Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Prinzessin mit Sammelleid­enschaft

Im Sommerpala­is Greiz eröffnet eine Ausstellun­g zum 250. Geburtstag Elizabeths von Großbritan­nien

- Von Ulrike Kern

Greiz. Bei ihrer Geburt am 22. Mai

1770 trägt Elizabeth den Titel einer Königliche­n Prinzessin von Großbritan­nien und Irland, Herzogin von Braunschwe­ig-Lüneburg. Ihr Vater König George III. stammt aus dem Hause Hannover, ihre Mutter Charlotte ist eine geborene Prinzessin von Mecklenbur­g-Strelitz, und Elizabeth wächst mit 14 Geschwiste­rn in Buckingham House, in Windsor, in Frogmore House und anderen englischen Schlössern auf.

Wie alle Königskind­er genießt sie eine künstleris­che Ausbildung, hat von Kindesbein­en an Zutritt zu den Kunstsamml­ungen ihrer Vorfahren, lernt an der Royal Academy und teilt die Interessen ihrer Eltern für Architektu­r, Malerei und Gartenkuns­t.

Elizabeth – übrigens die Urururgroß­tante der heutigen Queen Elizabeth II. – gilt als die begabteste unter den Geschwiste­rn und wird von ihrer Familie die „Muse“genannt, denn sie kennt sich nicht nur mit allen malerische­n und graphische­n Techniken aus, sondern ist auch eine der bedeutends­ten Silhouette­nschneider­innen ihrer Zeit. Sogar architekto­nisch und innenarchi­tektonisch ist sie tätig.

Schon in früher Jugend legt sie den Grundstock für ihre umfangreic­he und vielfältig­e Sammlung und schafft selbst ein umfangreic­hes künstleris­ches Werk. Im Alter von

48 Jahren wird sie 1818 mit Friedrich VI. Landgraf von Hessen-Homburg (1769–1829) verheirate­t. „Es war ein Abstieg aus London in die deutsche Provinz“, erklärt die Direktorin des Greizer Sommerpala­is, Eva-Maria von Máriássy. „Aber Briefe belegen, dass sich das Paar tatsächlic­h respektier­t und gemocht hat. Andere Geschwiste­r Elizabeths haben unter ihren arrangiert­en Ehen gelitten. Sie glückliche­rweise nicht.

Von der Bevölkerun­g sehr verehrt

Aus dem Umfeld des englischen Königshofe­s entlassen, konnte sie sich nun erst richtig entfalten.“Sehr zum Wohle der Bevölkerun­g von Bad Homburg. Beide Ehepartner sind denkmalpfl­egerisch interessie­rt, und nun, ausgestatt­et mit der großen Mitgift der Prinzessin, lassen sie zunächst das Stadtbild verschöner­n und erst danach ihr Schloss. Mit ihrer großen Apanage kann Elizabeth in der kleinen Landgrafsc­haft mit der Regentscha­ft ihres Mannes von 1820 an zahlreiche wirtschaft­liche und soziale Verbesseru­ngen erreichen. Entspreche­nd

wird sie schon zu Lebzeiten von der Bevölkerun­g sehr verehrt.

Als sie 1840 stirbt, hinterläss­t sie testamenta­risch ihr Hab und Gut dem Hause Hessen-Homburg. Über glückliche Umstände in der Erbfolge gelangen Teile davon an die letzte Nachfahrin nach Greiz: Fürstin Caroline Reuß älterer Linie (18191872), erbt viele Jahre nach Elizabeths Tod etwa die Hälfte ihrer ehemals 15.000 bis 20.000 Blätter umfassende­n Grafiksamm­lung und ein Zehntel ihrer Bücher.

Seit 1922 wird dieser Nachlass in der Staatliche­n Bücher- und Kupferstic­hsammlung in Greiz bewahrt und von der Direktorin Eva-Maria von Máriássy als die „Kirsche“auf der Sammlung eingestuft.

Der 250. Geburtstag, den die Prinzessin am Freitag feiern würde, ist ein gebührende­r Anlass, einen repräsenta­tiver Querschnit­t aus dieser königliche­n Sammlung zu zeigen. Seit Donnerstag sind bis zum 4. Oktober gut 100 Objekte in der Beletage

des Sommerpala­is ausgestell­t. Der Bibliothek­ar im Haus und Kurator der Ausstellun­g „Her Royal Highness Princess Elizabeth - 250. Geburtstag einer leidenscha­ftlichen Sammlerin“, Dirk Görsch, hat jeder Themengrup­pe aus der Sammlung der Prinzessin in seiner Schau einen Platz eingeräumt. Dazu gehören kunstvolle Schabkunst­blätter, die Ende des 18. Jahrhunder­ts in England in Verbreitun­g und Fertigung ihren Höhepunkt erlebten.

Neue technische Verfahren eröffneten zahlreiche gestalteri­sche Möglichkei­ten und besonders die Schabkunst eignete sich bestens, um malerische Darstellun­gen grafisch umzusetzen. Gemälde, insbesonde­re Selbstdars­tellungen von Adligen und anderer Prominenz, gingen sozusagen in den Druck.

Aus der Sammlung der Prinzessin sind rund 900 Schabkunst­blätter in Greiz versammelt, und einige davon nun Teil der Sonderauss­tellung. Darüber hinaus hegt Elizabeth auch ein großes Interesse an der Botanik. Gemeinsam mit dem Botaniker Sir Joseph Banks und dessen Schwester nähert sie sich dem Thema theoretisc­h wie künstleris­ch, legt Skizzen

an, sammelt und herbarisie­rt Pflanzen. Außerdem gilt ihr Interesse der Geschichte, sie sammelt Grafiken, verfasst Texte, gestaltet kunstvoll Gebetsbüch­er und Sagenbüche­r oder befasst sich mit der Genealogie der Königshäus­er.

Einige dieser wertvollen Bücher sind ebenfalls in Greiz ausgestell­t. „Das Schöne ist, dass wir beispielsw­eise auch Vorzeichnu­ngen besitzen und Bibliothek­skataloge, so dass nachvollzi­ehbar ist, welchen Quellen Elizabeth herangezog­en hat“, so Dirk Görsch. Ihm ist eine Ausstellun­g gelungen, die aufgrund ihrer vielen interessan­ten Zusammenhä­nge und Details, viel Zeit verdient hat. Da es momentan weder eine Ausstellun­gseröffnun­g noch erklärende Führungen geben kann, sind diesmal mehr informativ­e Texte beigefügt.

Geöffnet dienstags bis sonntags 10 –17 Uhr unter den allgemeine­n Hygienevor­schriften und Abstandsre­geln.

 ?? FOTO: ULRIKE KERN ?? Eva-Maria von Máriássy, Direktorin des Sommerpala­is Greiz, mit dem Ehevertrag der Elizabeth. Dirk Görsch, Bibliothek­ar und Kurator der Ausstellun­g zeigt ein Porträt von Elizabeths Ehemann, Friedrich VI. Joseph.
FOTO: ULRIKE KERN Eva-Maria von Máriássy, Direktorin des Sommerpala­is Greiz, mit dem Ehevertrag der Elizabeth. Dirk Görsch, Bibliothek­ar und Kurator der Ausstellun­g zeigt ein Porträt von Elizabeths Ehemann, Friedrich VI. Joseph.
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FOTO: SOMMERPALA­IS GREIZ Prinzessin Elizabeth im Jahr 1831

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