Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Urlaubsland in Coronazeiten
Tourismuschefin wirbt für Zusammenarbeit. FDP-Abgeordneter appelliert an Vernunft. Polizei setzt auf Gespräche
Erfurt/Saalfeld. Zwei Wochen liegt es jetzt zurück, dass sich mancher Zuhörer verwundert die Augen gerieben hat. Als Bodo Ramelow (Linke) nach einem Gespräch der Länderchefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Lockerungen der Coronabeschränkungen ankündigte, trat er auch mit dieser Botschaft vor die Kameras: In Thüringen solle „ein softer Urlaub möglich“sein, sagte Ramelow. Es gehe darum, die Menschen einzuladen.
Die Reise- und Tourismusbranche stöhnt seit Wochen unter dem Umsatzausfall, den ihr die Coronakrise beschert. Deshalb haben am Mittwoch erneut Vertreter von Reisebüros, Busunternehmen und Reiseveranstaltern auf die schwierige Lage aufmerksam gemacht – und Erfurt mit einem Buskorso stellenweise lahmgelegt.
Rettung ist für viele in der Branche nach wie vor nicht in Sicht. Drohende Insolvenzen schweben wie ein Damoklesschwert über einem großen Teil der Unternehmen. Dennoch: Den Blick nach vorn auf die Urlaubssaison 2020, das hat sich zum Beispiel die Thüringer Tourismus GmbH auf die Fahnen geschrieben, der in dieser Zeit eine besondere Rolle zukommt. Sie muss Thüringen als Urlaubsregion vermarkten und ist dabei auf die vielen Anbieter von touristischen Höhepunkten und die Kreativität der Branche angewiesen.
Und dennoch: Was in wenigen Wochen ist, das kann heute noch niemand sagen. „Es gibt viele Urlaubsfaktoren, auf die das Gastgewerbe und Thüringens Tourismusanbieter im Moment leider keinen Einfluss haben“, sagt Bärbel Grönegres, Chefin der Thüringer Tourismus GmbH. Umso wichtiger sei es daher, das eigene Produkt zu schärfen und es attraktiv zu gestalten, was bei den Tourismusanbietern in der Region stetig geschehe.
Grönegres appelliert an die Tourismusanbieter und Gaststättenbetreiber, gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen der Corona-Pandemie zu finden. „Es geht darum, zusammenzuarbeiten, um Dienstleistungsketten zu schließen, lückenlose Hygienekonzepte zu gewährleisten und dem Gast ein Rundum-sorglos-Paket zu bieten“, sagt sie. Ein Beispiel aus Erfurt kommt ihr sofort in den Sinn: In einem örtlichen Restaurant gebe es ein „Picknickangebot“, das den Menschen ermöglicht, das Essen zu genießen, auch wenn sie nicht auf der Terrasse oder im Gastraum Platz nehmen können. Grönegres nennt andere mögliche Kombinationen: den Hotelbesuch, der an eine Wanderung gekoppelt ist oder das gemietete Ferienhaus, zu dem es ein Ticket für den nahe gelegenen Freizeit- oder Naturpark gibt.
Der wieder startende Tourismus in Thüringen bereitet dem FDPBundestagsabgeordneten Reginald Hanke indes einige Sorgen, auch wenn er zu denen zählt, die einen sanften Tourismus gutheißen. Zu seinem Wahlkreis zählt die Saaleregion, mithin eines von Thüringens stark besuchten Urlaubszielen. „Ich setze auf die Vernunft der Bürger und hoffe, dass die Saaleregion nicht zum Ausgangspunkt einer weiteren Coronawelle wird“, sagt
Hanke. Allein eine Zahl unterstreicht Hankes Befürchtungen, wenn man den Hohenwarte-Stausee beispielhaft anführt: „Hier halten sich in einer Sommersaison 25.000 bis 30.000 Menschen mehr auf als sonst üblich“, sagt der Chef der Landespolizeiinspektion, Matthias Zacher. Weil nicht absehbar ist, wann die Einschränkungen aufgehoben werden können, hat sich auch die Polizei auf die Urlaubssaison eingestellt – und wird kontrollieren.
Allerdings zeigt sich Zacher weniger besorgt, dass die Menschen vielfach über die Stränge schlagen könnten: „Unser Vorteil ist, dass die Menschen, die hierher kommen, Erholung suchen“, sagt der Polizist. Und wenn doch mal ein Verstoß festgestellt werde, dann sollen die Polizisten zunächst das Gespräch suchen – und um Verständnis für geltende Regelungen werben.