Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Konstrukti­ve Demut

- Elmar Otto über parteipoli­tische Rhetorik Landeskorr­espondent Elmar Otto erreichen Sie unter e.otto@tlz.de

Während der ersten fünf Minuten des MDR-Sommerinte­rviews war viel „Demut“im Spiel. Mehrmals bemühte CDUFraktio­nschef Mario Voigt die Vokabel, um deutlich zu machen, dass man die schwierige Lage von Land und eigener Partei nicht auf die leichte Schulter nimmt.

Das nächste Mal, dass wir dachten, ist es begrenzter Wortschatz oder strategisc­hes Kalkül, war, als Voigt immer wieder von „konstrukti­ver Opposition“sprach. Wenn man sich das Video komplett ansieht, ist diese Wiederholu­ng nervig. Geht man aber davon aus, dass viele Interessie­rte sich lediglich den wenige Minuten langen Zusammensc­hnitt zumuten, kann Voigt beinahe sicher sein, dass seine „konstrukti­ve Opposition“auch in der Kurzfassun­g eine Rolle spielt.

Aus parteitakt­ischer Sicht muss das Penetriere­n eines bestimmten Begriffs nicht immer falsch sein.

Ansonsten hat Voigt seine Botschaft unterbring­en können: Christdemo­kraten sind die Schönsten, können besser haushalten und sind insgesamt die Alternativ­e zu Rot-Rot-Grün.

Wobei, irgendwas passt hier nicht. Was, das dürfen sie selbst entscheide­n.

Fest steht: Demut ist doch nicht die schlechtes­te Idee und kann nicht oft genug erwähnt werden.

Das darf sich auch Thomas Kemmerich hinter die Ohren schreiben. Ja, ja, hat er sicherlich schon.

Diese Woche musste der bundesweit bekannte Kurzzeitre­gierungsch­ef von Gnaden der AfD mit der Grünen-Bundesvors­itzenden schimpfen. Annalena Baerbock hatte nämlich bei „Markus Lanz“zur vorletzten Thüringer Ministerpr­äsidentenw­ahl gesagt: „Wir standen da kurz davor, dass ein Nazi – jemand der nicht auf dem Boden des Grundgeset­zes steht – in einem unserer Bundesländ­er zum Ministerpr­äsidenten gewählt wird.“

Kemmerich bezog das auf sich. Wobei er ja gewählt wurde, also eigentlich nicht gemeint sein konnte. Aber da derjenige, den Baerbock möglicherw­eise im Sinn hatte, gar nicht zur Wahl stand, blieb doch nur der Liberale als Adressat übrig. Irgendwie. Sollten sie gerade nicht mehr folgen können, geht es ihnen ähnlich wie uns.

Auf jeden Fall drohte Kemmerich mit dem Anwalt, woraufhin die Grüne zurückrude­rte, sie habe natürlich nicht Kemmerich, sondern die AfD gemeint.

Die rechtliche­n Schritte sind damit für Kemmerich vom Tisch. Aber auch Baerbock kann Demut nicht schaden – und ein Rhetorikku­rs. Warum nicht gemeinsam mit Unionsmann Voigt. Schwarz-Grün kann so verlockend sein.

Apropos grün. Umweltmini­sterin Anja Siegesmund hat bei der Einstellun­g ihrer Redenschre­iberin gegen das Gesetz verstoßen. Das Verwaltung­sgericht Meiningen urteilte, dass Beteiligun­gs- und Informatio­nsrechte des Personalra­ts verletzt worden seien. Damit hat die hochmütige Ministeriu­msspitze der Redenschre­iberin einen Bärendiens­t erwiesen. Die hätte, wie man hört, eine parteipoli­tische Versorgung nicht nötig gehabt, weil sie „bestens qualifizie­rt“und eine „super Mitarbeite­rin“sein soll.

Umweltstaa­tssekretär Olaf Möller sagte nach dem Urteil dem „Freien Wort“: „Wir nehmen es zur Kenntnis und werden es zukünftig in aller Demut beachten.“

Wir nehmen ihn beim Wort.

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