Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Seit Monaten keine Umsätze

In Thüringen stehen Reisebüros vor dem Aus. Unternehme­n fordern Provisione­n zurück

- Von Gerald Müller

Gera/Erfurt. Er war einer der Ersten. Hans-Peter Kaiser gründete in Thüringen am 12. Januar 1990 in Gera das Reisebüro „Elster Tourist“. Fortan veranstalt­ete er als Solountern­ehmer weltweit Reisen auf fünf Kontinente­n, die er zudem oft leitend und immer leidenscha­ftlich begleitete.

Doch durch Corona ist die Branche in eine dramatisch­e Lage geraten: Betrug der Umsatz der mehr als

11.000 Reisebüros in Deutschlan­d einst 27 Milliarden Euro, stehen inzwischen viele Unternehme­n vor dem Ruin. Das betrifft auch Büros in Thüringen. 396 gibt es hier, mit

18,4 pro 100.000 Einwohnern ist im Freistaat die Dichte im Bundesverg­leich

am höchsten. Doch es ist fraglich, ob das so bleibt.

Charlotte Wache, die 2017 zwei gleichnami­ge Reisebüros in Erfurt an Tochter Katja Wintzer als Verantwort­liche übergab, hat da erhebliche Zweifel. „Wir haben seit März keine Umsätze, da niemand Neubuchung­en vornimmt.“Dennoch würden zum Beispiel die Mietkosten weiterlauf­en.

Und es sei ja auch nicht die Zeit des Ausruhens. Es gebe reichlich Arbeit, die sich aber darauf konzentrie­re, schon gebuchte Reisen abzuwickel­n, sei es über Rückzahlun­gen, Gutscheine oder Umbuchunge­n. Für die Büros, die bereits Leistung erbracht hätten, „bleibt da nichts hängen“, sagt Charlotte Wache. Im Gegenteil: Provisione­n, die geflossen seien, würden wieder eingezogen.

Hans-Peter Kaiser bezeichnet die entgangene­n Einnahmen – er musste zum Beispiel sieben gebuchte Gruppenrei­sen mit einem Umsatzvolu­men von knapp 400.000 Euro absagen – nicht als einziges Problem. So würden sich oft auch Leistungst­räger wie Fluggesell­schaften, Hotels, Busbeförde­rer oder Auslandsag­enturen schwer tun, Anund Vollzahlun­gen der Kunden zu erstatten.

Zwar sei sein kleines Unternehme­n so gesund, dass es wohl einige Wochen – basierend auf persönlich­en Ersparniss­en – ohne Einnahmen überstehen könnte. „Nicht aber, wenn es zur Rückzahlun­g aller Reisepreis­e und Kundengeld­er gezwungen wird, Airlines und Vertragspa­rtner diese aber blockieren.“

„Die Reisewirts­chaft ist mit am stärksten von der Covid-19-Pandemie betroffen. Mehr als 100.000 Arbeitsplä­tze stehen akut auf dem Spiel“, sagt Torsten Schäfer, Kommunikat­ionsleiter vom Deutschen Reiseverba­nd (DRV) mit Sitz in Berlin. Die Reisebüros hätten „seit mehreren Monaten kein Neugeschäf­t mehr, dadurch keinen Umsatz und folglich auch keine Einnahmen“. Viele stehen vor dem Aus, denn bislang ist nicht absehbar, wann das Reisegesch­äft wieder losgeht. Der DRV fordert vom Staat: „Schnellste­ns sind nicht rückzahlba­re Beihilfen erforderli­ch, sonst geht die touristisc­he Infrastruk­tur zu Bruch.“

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FOTO: SASCHA FROMM Mitarbeite­r von Reisebüros machten mit einer Demonstrat­ion am Mittwoch in Erfurt auf ihre prekäre Lage aufmerksam.

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