Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Plötzlicher Segen
Eine Spendenaktion für den Museumskeller erbrachte in nur einer Woche 6060 Euro
Erfurt. Der Reiner soll Tränen in den Augen gehabt haben und der Achim soll ganz still geworden sein, als am Montagabend eine kleine Abordnung im wieder geöffneten Biergarten des Museumskellers am Ring auftauchte und dem „besten Ehepaar der Stadt“ein Kästchen in die Hand drückte. Drinnen: 6060 Euro, in nur einer Woche gesammelt von 132 Freundinnen und Freunden des Museumskellers und Freunden von Reiner Kalisch und Achim Schilling. Das Duo war durch die Corona-Krise arg ins Straucheln geraten. Über 50 abgesagte Konzerte, keine Einnahmen mit Bier und Bockwurst. Eine Katastrophe. Dann hatten Doreen und Micha, der Lange – beide stehen oft hinter der Theke – eine zündende Idee. Auslöser war ein Beitrag in dieser Zeitung über die Gefahr, dass Erfurts geilster Rockschuppen möglicherweise die Pandemie nicht überstehen würde. Flugs erging im Internet ein Spendenaufruf per Paypal und los ging’s.
Gegen 20.45 Uhr rückten Doreen und Micha mit der Spendendose und einem Poster, auf dem die Sprüche der Spender im Internet aufgelistet waren, an. Als das Geldkistchen übergeben wurde, klatschten die ca. 40 Biergarten-Gäste begeistert Applaus. „Der Museumskeller und das Gewerkschaftshaus sind unsere Familie und die beiden sind ganz tolle Typen, die Unterstützung brauchen", sagt Doreen, die ihren vollen Namen nicht verrät. „Das kam für mich total überraschend“, erinnert sich Reiner Kalisch. Und schon rollten die Tränchen.
Weitere Aktionen laufen zur finanziellen Überbrückung
Das Geld helfe ein ganzes Stückchen weiter. Aber wenn die Veranstaltungssperre über den August hinein bleibe, sehe es schlecht aus. Die Stadt habe die Miete nur gestundet, ohne Nachlass. Die Rechnung kommt nur später. Und die Versicherungs- und Kassenbeiträge liefen ungerührt weiter. Daher hat der Museumskeller mehrere Aktionen angestoßen, um finanzielle Hilfe einzuwerben. Auf der Homepage findet sich die Aktion „Unterstützt den Museumskeller“. Dort kann man spenden. Mehr als 3200 Euro sind schon eingegangen. 8200 Euro sind das Ziel, so Kalischs Lebensgefährtin Anke (die beiden, sollte man wissen, haben sich, na wo wohl, im Museumskeller kennengelernt). Genau jener Betrag, der die Finanzlücke von März bis Mai ausmacht. Dann gibt es gleich ganz zu Anfang auf der Homepage des Museumskellers noch die Möglichkeit, in der „Soli-Merchandise-Edition * 30. Jubiläum *“ein Kleidungsstück mit witzigen „Keller-Sprüchen“zu erwerben. Entworfen hat sie Reiner Kalischs Tochter Anna – ein echtes „Keller-Kind“eben. „Der Verkauf läuft wie verrückt. Sogar aus Wien ging eine Bestellung ein. Wir kommen kaum nach“, verrät Anke. Mit diesem Ansturm habe man nicht gerechnet, gibt sie zu. Aber der Zeitungsartikel habe offensichtlich eine starke Wirkung gehabt.
Zu guter Letzt gibt es noch die Aktion „Behalt Dein Ticket“. Für jede zurückgegebene Eintrittskarte werden von den Internetvertriebsportalen nämlich Stornogebühren erhoben. Da könne, sagt Anke, ganz schön was zusammenkommen. Viele würden dem Aufruf nachkommen, aber sie sei auch schon am Telefon bepöbelt worden. Und einer habe gar wegen 60 Euro einen Anwalt eingeschaltet. Na ja.
Der Biergarten hat jetzt täglich ab 18 Uhr geöffnet. Mit Bockwurst und den legendären Fettbemmen. Freilich mit auf 50 reduzierter Platzzahl. Der Keller hingegen bleibt ganz zu. Zu klein, zu kuschelig. Abstand halten ist da nicht.