Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Kommt die zweite Welle nach Deutschland?
Marylyn Addo:
Weitere, gegebenenfalls auch größere Infektionsgeschehen werden wir vermutlich auch in Deutschland nicht ausschließen können und sind im Herbst zu erwarten. Empfehlenswert ist es daher, die Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen auch weiterhin einzuhalten – dies besonders in Hinblick auf die bevorstehende Grippe-Saison. Daher würde ich mir wünschen, dass sich möglichst viele Menschen rechtzeitig gegen Grippe impfen lassen, um die Anzahl der Erkrankungen, denen durch eine Impfung vorgebeugt werden kann, möglichst niedrig zu halten.
Alexander Kekulé:
Ich möchte eigentlich nicht von einer Welle sprechen, weil bei einem Wiederansteigen der Fallzahlen nicht alle Regionen gleichmäßig überrollt würden, wie dies etwa bei einem Tsunami der Fall ist. Mit der kalten Jahreszeit wird Covid-19, wie die meisten Atemwegsinfektionen, sehr wahrscheinlich effektiver übertragen werden. Dies liegt zum einen daran, dass die Bildung infektiöser Aerosole von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit abhängt. Zum anderen halten sich die Menschen im Winter häufiger in geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen auf. Wir müssen uns deshalb auf den Herbst vorbereiten, indem wir Schutzkonzepte für geschlossene Räume entwickeln und insbesondere die Möglichkeit schaffen, dass sich jeder jederzeit auf Covid-19 testen lassen kann. Wie stark die Infektionszahlen wieder ansteigen, hängt von den durch die Landesregierungen geschaffenen Rahmenbedingungen und unserem individuellen Verhalten ab.
Friedemann Weber:
Das hängt von unserem Verhalten ab. Traditionell nimmt gegen Ende der Urlaubszeit immer die Anzahl der Infizierten zu, und schon jetzt ist ein Anstieg in Deutschland zu verzeichnen. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass die Ausschläge nicht allzu groß werden. Da Deutschland einigermaßen breit testet, die Strukturen und Abläufe etabliert sind und die Bevölkerung überwiegend sensibilisiert geblieben ist, bin ich optimistisch, dass wir kein Szenario wie zu Anfang der Pandemie erleben werden.
Ulrike Protzer:
Wir haben es geschafft, die erste Welle sehr effektiv in den Griff zu bekommen. Das hilft uns jetzt, lokale Ausbrüche schnell zu identifizieren und zu kontrollieren. Dabei haben wir auch als Gesellschaft viel gelernt. Wir haben uns unabhängiger gemacht, was Schutzausrüstung betrifft. Und wir konnten unsere Testkapazitäten ausweiten. Das alles trägt dazu bei, eine zweite Welle zu vermeiden oder abzuschwächen. Im Herbst müssen wir sicherlich mit einem Anstieg der Atemwegsinfekte rechnen, bedingt durch die Viren, die wir jedes Jahr sehen, aber auch durch das neue Coronavirus. Da wird es essenziell sein, alles anzuwenden, was wir gelernt haben.
„Wir müssen uns auf den Herbst vorbereiten und Schutzkonzepte entwickeln.“Alexander Kekulé