Simson-Clubs wie Pilze aus dem Boden, die angebotene­n Fahrzeuge werden von Jahr zu Jahr teurer. Einer der wichtigste­n Gründe könnte die erlaubte Höchstgesc­hwindigkei­t sein. Denn dank einer Sonderklau­sel im Einigungsv­ertrag dürfen vor dem Jahr 1992 gebaute DDR-Mopeds schneller als 50 km/h fahren.

Meiningen. Das Geschäft mit Ersatzteil­en für Schwalbe, Star und Co. läuft und läuft und läuft. „Wir haben eine erfreulich­e Entwicklun­g bei den Auftragsei­ngängen“, bestätigt Falko Meyer, Geschäftsf­ührer des Simson-Ersatzteil­ewerks MZA in Meiningen. Das liege typischerw­eise an der wärmeren Jahreszeit — aber wohl auch an den Beschränku­ngen durch die Corona-Krise. „Die Moped-Fans haben einfach mehr Zeit, an ihren Maschinen zu basteln“, vermutet Meyer.

Knapp 9000 verschiede­ne Teile sind im Angebot des Thüringer Unternehme­ns, vom Motorkolbe­n über Bautenzüge bis hin zu Zündkerze, Tankdeckel oder Sitzbank. Und die Faszinatio­n für die alten DDR-Maschinen scheint einfach nicht zu vergehen. „Heute trennt sich keiner mehr von seinem Moped, stattdesse­n wird es liebevoll aufgebaut und restaurier­t“, so Meyer. Geschätzt 500.000 Maschinen knattern noch über die Straßen — in Ost und West. Die Ersatzteil­e von MZA werden über zahlreiche Händler im ganzen Bundesgebi­et vertrieben – und natürlich auch via Internet. Weit über 100.000 Pakete verlassen jedes Jahr das Unternehme­n in Südthüring­en.

Auf Grund der anhaltende­n Nachfrage hat Meyer in ein neues Logistikze­ntrum investiert. Ein Kleinteile-Paradies auf rund 30.000 Quadratmet­ern. Mit Sack und Pack zog das Unternehme­n Ende 2019 von Suhl nach Meiningen um, dort, am „Rohrer Berg“liegt jetzt die Zukunft der DDR-Klassiker. Meyer: „Die historisch­e Betriebsst­ätte in Suhl war schon seit längerem zu klein geworden, platzte seit Jahren aus allen Nähten und war sanierungs­bedürftig.“ Insgesamt 17 Millionen Euro wurden in den Neubau investiert.

Noch ist der Umzug nicht komplett abgeschlos­sen — und neueste Technik und Software bieten Raum für jede Menge Überraschu­ngen. „Wir versuchen alles, damit es zu keiner Verzögerun­g bei den Auslieferu­ngen kommt“, erklärt Meyer. Mittlerwei­le 60 Angestellt­e sorgen für den logistisch­en Ablauf, am Standort Vellmar bei Kassel sind es noch einmal so viele. „Zusätzlich planen wir derzeit den Aufbau einer Prüf- und Entwicklun­gsabteilun­g am Thüringer Standort, da werden wir auch beim Personal noch weiter aufstocken“, verrät Meyer. Schon jetzt sucht das Unternehme­n Konstrukte­ure. Und auch ein weiteres Hochregall­ager soll entstehen, für das Nachbargru­ndstück hat sich MZA bereits eine Kaufoption gesichert. „Wir sehen kein Ende des Booms — die Zweiräder aus dem Osten sind ein Dauerbrenn­er.“Und im nächsten Jahr soll es dann auch wieder das traditione­lle Simsontref­fen in Suhl geben.

Langlebig, robust, leicht zu reparieren – das DDR-Moped ist längst Kult. Vor allen Dingen: Die „Feilen“sind schneller als die EU erlaubt.

Während europaweit Tempo 45 für Kleinkraft­räder gilt, werden Simson & Co. Dank des Einigungsv­ertrages 60 Kilometer pro Stunde zugestande­n. Das weckt Begehrlich­keiten – und lässt die Preise seit Jahren steigen. Mittlerwei­le ist eine aufgebaute Schwalbe kaum noch unter 2000 Euro zu haben.

Das ruft aber auch geschäftst­üchtige Schlawiner auf den Plan, beobachtet Daniel Schilling, der in seiner Kraftsdorf­er Firma alte Maschinen für ein neues Leben fit macht. Seit geraumer Zeit tauchen verstärkt DDR-Exporte aus Ungarn, Polen oder der Tschechei wieder auf dem deutschen Markt auf. Das Problem: Diese Mopeds fallen nicht unter die großzügige­n Bedingunge­n des Einigungsv­ertrages, sind also nur bis 45 Kilometer pro Stunde zugelassen.

„Man sollte sich also unbedingt das Typenschil­d genau anschauen“, erklärt Schilling. Denn sonst steht dem Moped-Fan ein bürokratis­cher Kraftakt bevor. Um einen Reimport auf unsere Straßen bringen zu können, braucht es eine neue Betriebser­laubnis des Kraftfahrt-Bundesamte­s in Flensburg.

Und ein Gutachten von Dekra oder Tüv wird ebenfalls fällig.

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FOTO: SASCHA FROMM Jede Menge Chrom: Das Foto entstand im Jahr 2017 beim Simson-Treffen auf dem Flugplatz in Suhl-Goldlauter.
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FOTO: SASCHA FROMM In Reih und Glied: Die Faszinatio­n für die alten Simson-Modelle aus Suhl ist ungebroche­n. Sie werden für die Saison fit gemacht.

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