Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Corona-Keule trifft WM-Land Katar
Das Scheichtum wird heftig von der Pandemie gebeutelt. Auch in Saudi-Arabien und den Emiraten wütet das Virus
Tunis . Die rohstoffreichen Scheichtümer am Persischen Golf sind für ihre Petro-Dollars und ihren Luxus bekannt. Doch die Corona-Krise hat die Länder schwer erwischt. Vor allem die Gasgroßmacht Katar leidet. Das Emirat, wo im November 2022 die Fußball-Weltmeisterschaft beginnt, ist gemessen an der Einwohnerzahl das am härtesten getroffene Land der Welt.
Katar
Kaum ein Land regt die Phantasie mehr an als der Golfstaat Katar: märchenhafter Reichtum mit dem höchsten ProKopf-Einkommen der Welt, futuristische Architektur im Stadtteil West Bay der Hauptstadt Doha, Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft
2022.
Was nur wenige wissen: Kein Land der Welt ist von Corona stärker betroffen als Katar, wo auf
100.000 Einwohner 3800 Infektionen kommen. Dabei leben auf der erdgasreichen Halbinsel im Persischen Golf gerade mal 310.000 Einheimische. 2,5 Millionen Menschen hausen als schlecht bezahlte Arbeitskräfte in Massenunterkünften, wo das Virus besonders wütet. Viele davon kommen aus Indien, Bangladesch, Nepal oder den Philippinen. 550.000 Frauen arbeiten als Haushaltshilfen, Verkäuferinnen oder Putzfrauen in Hotels. Von den 1,95 Millionen Männern schuften viele auf den Baustellen der Fußball-WM.
Fast alle sind ohne Familie da, sodass das Emirat eines der krassesten Geschlechterverhältnisse der Welt hat. Auf eine Frau im Land kommen drei Männer. Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität vernen zeichnet Katar bisher mehr als
110.000 Corona-Infektionen und
171 Todesfälle. Wie viele Katarer sich im Verhältnis zu den Migranten-Arbeitern angesteckt haben, dazu verweigert das Emirat jede Auskunft.
Die Zahl der Neuinfektionen pro Tag liegt weiterhin bei etwa 500. Geschäfte, Moscheen, Restaurants und Shisha-Bars blieben wochenlang geschlossen. Anfang Juli wurden erstmals die Strände wieder freigegeben. In der Öffentlichkeit muss jeder eine Maske tragen. Wer dagegen verstößt, dem drohen
50.000 Euro Strafe oder drei Jahre Haft. Private Treffen mit mehr als fünf Personen bleiben verboten.
Die Arbeiten an den acht WMStadien wurden zwar verlangsamt, aber nie völlig gestoppt. Auch weil die Bauarbeiter nach offiziellen Angaben mit gut 1100 Fällen in relativ geringem Maße betroffen waren. 85 Prozent der Anlagen sind nach Angaben des Organisationskomitees fertig. Bei dem Rest liege man gut im Zeitplan, hieß es in Doha. Das Eröffnungsspiel ist für den 21. November 2022 vorgesehen, das Endspiel soll am 18. Dezember im Lusail-Stadium vor 80.000 Zuschauern stattfinden.
Saudi-Arabien
So etwas hat Mekka noch nie erlebt. Gespenstische Ruhe liegt über der Stadt. Die Große Moschee mit der Kabaa ist menschenleer, alle Pilgerzelte sind verwaist, niemand tummelt sich in den Hotels, wo es normalerweise von Besuchern wimmelt. „Mekka fühlt sich an wie eine Totenstadt – absolut verheerend“, sage einer der örtlichen Hadsch-Betreuer, die wegen Corona seit Monaten nichts mehr verdienen. Die kleine
Wallfahrt Umrah ist bereits seit Februar ausgesetzt. Ab Ende Juli will das Königshaus zum Hadsch statt der üblichen 2,5 Millionen lediglich 1000 handverlesene Wallfahrer zulassen, eine symbolische Mischung aus in Saudi-Arabien lebenden Ausländern und Einheimischen.
Bis zuletzt hatte Riad mit der Absage gezögert. Doch am Ende ließen die permanent hohen Infektionsraten den Verantwortlichen keine andere Wahl. Den ganzen Juni über verharrten die Neuerkrankungen bei 3000 bis 5000 Fällen pro Tag, inzwischen hat sich die Rate bei etwa 3000 auf hohem Niveau eingependelt. Angesteckt haben sich laut Johns-Hopkins-Universität bisher über 274.000 Menschen, von denen 2842 gestorben sind. Das Land zählt mehr als 33 Millionen Einwohner.
Am meisten betroffen von Infektionen sind die rund zehn Millionen Arbeitsmigranten, die bei flirrender Hitze in beengten Massenunterkünften mit Mehrbettzimmern wohnen. Momentan herrschen in dem Königreich Temperaturen zwischen 40 und 45 Grad Celsius, was dazu führt, dass sich quasi niemand mehr im Freien aufhält – egal aus welchem Milieu. Von der klimatisierten Wohnung geht es im klimatisierten Wagen zur klimatisierten Einkaufsmeile. Die kalten Winde der Klimaanlagen verteilen die Coronaviren zusätzlich in der Luft.
Vereinigte Emirate: Arabische
Wochenlang waren in der Glitzer-Metropole Dubai ShoppingMalls, Wasserparks und Restaurants verwaist, in der Hallen-Skipiste standen die Sessellifte still. Das gleichnamige Emirat am Persischen Golf, das normalerweise 16 MillioUrlauber im Jahr an seine Strände lockt, hatte geschlossen. Zwei Monate dauerte die Coronavirus-Zwangspause. Ende Mai durften Touristen schließlich wieder einreisen. Masken in der Öffentlichkeit sind Pflicht, Clubs und Bars bleiben geschlossen.
Der letzte Covid-19-Patient wurde kürzlich aus dem 3000-BettenFeldkrankenhaus entlassen, das im Welthandelszentrum von Dubai eingerichtet worden war. „Dubai fällt einfach zusammen, wenn der Reiseverkehr stoppt und soziale Distanz vorgeschrieben wird“, erklärte Jim Krane, Autor des Buches „Stadt des Goldes, Dubai und der Traum vom Kapitalismus“. In den gesamten Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) haben sich laut der Johns-Hopkins-Universität bisher mehr als 60.000 Menschen angesteckt, 349 sind an der Seuche gestorben.
Anders als Dubai schottet sich das wesentlich konservativere Emirat Abu Dhabi, das den Staatenbund der sieben Fürstentümer anführt, weiterhin ab. Jeder Besucher, selbst aus den Nachbaremiraten, muss bei der Einreise einen CoronaTest vorweisen, der nicht älter als 48 Stunden ist. Denn Abu Dhabi ist längst nicht so vom Tourismus abhängig wie das Übermorgenland nebenan.
Auch der Verfall des Ölpreises lässt sich mit einem Staatsschatz von schätzungsweise 1000 Milliarden Dollar für längere Zeit verschmerzen. Kronprinz Mohammed bin Zayed al-Nahyan verfolgt zudem ganz andere Prioritäten. Kürzlich brachte er die erste arabische Marsmission auf den Weg. Auf allen Kriegsschauplätzen der Region mischt sein superreiches Scheichtum mit – im Jemen, in Syrien und in Libyen.