Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Viele Ausnahmen bei Straßenausbaubeiträgen
Experten beantworteten zahlreiche Fragen der Leser
Erfurt. Eigentlich hat der Thüringer Landtag die Straßenausbaubeiträge für Grundstückseigentümer abgeschafft. Doch Vorsicht: Es gibt Ausnahmen. Wer kann auf Entlastung hoffen – und wer muss zahlen? Wie sollte man sich verhalten, wenn ein Beitragsbescheid ins Haus flattert? Diese und viele andere Fragen zum Thema beantworteten Lothar Blaschke, Frank Kuschel und Rechtsanwalt Axel Schneider vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) beim Telefonforum.
Die Straßenausbaumaßnahmen vor unserem Haus sind im Herbst 2017 abgeschlossen worden. Bisher haben wir noch keinen Beitragsbescheid bekommen. Inwieweit können wir jetzt noch zur Kasse gebeten werden?
Die Straßenausbaubeiträge sind in Thüringen im vergangenen Jahr rückwirkend zum 1. Januar 2019 abgeschlossen wurden. Maßgeblich für diesen Stichtag ist der Abschluss der Bauarbeiten, konkret der Eingang der letzten Unternehmensrechnung bei der Gemeinde. Das heißt, für alle vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossenen Ausbaumaßnahmen können innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist von vier Jahren noch Beitragsbescheide verschickt werden. Die Frist beginnt mit dem Jahr, das dem Abschluss der Bauarbeiten folgt. Bei Ihnen kann also noch bis Ende 2022 ein Beitragsbescheid eingehen. Sie können aber trotzdem noch hoffen. Denn der Landtag hat die Landesregierung aufgefordert, bis zum 30. Juni 2020 einen Vorschlag für eine Härtefallregelung vorzulegen, die auch Sie möglicherweise finanziell entlastet.
Ich erwarte noch einen Beitragsbescheid für den Straßenausbau aus dem Jahr 2018 und werde sicher erst einmal Widerspruch einlegen. Muss ich dann trotzdem gleich zahlen, zumal ja noch eine Härtefallregelung in Aussicht steht?
Das Einlegen eines Widerspruchs befreit Sie nicht von der Zahlung des Beitrags. Sie sollten diesen sofort unter Vorbehalt der Rückforderung zahlen, oder eine Stundung beantragen. Ansonsten drohen Zinsen und Säumniszuschläge. Auch auf die Härtefallregelung können Sie sich nicht berufen. Die funktioniert so, dass Sie erst einmal den Beitrag zahlen und dann beim Land die Rückerstattung beantragen können, wenn Sie alle Kriterien dafür erfüllen. So ist es in Bayern bereits praktiziert worden.
Für unsere Straße sind die Schlussrechnungen nachweislich erst im Frühjahr 2019 gestellt worden. Welche Möglichkeit besteht, unsere Ausbaubeiträge für die Beleuchtung zurückzufordern, die wir im Mai 2019 bezahlen mussten?
Ihre Forderung besteht in diesem Fall zu Recht. Die Rückzahlung soll innerhalb von zwölf Monaten ab Antragstellung an die Gemeinde erfolgen, die Frist beginnt jedoch frühestens ab dem 1. Januar 2021. Der Anspruch auf Rückzahlung verjährt wenn der Antrag nach dem 31. Dezember 2025 gestellt wird. Der Beitrag wird unverzinst zurückgezahlt.
Wir hatten uns schon gefreut, dass die Straßenausbaubeiträge in Thüringen abgeschafft wurden. Jetzt heißt es, wenn unsere Straße gemacht wird, sollen wir Erschließungsbeiträge zahlen. Was ist da eigentlich der Unterschied?
Laut Baugesetzbuches können Erschließungsbeiträge nur erhoben werden, wenn die Straße erstmals hergestellt wird, zum Beispiel beim Bau einer neuen Wohnsiedlung, die eine Verkehrsanbindung benötigt. Im Baugesetzbuch ist auch festgelegt, dass der Gemeindeanteil der beitragsfähigen Maßnahme mindestens 10 Prozent beträgt. Meist müssen die Anlieger also 90 Prozent zahlen. Spätere Änderungen oder Erweiterungen der Erschließungsanlagen lösen keine neue Beitragspflicht nach dem Baugesetzbuch aus. Der Straßenausbau umfasst indes den Umbau, die Verbesserung, die Erweiterung oder die Erneuerung einer bereits vorhandenen Straße. Dafür wurden die Anwohner bisher mit bis zu 75 Prozent zur Kasse gebeten. Mit dem neuen Gesetz übernimmt nunmehr das Land diesen finanziellen Anteil. Auch für laufende Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten können übrigens keine Beiträge verlangt werden.
Unsere Straße ist zu DDR-Zeiten geschottert worden. So war das ortsüblich. Es wurden auch Mulden zur Entwässerung angelegt und Straßenlaternen gesetzt. Jetzt plant man, die Straße zu asphaltieren. Wäre das dann ein Ausbau, für den wir nicht mehr zur Kasse gebeten werden können – oder eine Erschließung?
Darüber wird oft gestritten, auch vor Gericht. Unsere Erfahrung besagt, dass eine solche Schotterstraße oft nur als Provisorium anerkannt wird und Erschließungsbeiträge erhoben werden. Das muss man sich aber im Einzelfall sehr genau anschauen. Sollten Sie wirklich einen Bescheid bekommen, empfehlen wir innerhalb der Monatsfrist Widerspruch einzulegen und den Fall noch einmal ganz genau mit einem Fachmann, zu prüfen.
Wie wird die Höhe des Erschließungsbeitrages für jeden einzelnen Hauseigentümer berechnet?
Grundlage ist der beitragsfähige Erschließungsaufwand, der auf der Basis der tatsächlich entstandenen Kosten oder nach Einheitssätzen für durchschnittlich aufzuwendende Kosten für vergleichbare Anlagen festgesetzt wird. Davon werden mindestens 10 Prozent Gemeindeanteil abgezogen. Der verbleibende Aufwand wird dann auf alle erschlossenen Grundstücke verteilt. Maßstäbe sind dabei Art und Maß der baulichen Nutzung, die Grundstücksflächen oder die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Meine Nachbarn und ich sind zufrieden mit unserer Sandpiste vor der Tür. Sie wird regelmäßig planiert und bisher ist noch jeder Krankenwagen und jedes Müllauto ordnungsgemäß zu uns gekommen. Durchgangsverkehr haben wir nicht, weil unsere Straße in einen Waldweg mündet. Können wir eine geplante Asphaltierung, für die wir hohe Erschließungsbeiträge zahlen sollen, ablehnen?
Grundsätzlich gibt es in diesen Fällen kein Vetorecht der Anwohner. Wenn Sie sich jedoch mit Ihren Nachbarn einig sind, könnten Sie an die Kommune herantreten und dies mitteilen. Manche Kommunen haben bereits festgelegt, dass die Anwohner selbst entscheiden können, ob eine Straße erschlossen wird. Wichtig ist, dass der überwiegende Teil der Anwohner gegen die geplante Baumaßnahme sein muss.
Für welche Anlagen können neben der Fahrbahn Straßenausbaubeiträge erhoben werden?
Das können neben der Fahrbahn die Geh- und Radwege, Parktaschen sowie Grünstreifen, Straßenbeleuchtung und Straßenentwässerungsanlagen sein.
Weitere Fragen und Antworten sind im Internet zu finden unter tlz.de/