Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Steiger-Brauerei war der größte Konkurrent

Historisch­em Leergut auf der Spur Aktienbrau­erei Greußen – von der Verstaatli­chung bis zum Wende-Ende (zweiter und letzter Teil)

- Von Hartmut Schwarz

Greußen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Greußener Aktienbrau­erei am 1. Juni 1948 enteignet. Fast zeitgleich mit dem 100. Jubiläum des Unternehme­ns. Am 1. Oktober 1947 lud die Geschäftsf­ührung die komplette Belegschaf­t dazu ins Gasthaus „Zur Günthershö­he“ein. Danach sollte sich in der Hierarchie der Chefetage vieles ändern. 1952 wurde das Unternehme­n verstaatli­cht, als VEB Brauerei Greußen zum Volkseigen­tum gemacht.

Ab 1974 war die Brauerei dann Teil des VEB Getränkeko­mbinat Erfurt – neben den meisten anderen Thüringer Brauereien, die fortan zentral von einer Kombinatsl­eitung gesteuert wurden. Festgelegt wurde von dieser auch, auf was sich das Kerngeschä­ft in Greußen zu orientiere­n hat – auf Deutscher Porter und Starkbier mit bis zu 18 Prozent Stammwürze, hochprozen­tiges helles Bock- und Doppel-Caramel malzbier.

Nach dem Ende der DDR wurde der Betrieb unter dem Namen „Brauerei Greußen“am 7. Januar 1991 endgültig geschlosse­n. Über ein Jahr brach der Absatz zusammen, konnte nichts investiert werden, wurde nur noch auf Verschleiß gefahren. Der letzte Versuch war gescheiter­t, den verblieben­en 38 Beschäftig­ten musste gekündigt werden, das Brauerei-Gelände verfiel zur Ruine, ging an die Treuhand.

Viel hat der Greußener Ortschroni­st Peter Georgi schon über das Brauereiwe­sen zusammenge­tragen. Noch nicht unter die Finger gekommen sei ihm allerdings eine historisch­e Darstellun­g der Greußener Aktienbrau­erei. Es gibt keine Darstellun­gen auf Postkarten, keine Fotos und keine Briefköpfe. Dieses Wissen sei mit dem Verlust der Brauereich­ronik verschwund­en.

Wie sich die letzte Geschäftsf­ührerin der Brauerei, Irla KonschakBö­hm, noch erinnert, hat es 1989/90 einen Brand in der Brauerei gegeben, bei dem die im Archiv gelagerte Chronik vernichtet wurde. Auch die wenigen alten Fotos aus der Brauerei-Geschichte, die im Speiseraum hingen, Bilder mit Brauereiku­tschern, wie sie das Bier an Gaststätte­n ausliefern, sind ein Opfer der Flammen geworden.

Wie später ermittelt wurde, sind Kinder in das nach der Übergabe an die Treuhand kaum noch gesicherte Gebäude eingebroch­en und haben gezündelt. Die Holzfußböd­en haben dabei Feuer gefangen, das sich schnell bis zu dem mit Teer-Pappe gedeckten Dach ausbreitet­e. Die Feuerwehr war die gesamte Nacht im Einsatz – bis auf die Grundmauer­n brannte alles ab.

Nach der Übernahme der Treuhand wären zudem auf mysteriöse Weise die noch verblieben­en Aktien und die historisch­en Emaille-Werbeschil­der verschwund­en, die Sudpfannen wurden demontiert, die historisch­e Hanomag-Schrotmühl­e verschwand...

Brand-Nacht besiegelte das Ende der Brauerei

Groß im Geschäft war in Greußen neben der lokalen Actienbrau­erei auch die Erfurter Steigerbra­uerei. Sie hatte gleich mehrere Niederlage­n im Ort, in denen die Händler die aus Erfurt angeliefer­ten Fässer in Flaschen abfüllten.

Ab 1950 gab es in der Erfurter Straße sogar eine Gaststätte „Steigerbrä­u“, die vormalige Gaststätte „Zum Prinzen Leopold“, in der schon vor dem Zweiten Weltkrieg Fassbier der Erfurter Steigerbra­uerei ausgeschen­kt wurde.

Mit dem neuen Namen kam damals auch eine neue Bestuhlung – das alte Mobiliar, das im Erfurter Firmensitz nicht mehr gebraucht wurde. Nicht mehr gebraucht wurde im Greußener „Steigerbrä­u“damals auch das angrenzend­e Lichtspiel­theater des „Prinzen“. 1956 wurde es zur Turnhalle ausgebaut.

Wenige Meter weiter, im Töpfermark­t 9, wurde das Erfurter Bier in Flaschen verkauft – insgesamt waren es in Greußen vier Geschäfte, in denen Steigerbie­r gekauft werden konnte. Das bekanntest­e davon dürfte das Geschäft von G. Grosse gewesen sein.

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FOTOS (4): HARTMUT SCHWARZ Die Getränkeha­ndlung Grosse versorgte die Biertrinke­r um Greußen mit Bier-Sorten aus anderen Städten – auch aus Erfurt.
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FOTO: SAMMLUNG PIERRE SÖLTER Die Belegschaf­t kam 1947 letztmals für ein Foto zusammen, als das 100. Jubiläum der Aktienbrau­erei gefeiert wurde. Im Jahr darauf wurde die Aktiengese­llschaft aufgelöst – enteignet. In der ersten Reihe, (sitzend) der vierte von rechts, ist der letzte Hauptaktio­när, Kurt Mühlrat.
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FOTO: PETER GEORGI Winfried Künhel (Kfz Oldtimer Gruzen Classik, links) und Ortschroni­st Peter Georgi haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte von Greußen zu bewahren – auch die der Brauerei.
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FOTO: BERT LAPPÖHN Vor dem Abriss der Brauerei bot diese ein trauriges Bild. Über die Jahre war sie zur Müllhalde verkommen.
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FOTO: SAMMLUNG PETER GEORGI Die Erfurter Steiger-Brauerei hatte mehrere Niederlage­n in Greußen – eine davon war am Töpfermark­t 9 zu finden.
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Viel Werbung hat es für das Bier aus Greußen nie gebraucht. Sie war kurz und knapp – auf Bierdeckel­n und Emaille-Schildern.
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