Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
882 Pfeifen und eine Quarte
Predigerkloster bekommt in zwei Jahren eine neue Orgel. Vertrag wurde unterzeichnet
Erfurt. Martinshorn, Tusch und ein Weihnachtslied . . . Was hat das mit der neuen Orgel im Predigerkloster zu tun?
Der Bau dieser wurde am Donnerstag vertraglich unterzeichnet. Es ist ein wichtiger Tag für die Gemeinde, für die Stadt. Oberbürgermeister Andreas Bausewein ist erschienen, Ulrich Born, Präses der Kreissynode, sowie der Gemeindekirchenrat. Und natürlich derjenige, der die Orgel bauen wird: Claudius Winterhalter. Der Name ist vielleicht nicht geläufig, nur so viel sei verraten: Der Organist der Queen schrieb in einem Brief an ihn, dass er es liebte, auf einer seiner Orgeln zu spielen, „this wonderful instrument“.
Doch zurück ins Predigerkloster. Im Refektorium befindet sich eine kleine Orgel von 1957. Gebaut wurde sie damals in Serie mit dem Material, das nach dem Krieg zur Verfügung stand. Den akustischen Bedingungen des Raumes konnte sie nie gerecht werden, „und unseren heutigen liturgisch-musikalischen Ansprüchen noch viel weniger“, meinen die beiden Kirchenmusiker Matthias Dreißig und Dietrich Ehrenwerth. Der Landeskirchenmusikdirektor hält nicht einfach ein Grußwort, sondern: singt. Nur ein paar Zeilen, aber es wirkt. Er habe lange überlegt, welches Lied zu diesem Tag passen würde und sich für „Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte“entschieden. Das Lied, erklärt er, beginne mit zwei aufsteigenden Quarten. Und zieht Vergleiche, damit es auch der Unmusikalischste im Raum versteht. Das Martinshorn sei eine Quarte, der Tusch beim Karneval und der Beginn von „Oh Tannenbaum“. „Da, wo die Quarte erklingt, wird ein kräftiger Nagel eingeschlagen“, sagt Dietrich Ehrenwerth. Etwa der Bau einer neuen Orgel.
Es war ein langer Weg bis zur Vertragsunterzeichnung. Die ersten Gespräche dazu gab es 2015 in der Gemeinde und im Gemeindekirchenrat. Und es gab Bedenken ob eines solchen „Riesenprojektes“, erinnert sich Dorothea Greim, die der eigens gegründeten Orgelrunde angehört. Im September wurden die ersten Entwürfe vorgestellt, im Herbst 2018 startete die Spendenaktion feierlich. Durch Spenden und Patenschaften konnten bisher 45.000 Euro gesammelt werden, das Ministerium, die Landeskirche, die Staatskanzlei und der Kirchenkreis unterstützen das Projekt ebenso. Insgesamt schlägt die neue Orgel mit 367.000 Euro zu Buche. „Wir freuen uns auch weiterhin über Spenden“, sagt Dorothea Greim. Und verweist auf die Pfeifenpatenschaften. Je nach Budget stehen verschiedene Größen und Arten an Pfeifen zur Auswahl, los geht es bei 25 Euro, die teuerste Patenschaft umfasst 1000 Euro.
Warum aber ist die Orgel wichtig im Refektorium? Nun, das Refektorium wird sechs Monate im Jahr als
Gottesdienstraum der Predigergemeinde genutzt. Zudem soll eine Nutzung für Konzerte zukünftig in größerem Maße möglich sein. Für die Erfurt ergibt sich eine Bereicherung des kirchenmusikalischen Angebotes in der kalten Jahreszeit.
Außerdem können mit der neuen Orgel die landeskirchliche C-Ausbildung von Nachwuchsorganisten und die Vorbereitung auf das Kirchenmusikstudium optimiert werden.
Geplant ist eine Orgel mit 882 Pfeifen, zwei Manualen, Pedal und 16 Registern. Entworfen und gebaut von Claudias Winterhalter, einem Orgelbaumeister, einem Künstler. Einer, der auf seiner Webseite von „völlig neuen und unverbrauchten Orgelgesichtern“spricht, „deren inhaltlicher und ästhetischer Wert sich auch in der Materialität und in der handwerklichen Ausführung widerspiegeln soll“. Er spielt mit Worten wie mit seinen Ideen. Eine eigens für das Refektorium kreierte Orgel wird in zwei Jahren im Predigerkloster stehen – nachdem dieser frühere Speisesaal der Mönche restauriert wurde.