Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Es war volle Absicht
Zu 100 Jahre Thüringen:
Der Historiker Immanuel Voigt aus Jena hat in der TLZ am 29. Juli einen kenntnisreichen Beitrag veröffentlicht: „Feuer, Zerstörung und Tod – Luftangriffe auf Thüringen“. Zu ergänzen ist diese Schilderung noch um die britische Anweisung zu Flächenbombardements auf deutsche Städte. Das britische Luftfahrtministerium teilte in seiner „Area Bombing Directive“vom 14. Februar 1942 dem Oberkommandierenden des Bomber Command der RAF („Königliche Luftwaffe“), Arthur Harris, mit: „Es ist (vom Kabinett) entschieden worden, dass Ihre Operationen sich primär auf die Moral der feindlichen Zivilbevölkerung und besonders der Industriearbeiter zu konzentrieren haben“. Der Stabschef der RAF, Charles Portal, verdeutlichte einen Tag darauf, dass die Ziele der Bombenangriffe die Wohngebiete sein müssten, und nicht (in erster Linie) die Schiffswerften oder Flugzeugwerke (selber). Ergänzend billigte das Kabinett Churchill eine Beschlussvorlage, die ihm von ihrem „wissenschaftlichen Berater“Frederick Lindemann am 30. März 1942 zugesandt worden war. Es handelte sich um das „Dehousing Memorandum“(Enthausungspapier). Die auf dieser Basis beschlossene britische
Strategie ging davon aus, dass man durch die flächendeckende Zerstörung ihrer Wohnviertel den Widerstandswillen der betroffenen Bevölkerung brechen könne: mit „Moral Bombing“zum Brechen der Moral des Gegners.
Mit diesem Hintergrundwissen ist klar, dass auch die Zerstörungen der Innenstädte von Nordhausen, Jena,Weimar und Gera durch alliierte Luftangriffe überwiegend keine „Kollateralschäden“bei Angriffen auf Rüstungsbetriebe, sondern volle Absicht gewesen sind. Übrigens hatte die RAF auch Erfurt noch Anfang April 1945 für einen finalen Doppelschlag vorgesehen, nur waren die US-Bodentruppen schon zu nahe an die Stadt herangerückt. Im April 1945 war eigentlich keine „Kriegsmoral“der Bevölkerung mehr zu brechen. Die Bombenangriffe auf thüringische Städte forderten nach einer unvollständigen Statistik mindestens 16.400 zivile Tote (Quelle: Addition der Toten aus Wikipedia-Artikeln „Luftangriffe auf …“, insgesamt 14 Städte). Heinrich Thieler, Erfurt
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