Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Sommerzeit ist Simsonzeit
Das Meininger Ersatzteilewerk MZA verzeichnet eine steigende Nachfrage und sucht Konstrukteure
Erfurt. Wenn die Temperaturen steigen, dann steigt auch die Vorfreude bei den Moped-Fans. Und weil an den Maschinchen regelmäßig gebastelt wird, steigt auch die Nachfrage nach Ersatzteilen. Dies bestätigte auch Falko Meyer, Geschäftsführer des Simson-Ersatzteilewerks MZA in Meiningen. Doch was macht genau den Hype von Schwalbe & Co. aus? Immerhin fahren von einst knapp sechs Millionen produzierten Mopeds heute immer noch schätzungsweise 500.000 mit dem „S“-Symbol auf deutschen Straßen. Überall sprießen Simson-Clubs wie Pilze aus dem Boden, die angebotenen Fahrzeuge werden von Jahr zu Jahr teurer. Einer der wichtigsten Gründe könnte die erlaubte Höchstgeschwindigkeit sein. Denn dank einer Sonderklausel im Einigungsvertrag dürfen vor dem Jahr 1992 gebaute DDR-Mopeds schneller als 50 km/h fahren.
Meiningen. Das Geschäft mit Ersatzteilen für Schwalbe, Star und Co. läuft und läuft und läuft. „Wir haben eine erfreuliche Entwicklung bei den Auftragseingängen“, bestätigt Falko Meyer, Geschäftsführer des Simson-Ersatzteilewerks MZA in Meiningen. Das liege typischerweise an der wärmeren Jahreszeit — aber wohl auch an den Beschränkungen durch die Corona-Krise. „Die Moped-Fans haben einfach mehr Zeit, an ihren Maschinen zu basteln“, vermutet Meyer.
Knapp 9000 verschiedene Teile sind im Angebot des Thüringer Unternehmens, vom Motorkolben über Bautenzüge bis hin zu Zündkerze, Tankdeckel oder Sitzbank. Und die Faszination für die alten DDR-Maschinen scheint einfach nicht zu vergehen. „Heute trennt sich keiner mehr von seinem Moped, stattdessen wird es liebevoll aufgebaut und restauriert“, so Meyer. Geschätzt 500.000 Maschinen knattern noch über die Straßen — in Ost und West. Die Ersatzteile von MZA werden über zahlreiche Händler im ganzen Bundesgebiet vertrieben – und natürlich auch via Internet. Weit über 100.000 Pakete verlassen jedes Jahr das Unternehmen in Südthüringen.
Auf Grund der anhaltenden Nachfrage hat Meyer in ein neues Logistikzentrum investiert. Ein Kleinteile-Paradies auf rund 30.000 Quadratmetern. Mit Sack und Pack zog das Unternehmen Ende 2019 von Suhl nach Meiningen um, dort, am „Rohrer Berg“liegt jetzt die Zukunft der DDR-Klassiker. Meyer: „Die historische Betriebsstätte in Suhl war schon seit längerem zu klein geworden, platzte seit Jahren aus allen Nähten und war sanierungsbedürftig.“ Insgesamt 17 Millionen Euro wurden in den Neubau investiert.
Noch ist der Umzug nicht komplett abgeschlossen — und neueste Technik und Software bieten Raum für jede Menge Überraschungen. „Wir versuchen alles, damit es zu keiner Verzögerung bei den Auslieferungen kommt“, erklärt Meyer. Mittlerweile 60 Angestellte sorgen für den logistischen Ablauf, am Standort Vellmar bei Kassel sind es noch einmal so viele. „Zusätzlich planen wir derzeit den Aufbau einer Prüf- und Entwicklungsabteilung am Thüringer Standort, da werden wir auch beim Personal noch weiter aufstocken“, verrät Meyer. Schon jetzt sucht das Unternehmen Konstrukteure. Und auch ein weiteres Hochregallager soll entstehen, für das Nachbargrundstück hat sich MZA bereits eine Kaufoption gesichert. „Wir sehen kein Ende des Booms — die Zweiräder aus dem Osten sind ein Dauerbrenner.“Und im nächsten Jahr soll es dann auch wieder das traditionelle Simsontreffen in Suhl geben.
Langlebig, robust, leicht zu reparieren – das DDR-Moped ist längst Kult. Vor allen Dingen: Die „Feilen“sind schneller als die EU erlaubt.
Während europaweit Tempo 45 für Kleinkrafträder gilt, werden Simson & Co. Dank des Einigungsvertrages 60 Kilometer pro Stunde zugestanden. Das weckt Begehrlichkeiten – und lässt die Preise seit Jahren steigen. Mittlerweile ist eine aufgebaute Schwalbe kaum noch unter 2000 Euro zu haben.
Das ruft aber auch geschäftstüchtige Schlawiner auf den Plan, beobachtet Daniel Schilling, der in seiner Kraftsdorfer Firma alte Maschinen für ein neues Leben fit macht. Seit geraumer Zeit tauchen verstärkt DDR-Exporte aus Ungarn, Polen oder der Tschechei wieder auf dem deutschen Markt auf. Das Problem: Diese Mopeds fallen nicht unter die großzügigen Bedingungen des Einigungsvertrages, sind also nur bis 45 Kilometer pro Stunde zugelassen.
„Man sollte sich also unbedingt das Typenschild genau anschauen“, erklärt Schilling. Denn sonst steht dem Moped-Fan ein bürokratischer Kraftakt bevor. Um einen Reimport auf unsere Straßen bringen zu können, braucht es eine neue Betriebserlaubnis des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg.
Und ein Gutachten von Dekra oder Tüv wird ebenfalls fällig.