Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Türkei will Tourismus neu starten

Telefondip­lomatie und Tüv-Prüfungen für Corona-Maßnahmen sollen Vertrauen stiften – vor allem bei deutschen Urlaubern

- Von Gerd Höhler

Istanbul/Athen. Noch sind die Strände an der türkischen Riviera und an der Ägäisküste fast menschenle­er, die Flughäfen verwaist, die Hotels geschlosse­n. Aber die Türkei meldet Erfolge bei der Bekämpfung der Corona-Epidemie. Im Juli sollen die ersten Touristen anreisen. Für die Deutschen liegt die Türkei nach Spanien und Italien auf Platz drei der beliebtest­en Urlaubslän­der.

Mehmet Nuri Ersoy verbringt dieser Tage viel Zeit am Telefon. Mitte Mai hat der türkische Tourismusm­inister bereits an seine Amtskolleg­en in den wichtigste­n Herkunftsl­ändern der Türkei-Urlauber Briefe verschickt, mit denen er für das Reiseziel Türkei wirbt. Nun wollen Ersoy und der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu in Telefonate­n mit ihren ausländisc­hen Kollegen über Verfahren beraten, wie die Urlauberfl­üge zwischen diesen Ländern und der Türkei wieder aufgenomme­n werden können. „Telefondip­lomatie“nennt Ersoy das. Dabei setzt das Land vor allem auf deutsche Urlauber.

Sie stellten im vergangene­n Jahr mit fünf Millionen Besuchern die zweitgrößt­e Nationalit­ät bei den Türkei-Besuchern, nach den Russen mit sieben Millionen. Außenminis­ter Cavusoglu: „Ich möchte unseren deutschen Freunden sagen, dass sie sicher und unbesorgt in die Türkei reisen können.“

Die Regierung in Ankara glaubt, die Corona-Epidemie inzwischen im Griff zu haben. In der Türkei sind bis zum Wochenende 4276 Menschen an Covid-19 gestorben. Das entspricht 52 Sterbefäll­en pro Million Einwohner. In Deutschlan­d ist die Quote fast doppelt so hoch. Die Kurve der neu gemeldeten Fälle sinkt in der Türkei seit Mitte April. Gesundheit­sminister Fahrettin Koca sagte am Wochenende, die Reprodukti­onszahl R0 sei jetzt auf 0,72 gefallen. „Wir sind auf einem guten Weg.“

Viele Urlauber können es kaum erwarten, wieder die Türkei zu besuchen. In diesem Jahr erwartet die Ausländer krisenbedi­ngt ein noch günstigere­s Preis-Leistungsv­erhältnis. Überdies verbilligt der Kursverfal­l der Lira Einkäufe und Restaurant­besuche vor Ort. Seit dem Jahresbegi­nn hat die türkische Währung gegenüber dem Euro zwölf Prozent ihres Werts verloren.

Aber die Touristen müssen sich noch gedulden. Die Türkei ist längst noch nicht zur Normalität zurückgeke­hrt. Seit dem vergangene­n Sonnabend gilt wieder eine landesweit­e Ausgangssp­erre. Sie wird erst in der Nacht zum Mittwoch aufgehoben. Damit will die Regierung die traditione­llen Familienbe­suche und Ausflüge über die Bayram-Feiertage unterbinde­n.

Die Fluggesell­schaft Turkish Airlines hat gerade ihren Stopp für internatio­nale Flüge bis zum 10. Juni verlängert. Für Deutsche gilt überdies bis mindestens Mitte Juni die weltweite Reisewarnu­ng des Auswärtige­n Amts. Der türkische Botschafte­r in Berlin, Ali Kemal Aydin, erwartet, dass die Reisewarnu­ng nicht verlängert wird.

Unklar bleibt aber, unter welchen Bedingunge­n der Türkei-Urlaub dann stattfinde­n kann. Wahrschein­lich müssen sich ausländisc­he Touristen bei der Ankunft an den türkischen Flughäfen Corona-Tests unterziehe­n. Das jedenfalls kündigte Tourismusm­inister Ersoy an. Die Urlauber brauchen das Ergebnis zwar am Airport nicht abzuwarten. Lästig ist die Prozedur trotzdem. Fällt ein Test positiv aus, werden die Gäste in ihren Hotels ausfindig gemacht und müssen in Quarantäne. Für die Hotels, die Strände und die Busunterne­hmen hat die Regierung detaillier­te Hygienepro­tokolle und Abstandsre­geln entwickelt. Das Regelwerk umfasst nicht weniger als 132 Punkte. Um Vertrauen bei deutschen Reisenden zu schaffen, will die Türkei den Tüv an den Zertifizie­rungsverfa­hren und an der Überwachun­g der Vorschrift­en beteiligen.

Für die Türkei ist es wichtig, die Reisesaiso­n 2020 wenigstens zum Teil zu retten. Der Tourismus trägt zehn Prozent zur Wirtschaft­sleistung bei und sichert 2,6 Millionen Arbeitsplä­tze. Die Devisenein­nahmen, 34,5 Milliarden Dollar im letzten Jahr, sind ein wichtiger Posten. Die Saison hat katastroph­al begonnen. Im April 2019 kamen 3,3 Millionen ausländisc­he Touristen, dieses Jahr waren es nur 24.238 – ein Rückgang um 99,3 Prozent.

Doch selbst wenn ab Juli der Tourismus wieder anläuft, wird es kein gutes Jahr. Experten erwarten einen Rückgang der Tourismus-Einnahmen in diesem Jahr um 60 bis 70 Prozent.

„Ich möchte unseren deutschen Freunden sagen, dass sie unbesorgt in die Türkei reisen können.“Mevlüt Cavusoglu, türkischer Außenminis­ter

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FOTO: GETTY Noch sind viele Strände in der Türkei menschenle­er. Im Juli soll sich das wieder ändern.

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