Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Engel der Arbeitswelt
Einen neuen Beruf zu finden, kann schwierig sein. Neben dem Jobcenter bietet auch die Kirche Hilfe an
Die Gänge sind lang und trostlos, vereinzelt hört man Schritte auf dem grauen Linoleum, die Blicke gehen zum Boden, die Stimmung ist gedrückt. Verständlicherweise. Denn wer einen Termin bei der Agentur für Arbeit hat, der hat meist nicht viel zu lachen. In vielen Fällen können Arbeitsagentur oder Jobcenter gut helfen, in manchen jedoch nicht.
Vor allem in kreativen Berufen, Situationen, die vom Standard abweichen oder bei Menschen, die sich in einem Entwicklungsprozess befinden und noch nicht genau wissen, wo es hingehen soll, kann das staatliche System nur wenig unterstützen. Doch es gibt Alternativen und auf einige würde man vielleicht erstmal gar nicht kommen. Nur wenige wissen, dass beispielsweise die Nordkirche (Landeskirche für Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) mit dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) einen Fachdienst für die Bereiche Arbeit und Wirtschaft hat.
Mehrmals im Jahr veranstaltet der KDA in Hamburg und weiteren norddeutschen Städten wie Kiel oder Neumünster Veranstaltungen, bei dem Führungskräfte renommierter Unternehmen wie HHLA Container Terminals GmbH, Aurubis AG, dpa und andere, Arbeitssuchende auf ihrem Weg zu einem neuen Job beraten und unentgeltlich ihr Wissen weitergeben.
In kleinen Gruppen tauschen sich Arbeitssuchende aus
„Die Idee zu diesem Beratungsangebot entstand in Kiel“, erklärt Kerstin Albers-Joram, Referentin Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt, Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland. „Die Kirche bringt immer wieder Menschen zusammen, warum nicht also auch gezielt Führungskräfte aus der Wirtschaft und Menschen auf der Suche nach Veränderung?“
Zu Beginn lag der Fokus der Beratung noch auf den Langzeitarbeitslosen. Nach langer Abstinenz vom Arbeitsmarkt sollten die Führungskräfte und Personalverantwortlichen ihre Erfahrungen aus der realen Arbeitswelt weitergeben. „Inzwischen hat sich die Klientel gewandelt. Zu den Beratungsterminen kommen jetzt Menschen aus verschiedenen Branchen, auch Hochschulabsolventen, die sich in einer Anstellung befinden, aber eine Veränderung wünschen und sich umorientieren wollen. Zudem kommen immer mehr Interessenten mit Migrationshintergrund, die Unterstützung beim Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt brauchen“, erzählt Frau Albers-Joram.
Die Beratungstermine dauern dreieinhalb Stunden. Die Arbeitssuchenden müssen eine vollständige Bewerbungsmappe mitbringen. Währenddessen bieten die drei anwesenden Führungskräfte, darunter auch immer eine Frau, jeweils einen Gruppen-Workshop á 45 Minuten an. In den Gruppen entsteht häufig eine positive Dynamik, die Teilnehmer tauschen sich aus, netzwerken untereinander und führen offene Gespräche. Sowohl am Anfang als auch am Ende der Veranstaltung gibt es Raum und Zeit in der gesamten Gruppe für, auch sehr persönliche, Fragen, Feedback oder Anmerkungen.
Die Resonanz sei durchweg positiv, heißt es. „Der KDA bietet in den Terminen den Arbeitssuchenden eine Starthilfe, Perspektiven sowie Raum für ehrliche Gespräche und persönliche Befindlichkeiten an. Das Vertrauen zu den Führungskräften ist groß und diese üben ihr Ehrenamt aus Überzeugung aus.“, sagt Frank Heidrich, Assistent Bildungsund Veranstaltungsmanagement KDA, Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland.
Ähnliche Angebote gibt es auch in anderen Landesteilen. Das Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (DWBO) etwa bietet seit einigen Jahren ebenfalls eine Ehrenamtsinitiative an, die Arbeitssuchenden den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern möchte. „Arbeit durch Management/Patenmodell“knüpft Job-Patenschaften zwischen ehrenamtlich tätigen Führungskräften, Personalkundigen, Coaches und arbeitssuchenden Personen. Es sieht sich nicht als klassische Arbeitsvermittlung, sondern möchte Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Die
Initiative unterstützt bei der Verbesserung der Bewerbungsunterlagen, der Vorbereitung auf das Einstellungsverfahren, beim Üben von Vorstellungsgesprächen und auch bei der Nutzung von Netzwerken. Zudem gibt es gezielte Beratung beim Wagnis in die Selbstständigkeit.
Doch auch private Unternehmen helfen Suchenden auf ihrem Karriereweg. Dazu gehört kontor 5 Personalentwicklung mit Mentoring. Inhaberin Gabriele HoffmeisterSchönfelder bietet seit vielen Jahren sehr erfolgreich Tandem-Mentoring-Programme, in denen Mentor und Mentee zusammenarbeiten. Die Programme dauern zwölf Monate. In dieser Zeit gibt der Mentor sein Wissen und seine Erfahrungswerte an den Mentee weiter. Der Mentee ist dabei kein klassischer Arbeitssuchender, sondern ein Angestellter, der sich in einer neuen Führungsrolle wiederfindet und Unterstützung benötigt oder auch ein Mitarbeiter, der plötzlich Projektverantwortung trägt.
Als Auftraggeber für das Mentoring-Programm fungiert immer das Unternehmen im Rahmen von Personalentwicklung und trägt somit auch die Kosten. Immer wenn es innerhalb eines Unternehmens zur Umorientierung kommt und Mitarbeiter sich fragen: „Bin ich hier richtig?“„Werde ich mit meinen Talenten gesehen?“- kann eine Begleitung und Betreuung durch einen Mentor sinnvoll sein.
„Der Mentor wird von uns persönlich ausgesucht“, erklärt Frau Hoffmeister-Schönfelder. „Damit die Zusammenarbeit erfolgreich ist, bedarf es vor allem guter Kommunikation. Der Mentor muss genau zuhören und der Mentee muss Fragen stellen. Gegenseitiges Feedback ist dabei unerlässlich.“
Beim Mentoring geht es um das Erkennen neuer Seiten und Fähigkeiten, um das Formulieren von Wünschen und Ideen. Daraus ergeben sich oft neue und spannende Entwicklungen im Berufsleben. Frau Gabriele Hoffmeister-Schönfelder, die bundesweit tätig ist, empfiehlt Mentoring-Programme insbesondere denjenigen, die eine Führungsposition innehaben und vor immer wieder neuen Herausforderungen stehen.
Die Erfahrungen hat Frau Hoffmeister-Schönfelder auch in einem Buch zusammengefasst: „Mentoring: Im Tandem zum Erfolg“.
„Die Kirche bietet in den Terminen den Arbeitssuchenden eine Starthilfe, aber auch Perspektiven sowie Raum für ehrliche Gespräche.“
Kerstin Albers-Joram,
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA)