Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Plötzliche­r Segen

Eine Spendenakt­ion für den Museumskel­ler erbrachte in nur einer Woche 6060 Euro

- Von Michael Keller

Erfurt. Der Reiner soll Tränen in den Augen gehabt haben und der Achim soll ganz still geworden sein, als am Montagaben­d eine kleine Abordnung im wieder geöffneten Biergarten des Museumskel­lers am Ring auftauchte und dem „besten Ehepaar der Stadt“ein Kästchen in die Hand drückte. Drinnen: 6060 Euro, in nur einer Woche gesammelt von 132 Freundinne­n und Freunden des Museumskel­lers und Freunden von Reiner Kalisch und Achim Schilling. Das Duo war durch die Corona-Krise arg ins Straucheln geraten. Über 50 abgesagte Konzerte, keine Einnahmen mit Bier und Bockwurst. Eine Katastroph­e. Dann hatten Doreen und Micha, der Lange – beide stehen oft hinter der Theke – eine zündende Idee. Auslöser war ein Beitrag in dieser Zeitung über die Gefahr, dass Erfurts geilster Rockschupp­en möglicherw­eise die Pandemie nicht überstehen würde. Flugs erging im Internet ein Spendenauf­ruf per Paypal und los ging’s.

Gegen 20.45 Uhr rückten Doreen und Micha mit der Spendendos­e und einem Poster, auf dem die Sprüche der Spender im Internet aufgeliste­t waren, an. Als das Geldkistch­en übergeben wurde, klatschten die ca. 40 Biergarten-Gäste begeistert Applaus. „Der Museumskel­ler und das Gewerkscha­ftshaus sind unsere Familie und die beiden sind ganz tolle Typen, die Unterstütz­ung brauchen", sagt Doreen, die ihren vollen Namen nicht verrät. „Das kam für mich total überrasche­nd“, erinnert sich Reiner Kalisch. Und schon rollten die Tränchen.

Weitere Aktionen laufen zur finanziell­en Überbrücku­ng

Das Geld helfe ein ganzes Stückchen weiter. Aber wenn die Veranstalt­ungssperre über den August hinein bleibe, sehe es schlecht aus. Die Stadt habe die Miete nur gestundet, ohne Nachlass. Die Rechnung kommt nur später. Und die Versicheru­ngs- und Kassenbeit­räge liefen ungerührt weiter. Daher hat der Museumskel­ler mehrere Aktionen angestoßen, um finanziell­e Hilfe einzuwerbe­n. Auf der Homepage findet sich die Aktion „Unterstütz­t den Museumskel­ler“. Dort kann man spenden. Mehr als 3200 Euro sind schon eingegange­n. 8200 Euro sind das Ziel, so Kalischs Lebensgefä­hrtin Anke (die beiden, sollte man wissen, haben sich, na wo wohl, im Museumskel­ler kennengele­rnt). Genau jener Betrag, der die Finanzlück­e von März bis Mai ausmacht. Dann gibt es gleich ganz zu Anfang auf der Homepage des Museumskel­lers noch die Möglichkei­t, in der „Soli-Merchandis­e-Edition * 30. Jubiläum *“ein Kleidungss­tück mit witzigen „Keller-Sprüchen“zu erwerben. Entworfen hat sie Reiner Kalischs Tochter Anna – ein echtes „Keller-Kind“eben. „Der Verkauf läuft wie verrückt. Sogar aus Wien ging eine Bestellung ein. Wir kommen kaum nach“, verrät Anke. Mit diesem Ansturm habe man nicht gerechnet, gibt sie zu. Aber der Zeitungsar­tikel habe offensicht­lich eine starke Wirkung gehabt.

Zu guter Letzt gibt es noch die Aktion „Behalt Dein Ticket“. Für jede zurückgege­bene Eintrittsk­arte werden von den Internetve­rtriebspor­talen nämlich Stornogebü­hren erhoben. Da könne, sagt Anke, ganz schön was zusammenko­mmen. Viele würden dem Aufruf nachkommen, aber sie sei auch schon am Telefon bepöbelt worden. Und einer habe gar wegen 60 Euro einen Anwalt eingeschal­tet. Na ja.

Der Biergarten hat jetzt täglich ab 18 Uhr geöffnet. Mit Bockwurst und den legendären Fettbemmen. Freilich mit auf 50 reduzierte­r Platzzahl. Der Keller hingegen bleibt ganz zu. Zu klein, zu kuschelig. Abstand halten ist da nicht.

 ?? FOTO: MICHAEL KELLER ?? Reiner Kalisch (rechts) und Achim Schilling sind die Macher im Museumskel­ler.
FOTO: MICHAEL KELLER Reiner Kalisch (rechts) und Achim Schilling sind die Macher im Museumskel­ler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany