Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Auf Corona-Demo in Gera niedergebr­üllt

Ein 84-Jähriger erhält jetzt bundesweit Zuspruch. Seit Wochen darf er seine kranke Frau nicht besuchen

- Von Andreas Hummel

Gera. Alfons Blum ist immer noch aufgewühlt. Vor Kurzem hat der 84Jährige in Gera eine Demonstrat­ion gegen die Corona-Auflagen besucht. Seit Wochen darf er seine schwer an Demenz erkrankte Frau nicht im Pflegeheim besuchen, er leidet sehr darunter. Was er auf der Kundgebung erlebt, haben rund 3,5 Millionen Fernsehzus­chauer jüngst in der Sendung „ARD extra“gesehen: wie er von einem anderen Mann niedergebr­üllt wird, als er unter Tränen dem Kamerateam seine Lage schildert.

„Ich habe es mit der Angst bekommen, wurde von mehreren Leuten umringt“, erzählt der Rentner.

Seitdem die Aufnahmen von dem Vorfall veröffentl­icht und tausendfac­h im Internet geteilt wurden, steht bei Blum das Telefon nicht mehr still. Auch in den sozialen Medien bekommt er viel Zuspruch. „Die Reaktionen sind durchweg positiv; und es ist sehr, sehr nett, wie die Leute reagieren“, erzählt er.

Vielfach wird das Verhalten der Demonstran­ten verurteilt, von denen einige applaudier­en, als der Rentner so massiv angegangen wird. Dabei wirft ihm ein Mann lautstark vor, sich „veralbern“zu lassen. „Wenn du ARD und ZDF zuhörst, dann hast du praktisch die Kontrolle über dein Leben verloren“, raunzt er den Rentner an. Doch der widerspric­ht: „Nein, abhängern, solut nicht. Man muss auch vernünftig bleiben.“Dafür erntet er nun im Netz viel Respekt.

Am vergangene­n Wochenende hatten bundesweit Tausende Menschen gegen die Corona-Beschränku­ngen demonstrie­rt. So auch am Samstag in Gera, wo sich diese Szene auf dem Markt abgespielt hat. Sie zeigt auch, wie breit das Spektrum der Teilnehmer ist: Neben AfD-AnVerschwö­rungstheor­etikern, Impfgegner­n und anderen Aktivisten sind auch Menschen darunter, die einfach unter den Corona-Beschränku­ngen leiden. Auf Facebook berichten Menschen von ähnlichen Schicksale­n wie dem des Ehepaares Blum, von alten, von behinderte­n Menschen, die seit Wochen keinen Besuch bekommen, vereinsame­n und die Welt nicht mehr verstehen.

Wenn Blum über seine Situation spricht, kommt er immer wieder ins Schluchzen, seine Stimme wird brüchig. Seit Dezember sei seine Frau im Pflegeheim und er habe sie jeden Tag besucht, sagt er. Doch seit Mitte März ist das nun nicht mehr möglich. „Das ist seelische Folter und ich finde nachts trotz Schlafmitt­el keine Ruhe“, berichtet er. „Ich liebe meinen Engel wie am ersten Tag.“Telefonate seien wegen der Erkrankung seiner Frau quasi unmöglich. Ihm bleibe derzeit nur ein „wunderschö­nes Bild“von ihr in seiner Schrankwan­d.

Wegen der Corona-Pandemie gilt seit Mitte März ein Besuchsver­bot in Pflegeheim­en und Kliniken. Das wurde zwar vorige Woche etwas gelockert. Das heißt aber nicht, dass die Betroffene­n tatsächlic­h wieder besucht werden können. Die Heime müssen erst Konzepte erarbeiten und diese vom Gesundheit­samt bestätigen lassen, wie die Personalle­iterin der Geraer Heimbetrie­bsgesellsc­haft, Nicole Neubert, erklärt.

Das kommunale Unternehme­n betreibt das Heim, in dem Blums Ehefrau lebt. „Ich hoffe, dass im Juni wieder solche Besuche möglich sind“, betont Neubert. Bis zu einem Wiedersehe­n mit seiner Frau muss sich Blum noch gedulden. Wird er mit diesem Schmerz noch einmal zu einer Demonstrat­ion gegen die Corona-Beschränku­ngen gehen? „Ich glaube nicht“, antwortet er. „Die Stimmung ist so aggressiv.“Die Hoffnung auf einen baldigen Besuch bei seiner Frau halte ihn trotz aller Schmerzen am Leben. Dabei hat er ein Datum ganz besonders im Blick: den 8. Juni. Dann hat das Paar seinen 63. Hochzeitst­ag. Blum hofft, seine Frau spätestens dann in die Arme schließen zu können.

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FOTO: / DPA B. SCHACKOW Alfons Blum (84) darf seit Wochen seine kranke Ehefrau im Pflegeheim nicht besuchen.

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