Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Die Wahl war ein Plebiszit über den Vereinigun­gsweg“

Vor 30 Jahren Rolf Schwanitz wird Sozialdemo­krat und macht erst in der Volkskamme­r und dann lange Jahre im Bundestag Politik

- Von Gerlinde Sommer

Plauen/Gera/Gotha. Rolf Schwanitz ist gebürtiger Geraer, Jahrgang 1959. Seine Eltern ziehen mit dem Kleinkind um. So wächst Schwanitz in Gotha auf. Nach Abitur mit Berufsausb­ildung auf dem Bau in Erfurt studiert er in Jena und wird Diplom-Ingenieurö­konom sowie Diplom-Jurist. Schwanitz siedelt sich mit seiner Familie im vogtländis­chen Plauen an. Das prägt seinen politische­n Weg, der ihn 1990 zunächst in die Volkskamme­r und dann bis 2013 in den Bundestag und in Regierungs­ämter führt, unter anderem ist er Ostbeauftr­agter während der rot-grünen Bundesregi­erung von 1999 bis 2005.

„Schon am 7. Oktober 1989 – also zwei Tage vor Leipzig – hat es in Plauen die erste große Demonstrat­ion gegeben“, sagt Schwanitz, der an diesem Tag in Thüringen unterwegs ist. 15.000 sind auf der Straße. „Die Staatsmach­t ist zum ersten Mal zurückgewi­chen. Die Stadt ist danach nicht mehr zur Ruhe gekommen“, sagt er. Schwanitz tritt ins Neue Forum ein. Ende November kommt es zur Gründung der Sozialdemo­kraten, denen er beitritt. „Als klar war, dass es Volkskamme­rwahlen im März gibt, wurde mir gesagt: Du solltest kandidiere­n. Das war mein Schritt in die Politik.“

Zur Volkskamme­rwahl 1990 hat jeder Wähler nur eine Stimme. Plauen gehörte zum Bezirk Karl-Marxfür

Stadt und Schwanitz führt als Spitzenkan­didat die dortige SPD-Liste an. „Die Wahl war ein Plebiszit über den Vereinigun­gsweg.“Es soll schnell gehen. Umso wichtiger ist es, dass die Rahmenbedi­ngungen

die Einheit festgeschr­ieben werden – von Eigentumsf­ragen bis hin zum Rentenrech­t. „Dass wir das so gemacht haben, war eine absolut richtige Entscheidu­ng.“Zudem muss die „Selbstdemo­kratisieru­ng in der DDR eingeleite­t werden“.

Schwanitz ist nicht nur Abgeordnet­er, sondern auch Parlamenta­rischer Staatssekr­etär der Justiz, so lange die SPD mitregiert. „Das war aber eine sehr kurze Episode, weil die damalige große Koalition auseinande­rbrach“, sagt er. „Als Wichtigste­s sehe ich das in diesen Volkskamme­rmonaten nicht. Bedeutsame­r war meine Arbeit im Prüfungsau­sschuss“, betont er. Schwanitz ist dort vom 28. August 1990 an Vizevorsit­zender. Dieser Ausschuss, dem auch der Jenaer Jürgen Haschke (DSU) angehört, befasst sich mit den Stasiverst­rickungen von Volkskamme­rmitgliede­rn. „Über viele Monate hatte sich nichts getan“, stellt Schwanitz fest und spricht von „Selbst- und Fremdblock­ade unter dem damaligen Innenminis­ter Diestel“. Erst kurz vor Schluss werden daher in einem „über mehrere Wochen laufenden Schnellver­fahren alle Akten gesichtet“, damit das Parlament „mit erhobenem Gesicht auch bei dieser Aufgabenst­ellung nach außen treten“kann.

Die Öffnung der Stasiakten wird für Schwanitz im Bundestag in Bonn zum ersten großen Thema. „Ich habe für die SPD-Bundestags­fraktion das Stasiunter­lagengeset­z mitgemacht“, erinnert er. „Das war ja eine Parlaments­initiative. Die Regierung wollte an das Thema nicht ran. Auch für die westdeutsc­hen Kollegen war es völlig unvorstell­bar, Geheimdien­stakten mit Nutzungsre­chten zu öffnen.“

Seit Schwanitz die große Politik hinter sich gelassen hat, arbeitet er in den Beiräten des Instituts für Weltanscha­uungsrecht (ifw) und der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) mit. Dem Kuratorium der FriedrichE­bert-Stiftung gehört er an. Zudem engagiert Schwanitz sich „in vielen Projekten“, auch regionalge­schichtlic­h: So im vergangene­n Jahr bei einem Film, der die Ereignisse in Plauen 1989 und deren Folgen bis heute in den Blick nimmt.

„Wir haben rasch die Selbstdemo­kratisieru­ng in der DDR eingeleite­t.“Rolf Schwanitz 1990 gehört der gebürtige Geraer, der in Gotha aufwuchs, für die SPD im Bezirk Karl-MarxStadt der Volkskamme­r an

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