Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
AJS-Chefs beklagen Einmischung
Geschäftsführung des Awo-Tochterunternehmens weist Prüfbericht des Bundesverbands scharf zurück
Erfurt. Bei der Thüringer Arbeiterwohlfahrt (Awo) überschlagen sich die Ereignisse: Die Geschäftsführung des Tochterunternehmens AJS, dem unter anderem für einen Wohlfahrtsverband unüblich hohe Gehälter vorgeworfen werden, hat jetzt mit einer schriftlichen Stellungnahme in scharfer Form auf den Prüfbericht des Awo-Bundesverbandes und dessen Weiterleitung an alle Mitglieder des Landesvorstandes reagiert. Der entscheidende Satz des Statements findet sich gleich im ersten Abschnitt: „Es bestehen“, heißt es dort, „erhebliche Zweifel, dass der Awo-Governance-Kodex in der vorliegenden Form wirksam ist. Das Handeln des Bundesverbandes stellt eine massive Einmischung in die unternehmerische Selbstbestimmung dar und ... muss als wettbewerbswidrig gewertet werden.“
Die im November 2017 beschlossenen verbindlichen Richtlinien für die Unternehmensführung könnten lediglich „empfehlenden Charakter besitzen“. Weil sie mit 5400 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 220 Millionen Euro zu den größten Arbeitgebern in Thüringen zähle und – wie AJS-Chef Michael Hack vor kurzem in einem Mitarbeiterbrief schrieb – „provozierend erfolgreich“sei, müssten bei ihr andere Maßstäbe gelten als bei anderen Awo-Gliederungen und -Unternehmen.
Das Gehalt der Geschäftsführung, heißt es in der Stellungnahme weiter, entspreche dem der Geschäftsführung eines Krankenhauses mit 2000 und mehr Beschäftigten oder dem Gehalt öffentlicher Unternehmen wie Stadtwerke oder Verkehrsbetriebe mit deutlich weniger Mitarbeitern als die AJS.
Für das Gehalt der AJS-Geschäftsführung, die derzeit aus Michael
Hack, dem zweiten Geschäftsführer Achim Ries und der im Februar dieses Jahres als künftige Nachfolgerin eingestellten Geschäftsführerin Antje Wolf besteht, würden lediglich 0,4 Prozent des Unternehmensumsatzes aufgewendet. Gemessen am Umsatz von
200 Millionen Euro sind das
880.000 Euro im Jahr.
Um zu verdeutlichen, wie vergleichsweise „bescheiden“das ist, führt die AJS-Spitze Zahlen für den Awo-Regionalverband Mitte-WestThüringen ins Feld, dem die AJS zudem vorwirft, „die Pressekampagne gegen die AJS veranlasst“zu haben: Danach zahle dieser Verband seinen drei Vorstandsmitgliedern etwa
1,2 Prozent des Umsatzes, konkret:
350.000 bis 380.000 Euro. Diese Zahlen seien allerdings ebenso aus der Luft gegriffen wie der Vorwurf, die Berichterstattung über die AJS lanciert zu haben, teilt der Regionalverband auf Anfrage mit. Zudem erklärt der Verband, dass sein Jahresumsatz bei 61 Millionen Euro und die Jahresbruttolohnsumme für den dreiköpfigen Vorstand bei 311.000 Euro liegen.
Aus Sicht der AJS-Spitze schaden nicht ihre Gehälter und Vergünstigungen dem Ansehen der Awo, sondern das Vorgehen des Bundesverbandes, das Hack, Ries und Wolf als „politisch motivierte Vorverurteilung“werten. Das Geschäftsführertrio wirft dem Bundesverband vor, eines der größten Unternehmen Thüringens „in Misskredit gebracht“und der AJS damit immensen Schäden zugefügt zu haben. Die Stellungnahme endet mit der deutlichen Warnung, sich alle zivil- und strafrechtlichen Schritte vorzubehalten – insbesondere hinsichtlich des Datenschutzes.
Unterdessen haben sich die Geschäftsführer der Awo Saale-Holzland-Kreis, Greiz, Saalfeld-Rudolstadt, Zeulenroda, Ilm-Kreis, Eichsfeld
und Nordhausen mit einer sechsseitigen gemeinsamen Erklärung an den Awo-Landesverband gewandt. Darin äußern sie ihr Bedauern darüber, dass der Landesvorstand bei der Aufklärung der Vorfälle um die AJS-Geschäftsführung nicht nur „inaktiv war und ist“, sondern auch im „kollusiven Zusammenwirken“mit der AJS-Spitze zum Nachteil der AJS gehandelt habe. Die acht Unterzeichner fordern die sofortige Abberufung der AJSGeschäftsführung und die sofortige Kündigung ihrer Verträge.
Mit Unverständnis reagieren die Awo-Vertreter darauf, dass der Landesvorstand zwar bereits am 12. Januar dieses Jahres beschlossen hat, die Vergütung der AJS-Chefs anhand der Richtlinien des Governance-Kodex zu prüfen, bislang aber kein Ergebnis vorliege. „Dabei handelt es sich um einen reinen Vergleich von Zahlen, der relativ schnell zu bewältigen sein sollte.“