Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Wir haben sehr schnell Demokratie gelernt“

Vor 30 Jahren Fritz Schumann wechselt von der Landwirtsc­haft in die Politik. Sein berufliche­s Leben nimmt einige Wendungen bis hin zum Weinbau

- Von Gerlinde Sommer

Allrode/Garbisdorf. Fritz Schumann kommt 1948 als Bauernkind in Garbisdorf im Altenburge­r Land zur Welt. Er macht Abitur mit Berufsausb­ildung in der Landwirtsc­haft nahe Dresden, studiert Landwirtsc­haft in Halle/Saale und promoviert. „Mein Leben ist geprägt von eine paar Wendungen“, sagt er. Schumann strebt eine wissenscha­ftliche Karriere an, diese bleibt ihm aber zu DDR-Zeiten versagt, weil er kein Arbeiterki­nd ist. So wird ihm das vom Kaderleite­r gesagt. Trotz aller guten Noten ist die Herkunft entscheide­nd …

1975 tritt Schumann in die SED ein, 1977 wird er mit 28 im damaligen Kreis Staßfurt „der jüngste LPGVorsitz­ende der größten LPG der DDR mit 10.622 Hektar und 700 Beschäftig­ten“. Selbst als er Volkskamme­rmitglied für die PDS im Bezirk Magdeburg und dann vier Jahre lang Bundestags­abgeordnet­er ist, arbeitet Schumann in der Landwirtsc­haft weiter. Das ist vor allem während seiner Bonner Zeit eine „heftige Doppelbela­stung“.

Zurück in den Herbst 1989: „Überall Versammlun­gen und Diskussion­en – und manches mal ist mir der kalte Schweiß den Rücken runtergela­ufen, wenn man auf dem Dorf mit unzufriede­nen Menschen zusammenst­and.“Beim letzten Parteitag der SED am 8./9. Dezember in Berlin ist Schumann Delegierte­r und hält „nachts um drei, halb vier eine Rede. Nicht über Landwirtsc­haft, sondern über Wahrheit, Moral und Ethik in der Partei.“Damals glaubt er noch „an die bessere

DDR“. Er wird in den ersten Parteivors­tand der SED-PDS gewählt und ist agrarpolit­ischer Sprecher. Er erlebt, wie der Partei die Mitglieder in Scharen davonlaufe­n. Auch der Vorstand schrumpft. „Ich hatte nie vor, in die Politik zu gehen. Das war ein totaler Seiteneins­tieg.“Und: „Mit der Zusammense­tzung der Volkskamme­r war klar, es geht um die Gestaltung der Einheit. Wir haben sehr schnell Demokratie gelernt“, sagt er über die Zeit nach dem 18. März 1990. „Wir waren fast alle Seiteneins­teiger, und es gab eine ungeheure Aufbruchst­immung“, erinnert Schumann sich mit Freude an diese Zeit. Er ist maßgeblich am Landwirtsc­haftsanpas­sungsgeset­z beteiligt. „Wir agrarpolit­ischen Sprecher der Fraktionen haben verhandelt, dass die Landwirtsc­haft nicht unter Treuhandve­rwaltung kam. Das hat uns einen guten Start in die neue Gesellscha­ft ermöglicht“, stellt er fest.

Schumann kehrt der PDS nach seiner Bundestags­zeit den Rücken und gehört seit 1997 der SPD an: Als agrarpolit­ischer Fachberate­r werde er „regelmäßig zur Ausarbeitu­ng von Koalitions­verträgen geholt“, verweist er auf seine Verhandlun­gstätigkei­t in Sachsen-Anhalt.

Von 2002 bis 2014 ist Schumann Hauptgesch­äftsführer des Landesbaue­rnverbande­s Sachsen-Anhalt. „Diese zwölf Jahre waren eine sehr glückliche Zeit wegen der guten Verbindung von landwirtsc­haftlicher Fachtätigk­eit und Politik.“2004 erhält Schumann zudem einen Lehrauftra­g an der Fachhochsc­hule Anhalt und wird dort 2009 Professor für Agrarpolit­ik. „Das vergangene Herbstseme­ster war mein letztes“, sagt er. Die Studierend­en seien mittlerwei­le ein halbes Jahrhunder­t jünger als er. „Das ist dann doch ein bisschen weit weg …“

Schumann lebt in Allrode im Harz, ist seit 49 Jahren verheirate­t und trotz Eintritt in die Rente noch immer beruflich tätig – im Landeswein­gut Kloster Pforta. „Mit 66 Jahren wurde ich Weingutsdi­rektor. Die Tätigkeit im Weinbau war für mich noch einmal eine ganz neue Erfahrung. Und ich bin immer noch da“, sagt er.

„Ich hatte nie vor, in die Politik zu gehen. Das war ein totaler Seiteneins­tieg.“Fritz Schumann, gebürtiger Thüringer, war 1990 für die PDS im Bezirk Magdeburg in der Volkskamme­r und bis 1994 im Bundestag. Seit 1997 gehört er der SPD in Sachsen-Anhalt an.

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