Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
„Wir werden nicht panisch“
Bei den Rollstuhlbasketballern der Thuringia Bulls weiß man noch nicht so recht, wie es weitergeht
Elxleben. „Die 80.000 Euro aus der Crowdfunding-Aktion war ein großer Baustein für unser Überleben“. Lutz Leßmann, der Manager der Thuringia Bulls, ist noch immer fassungslos ob der riesigen Unterstützung, die die Rollstuhlbasketballer von ihren Fans im „Duell der Unschlagbaren“erfahren haben. „Aber wir sind noch nicht durch“, fügt „Lesse“an.
Gemeint ist das FitIn in Elxleben. Es bietet Leßmanns Unternehmen Reha-Sport-Bildung (RSB) das Dach für die Arbeit mit Behinderten. 200 Filialen hat RSB bundesweit. Und bei allen laufen die Kosten weiter, während die Einnahmen entweder ganz ausfielen oder jetzt nur noch einen Bruchteil einspielen. Er habe immer noch gestundete Mietrechnungen zu begleichen, sagt er. Denn den Fitnessstudios, unter dessen Dächern RSB arbeitet, stehe das Wasser doch auch bis zum Halse. 45.000 Euro Minus kommen jeden Monat zusammen. „Aber wir sind bis jetzt mit drei blauen Augen davongekommen“, sagt der BullenManager. Die Rücklagen und die 80.000 Euro hätten das Überleben gesichert. Bis jetzt. Aber irgendwann sei alles aufgebraucht. Ein zweiter Lockdown wäre das Todesurteil.
Der Antrag auf Soforthilfe wurde vom Land abgelehnt. RSB ist zu groß. Nun hofft man, etwas von den sechs Millionen Euro, die die „Initiative Bündnis Teamsport“im Freistaat aufgelegt hat, abzubekommen. Nur gebe es bis heute noch keine Formulare, um den Antrag stellen zu können.
Unsicherheit allenthalben. Da wundert es auch nicht, dass Leßmann und Micha Engel, der Trainer der Thuringia Bulls, verbindliche Aussagen zur neuen Saison nicht treffen können. Nur soviel ist sicher. „Für uns sind die zehn Stellen unserer beim RSB angestellten Rollstuhlfahrer, die mit den Behinderten arbeiten, allein das Maß der Dinge“, sagt Leßmann. Das sei das Wichtigste, nicht die Bulls. „Ohne Hilfe durch die Rahmenbedingungen müssen wir beim Rollstuhlbasketball leider die Tür zuschließen“, sagt Leßmann. Etwas Verlässliches könne er gerade nicht sagen. Er gehe aber davon aus, dass im August eine Entscheidung fällt.
Was Leßmann und Engel hingegen wissen, ist, dass sie, wenn es wie erhofft, am 29. September zum
Ligastart der neuen Saison – ob mit oder ohne Zuschauer – kommen sollte, eine schlagkräftige Mannschaft auf dem Feld haben. Trotz der Abgänge von Matt Scott, Jake Williams und Teemu Partanen. Partanen geht nach Zwickau in die zweite Liga, weil er es unter seinen gesundheitlichen Voraussetzungen schwer habe, regelmäßig zu trainieren. Bei den beiden Amerikanern hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass ihre Wertigkeiten neu sortiert wurden. Und das könne nicht von Deutschland aus geschehen, da muss man bei den Freunden, der Familie vor Ort sein. „Kann sein“, sagen Leßmann und Engel unisono, „dass beide irgendwann wieder hier aufschlagen“.
Bis dahin haben die Thuringia Bulls sieben Aktive im Team. Sieben Aktive, die alle schon dabei waren, als die Champions League gewonnen wurde – Jitske Visser, Vahid Assad, Andre Bienek, Karlis Podnieks, Jens Albrecht, Alexandr Halouski. Und der Neue, Hubert Hager. Dazu Roman Wenzel und Sebastian Cleem – zwei Standby-Spieler. „Das reicht, wir haben auch ohne die Abgänge eine Top-Mannschaft“, sagt Micha Engel. „Unsere Spieler sind in der komfortablen Lage, neben dem Rollstuhlbasketball alle ein gesichertes Einkommen, entweder durch uns oder ihre Arbeitgeber, zur Verfügung zu haben“, sagt Lutz Leßmann. Das ist bei anderen Mannschaften ganz anders. Deswegen sei auch die ganze deutsche Rollstuhlbasketball-Szene in Aufruhr. Leßmann: „Wir dagegen sind in ruhigem Fahrwasser“. Im Gegensatz zu den Konkurrenten. Hauptrivale Lahn-Dill zum Beispiel, der auf ein ganz anderes Geschäftsmodell setzt, dass vor allem auf Zuschauereinnahmen basiert. Und nun wegen Corona große Probleme bekommen hat.
Um die drei Abgänge zu ersetzen, gebe es maximal fünf passende Spieler zur Auswahl, sagen die beiden Bullen-Experten. Was auch am speziellen Punktesystem für die Spieler nach dem Grad ihrer Behinderung liegt. Aber man habe einen guten Ruf in der Szene und habe diese fünf natürlich schon kontaktiert. Mit denen könne man aber erst genauer reden, wenn die Rahmenbedingungen in Thüringen stimmen würden.
Bis dahin wird schon zwei Mal die Woche hart im Training im FitIn gearbeitet. „Wir werden nicht panisch“, sagt Leßmann und Engel nickt zustimmend.