Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Innenminister Seehofer enttäuscht von der neuen EU-Kommission
Kritik an Kommissionschefin von der Leyen und Lob für Merkel in Corona-Krise
Berlin. Innenminister Horst Seehofer (CSU) übt scharfe Kritik an der EUKommission unter Ursula von der Leyen. „Ich hatte große Hoffnungen auf die neue EU-Kommission“, sagte Seehofer dem „Spiegel“. „Heute bin ich, gelinde gesagt, enttäuscht.“Vor allem in der Migrationspolitik fühlt er sich im Stich gelassen. „Ich darf mich um die Seenotrettung kümmern und um die Kinder in den Flüchtlingslagern in Griechenland. Ich darf mich um eine gemeinsame Asylpolitik bemühen“, sagte Seehofer. „Das sind aber alles Aufgaben der EU.“Auch beim Vorstoß eines EU-Investitionsprogramms sei nicht Brüssel der Motor gewesen, sondern Berlin und Paris.
Wenig Verständnis hat Seehofer auch für von der Leyens Ankündigung eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland. Hintergrund ist die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den milliardenschweren Staatsanleihenkäufen der EZB. „Mir ist aufgefallen, dass die EU ungewöhnlich häufig gegen ihre Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren und Klagen erhebt“, sagte Seehofer. „Ich frage mich: Wie soll so ein Zusammenwachsen in Europa befördert werden?“Die EU-Kommission wacht über die Einhaltung europäischen Rechts und kann Verfahren einleiten.
Seehofer kündigte erneut seinen Rückzug aus der Politik zum Ende der aktuellen Legislaturperiode – also regulär im kommenden Jahr – an. „Ich bin dann ein unpolitischer Mensch. Sie werden mich in keinem Aufsichtsrat finden. Sie werden mich mit der aktuellen Politik nicht locken können, auch wenn sie mich vielleicht noch so ärgert.“
Für die Krisenpolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) während der Corona-Pandemie fand Seehofer lobende Worte. Das Land sei bisher gut durch die Krise gekommen. „Dies alles führt bei mir zu der Zuversicht, dass wir das Virus weiter zurückdrängen und vielleicht sogar überwinden können“, sagte der Minister . Über sein Zerwürfnis mit Merkel bei der Migrationsfrage wollte er sich demnach nicht äußern. „Die Virologen haben einen schönen Satz: In der Krise schaut man nicht zurück“, sagte er. Er werde über das Thema aber „vielleicht später einmal viel schreiben“.