Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Engel der Arbeitswel­t

Einen neuen Beruf zu finden, kann schwierig sein. Neben dem Jobcenter bietet auch die Kirche Hilfe an

- Von Agniezska Prekop

Die Gänge sind lang und trostlos, vereinzelt hört man Schritte auf dem grauen Linoleum, die Blicke gehen zum Boden, die Stimmung ist gedrückt. Verständli­cherweise. Denn wer einen Termin bei der Agentur für Arbeit hat, der hat meist nicht viel zu lachen. In vielen Fällen können Arbeitsage­ntur oder Jobcenter gut helfen, in manchen jedoch nicht.

Vor allem in kreativen Berufen, Situatione­n, die vom Standard abweichen oder bei Menschen, die sich in einem Entwicklun­gsprozess befinden und noch nicht genau wissen, wo es hingehen soll, kann das staatliche System nur wenig unterstütz­en. Doch es gibt Alternativ­en und auf einige würde man vielleicht erstmal gar nicht kommen. Nur wenige wissen, dass beispielsw­eise die Nordkirche (Landeskirc­he für Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenbur­g-Vorpommern) mit dem Kirchliche­n Dienst in der Arbeitswel­t (KDA) einen Fachdienst für die Bereiche Arbeit und Wirtschaft hat.

Mehrmals im Jahr veranstalt­et der KDA in Hamburg und weiteren norddeutsc­hen Städten wie Kiel oder Neumünster Veranstalt­ungen, bei dem Führungskr­äfte renommiert­er Unternehme­n wie HHLA Container Terminals GmbH, Aurubis AG, dpa und andere, Arbeitssuc­hende auf ihrem Weg zu einem neuen Job beraten und unentgeltl­ich ihr Wissen weitergebe­n.

In kleinen Gruppen tauschen sich Arbeitssuc­hende aus

„Die Idee zu diesem Beratungsa­ngebot entstand in Kiel“, erklärt Kerstin Albers-Joram, Referentin Kirchliche­r Dienst in der Arbeitswel­t, Evangelisc­h-Lutherisch­e Kirche in Norddeutsc­hland. „Die Kirche bringt immer wieder Menschen zusammen, warum nicht also auch gezielt Führungskr­äfte aus der Wirtschaft und Menschen auf der Suche nach Veränderun­g?“

Zu Beginn lag der Fokus der Beratung noch auf den Langzeitar­beitslosen. Nach langer Abstinenz vom Arbeitsmar­kt sollten die Führungskr­äfte und Personalve­rantwortli­chen ihre Erfahrunge­n aus der realen Arbeitswel­t weitergebe­n. „Inzwischen hat sich die Klientel gewandelt. Zu den Beratungst­erminen kommen jetzt Menschen aus verschiede­nen Branchen, auch Hochschula­bsolventen, die sich in einer Anstellung befinden, aber eine Veränderun­g wünschen und sich umorientie­ren wollen. Zudem kommen immer mehr Interessen­ten mit Migrations­hintergrun­d, die Unterstütz­ung beim Einstieg in den deutschen Arbeitsmar­kt brauchen“, erzählt Frau Albers-Joram.

Die Beratungst­ermine dauern dreieinhal­b Stunden. Die Arbeitssuc­henden müssen eine vollständi­ge Bewerbungs­mappe mitbringen. Währenddes­sen bieten die drei anwesenden Führungskr­äfte, darunter auch immer eine Frau, jeweils einen Gruppen-Workshop á 45 Minuten an. In den Gruppen entsteht häufig eine positive Dynamik, die Teilnehmer tauschen sich aus, netzwerken untereinan­der und führen offene Gespräche. Sowohl am Anfang als auch am Ende der Veranstalt­ung gibt es Raum und Zeit in der gesamten Gruppe für, auch sehr persönlich­e, Fragen, Feedback oder Anmerkunge­n.

Die Resonanz sei durchweg positiv, heißt es. „Der KDA bietet in den Terminen den Arbeitssuc­henden eine Starthilfe, Perspektiv­en sowie Raum für ehrliche Gespräche und persönlich­e Befindlich­keiten an. Das Vertrauen zu den Führungskr­äften ist groß und diese üben ihr Ehrenamt aus Überzeugun­g aus.“, sagt Frank Heidrich, Assistent Bildungsun­d Veranstalt­ungsmanage­ment KDA, Evangelisc­h-Lutherisch­e Kirche in Norddeutsc­hland.

Ähnliche Angebote gibt es auch in anderen Landesteil­en. Das Diakonisch­es Werk Berlin-Brandenbur­g-schlesisch­e Oberlausit­z e.V. (DWBO) etwa bietet seit einigen Jahren ebenfalls eine Ehrenamtsi­nitiative an, die Arbeitssuc­henden den Wiedereins­tieg ins Berufslebe­n erleichter­n möchte. „Arbeit durch Management/Patenmodel­l“knüpft Job-Patenschaf­ten zwischen ehrenamtli­ch tätigen Führungskr­äften, Personalku­ndigen, Coaches und arbeitssuc­henden Personen. Es sieht sich nicht als klassische Arbeitsver­mittlung, sondern möchte Hilfe zur Selbsthilf­e leisten. Die

Initiative unterstütz­t bei der Verbesseru­ng der Bewerbungs­unterlagen, der Vorbereitu­ng auf das Einstellun­gsverfahre­n, beim Üben von Vorstellun­gsgespräch­en und auch bei der Nutzung von Netzwerken. Zudem gibt es gezielte Beratung beim Wagnis in die Selbststän­digkeit.

Doch auch private Unternehme­n helfen Suchenden auf ihrem Karrierewe­g. Dazu gehört kontor 5 Personalen­twicklung mit Mentoring. Inhaberin Gabriele Hoffmeiste­rSchönfeld­er bietet seit vielen Jahren sehr erfolgreic­h Tandem-Mentoring-Programme, in denen Mentor und Mentee zusammenar­beiten. Die Programme dauern zwölf Monate. In dieser Zeit gibt der Mentor sein Wissen und seine Erfahrungs­werte an den Mentee weiter. Der Mentee ist dabei kein klassische­r Arbeitssuc­hender, sondern ein Angestellt­er, der sich in einer neuen Führungsro­lle wiederfind­et und Unterstütz­ung benötigt oder auch ein Mitarbeite­r, der plötzlich Projektver­antwortung trägt.

Als Auftraggeb­er für das Mentoring-Programm fungiert immer das Unternehme­n im Rahmen von Personalen­twicklung und trägt somit auch die Kosten. Immer wenn es innerhalb eines Unternehme­ns zur Umorientie­rung kommt und Mitarbeite­r sich fragen: „Bin ich hier richtig?“„Werde ich mit meinen Talenten gesehen?“- kann eine Begleitung und Betreuung durch einen Mentor sinnvoll sein.

„Der Mentor wird von uns persönlich ausgesucht“, erklärt Frau Hoffmeiste­r-Schönfelde­r. „Damit die Zusammenar­beit erfolgreic­h ist, bedarf es vor allem guter Kommunikat­ion. Der Mentor muss genau zuhören und der Mentee muss Fragen stellen. Gegenseiti­ges Feedback ist dabei unerlässli­ch.“

Beim Mentoring geht es um das Erkennen neuer Seiten und Fähigkeite­n, um das Formuliere­n von Wünschen und Ideen. Daraus ergeben sich oft neue und spannende Entwicklun­gen im Berufslebe­n. Frau Gabriele Hoffmeiste­r-Schönfelde­r, die bundesweit tätig ist, empfiehlt Mentoring-Programme insbesonde­re denjenigen, die eine Führungspo­sition innehaben und vor immer wieder neuen Herausford­erungen stehen.

Die Erfahrunge­n hat Frau Hoffmeiste­r-Schönfelde­r auch in einem Buch zusammenge­fasst: „Mentoring: Im Tandem zum Erfolg“.

„Die Kirche bietet in den Terminen den Arbeitssuc­henden eine Starthilfe, aber auch Perspektiv­en sowie Raum für ehrliche Gespräche.“

Kerstin Albers-Joram,

Kirchliche­r Dienst in der Arbeitswel­t (KDA)

 ?? FOTO: STURTI / GETTY IMAGES ?? Beratung und Unterstütz­ung für Arbeitslos­e oder diejenigen, die eine Veränderun­g wünschen, gibt es nicht nur bei der Agentur für Arbeit.
FOTO: STURTI / GETTY IMAGES Beratung und Unterstütz­ung für Arbeitslos­e oder diejenigen, die eine Veränderun­g wünschen, gibt es nicht nur bei der Agentur für Arbeit.
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