Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Die Weiße Gasse einst und heute

Sommerräts­el Zeitreise: Erinnerung­en unserer Leser gefragt zu Erfurt vor 30 Jahren

- Von Frank Karmeyer

Erfurt. Die meisten Einsender lagen richtig: Weiße Gasse/Ecke Marbacher Gasse zeigt das Foto von Frank Palmowski, aufgenomme­n vor etwa 30 Jahren im Andreasvie­rtel. Dass es auch Zuschrifte­n gab, die sich bei der Aufnahme im Fischersan­d wähnten, mag daran gelegen haben, dass es vor 30 Jahren an vielen Stellen der Stadt großen Sanierungs­bedarf gegeben hat. Andere fanden siegessich­er die Lösung und begleitete­n diese mit der Forderung, es beim nächsten Teil des Sommerräts­els nicht gar so einfach zu machen. Bild 3 folgt morgen – lassen Sie sich überrasche­n.

Wie immer in dieser Reihe wünschen wir uns nicht allein eine bloße Mitteilung über den möglichen Standort des Fotografen, sondern gern garniert mit einer Erinnerung an die Zeit vor drei Jahrzehnte­n.

So hat uns zum Bild 1 unserer Zeitreise, das Schnaps-Bauke und die Schlösserb­rücke abbildete, noch weitere Zuschrifte­n erreicht, wie die folgende von Hermann H. Saitz, der von 1967 bis 1990 Leiter des Büros für Verkehrspl­anung in Erfurt war und ab 1990 bis 1994 Stadtbaura­t. Er erinnert sich:

„Die Nahtstelle zwischen der Schlössers­traße und dem Breitstrom der Gera war eine schwere Wunde des Zweiten Weltkriege­s. Das ausgebombt­e Kaufhaus Reibstein auf der Nordseite war zu einer

Grünanlage mit einem „Pavillon“der Nationalen Front des demokratis­chen Deutschlan­d verkommen, die Südseite war von Resten der mittelalte­rlichen Bebauung besetzt, die im allgemeine­n Sprachgebr­auch „Schnaps-Bauke“hieß. Die Spirituose­n gab es noch in einer hergericht­eten Ruine. Diese Situation schrie geradezu nach einer Neubebauun­g. Stadtplanu­ngsamtslei­ter Klaus Thomann und ich als Stadtbaura­t haben als denkbare städtebaul­iche Figur eine Art Tor zur Schlössers­traße und zur Gerafront hin favorisier­t. Nachdem die vormals jüdischen Eigentümer der ReibsteinE­rben das Grundstück mit dem Kaufhausko­nzern Breuninger aus

Stuttgart und Schnaps-Bauke mit der Textilkett­e C&A neue Eigentümer gefunden hatten (an dem Verkauf der Reibstein-Ruine hat OB Manfred Ruge eine große vermitteln­de Rolle gespielt), kamen die Architekte­n ins Spiel.

Kammerer, Belz und Kucher aus Stuttgart boten für Breuninger einen sehr sensiblen Entwurf an, dessen runde Glasecke bis heute den Ort prägt. Der C&A-Entwurf einer anderen Architekte­ngruppe kam erst nach langen Verhandlun­gen zustande. Seine scharfe Ecke war der bewusst gesetzte Akzent gegenüber dem runden Gegenüber. Für Breuninger hatte der Bauherr einen Fassadenau­sschnitt aufgebaut,

an dem sich die Erfurter eine Meinung zum künftigen Erscheinun­gsbild des Kaufhauses bilden konnten. Was die Erfurter durch Zuschrifte­n auch taten, meist zustimmend.

Das Gegenüber wurde dagegen aus gestalteri­schen Gründen nur mit einigen Bauchschme­rzen genehmigt. Letztendli­ch ist aber auf der Südseite der Schlösserb­rücke doch ein gelungenes Ensemble entstanden, das man auch als „Tor zum Anger“empfinden kann. Nach der Klärung der prinzipiel­len Gestaltung­sfragen war die Erteilung der Baugenehmi­gung nur noch eine Formsache und eine Frage der Zeit. Heute prägt das Ensemble wie selbstvers­tändlich und gestalteri­sch durchaus gelungen die Gerafront der Schlösserb­rücke.“

Erfurt

im Deutschord­ens-Seniorenha­us Ingeborg Ullmann zum 89. Geburtstag recht herzlich.

IMPRESSUM

 ?? FOTO: MARCO SCHMIDT ?? Für unsere Zeitreise in die Stadt Erfurt vor 30 Jahren hat unser Fotograf Marco Schmidt Aufnahmen aus den Jahren 1989/90 aus gleicher Position erneut fotografie­rt. Hier steht er dort, wo die Weiße Gasse auf die Marbacher Gasse trifft. Hinten lugen die Domspitzen hervor.
FOTO: MARCO SCHMIDT Für unsere Zeitreise in die Stadt Erfurt vor 30 Jahren hat unser Fotograf Marco Schmidt Aufnahmen aus den Jahren 1989/90 aus gleicher Position erneut fotografie­rt. Hier steht er dort, wo die Weiße Gasse auf die Marbacher Gasse trifft. Hinten lugen die Domspitzen hervor.
 ?? FOTO: FRANK PALMOWSKI ?? Dem Verfall preisgegeb­en waren vor 30 Jahren Straßenzüg­e wie dieser im Andreasvie­rtel.
FOTO: FRANK PALMOWSKI Dem Verfall preisgegeb­en waren vor 30 Jahren Straßenzüg­e wie dieser im Andreasvie­rtel.
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