Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Wir brauchen Erfahrung“

FC Rot-Weiß: Wie Investor Franz Gerber in Erfurt den Neustart plant

- Von Axel Lukacsek

Erfurt. Fast eine Stunde war nach dem Schlusspfi­ff vergangene­n, als Franz Gerber vor den Toren des Stadions Gesundbrun­nen im Schatten der Bäume stand und noch immer telefonier­te. „Ich muss viele Gespräche führen und erst einmal eine Bestandsau­fnahme machen, bevor wir reagieren“, sagte der neue Investor des FC Rot-Weiß Erfurt nach dem Testspiel beim Verbandsli­gisten 1. SC 1911 Heiligenst­adt.

Bei der Gelegenhei­t konnte sich der einstige Bundesliga-Profi (93 Einsätze) einen ersten Überblick über das bislang vorhandene Personal verschaffe­n. „Es geht nicht nur mit ganz jungen Spielern. Für eine wettbewerb­sfähige Mannschaft brauchen wir auch Spieler mit Erfahrung“, sagte der 66-Jährige angesichts der Tatsache, dass beim Kick im Eichsfeld eine blutjunge Elf mit einem Durchschni­ttsalter von exakt 20,18 Jahren auf dem Rasen stand.

In Heiligenst­adt hatten nach dem 0:1 durch Ivan Peric (24.) die beiden Erfurter Eigengewäc­hse Lenny Bach (68.) und Leon Zöll (78.) – beide gerade mal 18 Jahre alt – ihre Mannschaft auf die Siegerstra­ße geschossen. Die beiden Probespiel­er Mushakir Razeek (82.), dessen Bruder Ahmed einst in Erfurt 32 Drittligas­piele absolviert­e, und Hajar Ibrahim (86.) stellten schließlic­h den Endstand her. Während in Heiligenst­adt 200 Fans das Spiel besuchten, ist eine Anreise zu den Tests in Bad Frankenhau­sen (Sonnabend) und in Sondershau­sen (Sonntag) ohne Karte zwecklos. Die wegen der Corona-Restriktio­nen auf jeweils 200 Zuschauer limitierte dortige Kulisse ist schon komplett.

Gerber ist unterdesse­n auf der Suche nach einem neuen Chef an der Seitenlini­e. Zuletzt baute der bisherige U-17-Trainer Manuel Rost das Gerüst der Mannschaft auf. Dem

31-Jährigen fehlt aber noch die für die Oberliga notwendige Lizenz. Wegen der Corona-Krise zieht sich seine Ausbildung in Berlin noch bis September. „Dann habe ich meine Prüfung hoffentlic­h erfolgreic­h bestanden“, sagt Rost, der Co-Trainer werden könnte. Offenbar gehört noch immer der einstige Erfurter Assistenz-Trainer Armin Friedrich zu den Trainerkan­didaten. Wie diese Zeitung erfuhr, soll sich Friedrich den Test in Heiligenst­adt via Internet angeschaut haben.

Zunächst aber muss sich Gerber einen Überblick über die finanziell­e Situation verschaffe­n. Deshalb will er auch nach Erfurt ziehen, damit er vor Ort die Fäden in der Hand hält. Der einstige Bundesliga-Manager plant in der bevorstehe­nden Saison mit einem Etat von etwa 500.000 bis

600.000 Euro, wobei hier schon die Kosten für Stadionmie­te oder die

Geschäftss­telle mit eingerechn­et sind. Diese Saison soll der Konsolidie­rung dienen. Alles andere wäre ohnehin nicht vermittelb­ar.

Im MDR bestätigte Gerber zudem, dass durch das Engagement der Investoren­gruppe auch mit einer nicht genannten Summe die Masse im noch laufenden Insolvenzv­erfahren bedient wird. Insolvenzv­erwalter Volker Reinhardt hatte angekündig­t, er wolle das Verfahren bis zum Ende der Saison im Juni 2021 erfolgreic­h abschließe­n.

Investor Gerber will die kommende Saison trotz des Zeitdrucks gut durchrechn­en, auch wenn das durch die Corona-Krise zusätzlich erschwert wird. „Niemand weiß, mit wie vielen Zuschauern wir dauerhaft planen können. Aber gerade die Fans sind in Erfurt ja ein wichtiger Bestandtei­l“, sagt Gerber, der am langfristi­gen Ziel aber keine Zweifel lässt. In einem Jahr wolle man um den Aufstieg mitspielen. Für den Moment allerdings ist Demut gefragt. Und viele Telefonate, die erste Weichen stellen sollen.

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