Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Wasser des Lebens
E s hat wieder geregnet, Gott sei Dank. Allerdings nicht überall. Und auch bei uns nicht genug, um den Wassermangel der letzten Jahre auszugleichen. Anderen geht es noch schlechter. Aus Artern stammt der Satz: Wenn ein Tropfen fällt, unbedingt einrahmen, es könnte der einzige bleiben.
Was wir bisher nur vom Hörensagen kannten und nun immer öfter erleben, ist den Menschen der Bibel vertraut: Trockenheit, Dürrestress oder – wie in der folgenden Geschichte – Streit ums Wasser: Isaak, so wird auf den ersten Seiten der Bibel erzählt, war reich geworden. Er nannte große Viehherden sein Eigen. Aber die mussten trinken und Wasser war knapp. So zieht Isaak los, um Wasser zu finden.
Zunächst geht er an vertraute Orte: Er lässt die Brunnen seines Vaters Abraham aufgraben. Und tatsächlich, dort gibt es Wasser. Aber da, wo sein Vater einst Raum hatte, ist es nun zu eng geworden. Andere Hirten mit ihren Herden sind jetzt dort und es gibt soviel Streit, dass Isaak den „Zankbrunnen“entnervt hinter sich lässt. Dasselbe wiederholt sich an anderen Orten.
Lange muss Isaak suchen, bis er „seine“Quelle findet und bleiben kann. Der neue Brunnen bekommt dann den schönen Namen „weiter Raum“.
Wo ist deine Quelle?
Wo schöpfst du dein Lebenswasser?
Wo tankst du auf?
Ich verstehe Isaaks Suche nach Wasser zunächst als Frage an unsere inneren Ressourcen. Wo kann ich hingehen, wenn mein Geduldsfaden reißt? Was tust du nach der soundsovielten Enttäuschung? Wo können wir Hoffnung schöpfen? Es kann sein, dass die „Brunnen der Vergangenheit“versiegt sind, dass die alten Rezepte nicht mehr wirken und wir uns neu auf die Suche machen müssen. Graben ist anstrengend, aber ehe ich innerlich vertrockne …
Natürlich spricht die Geschichte von Isaak auch ganz elementar in unseren heißen Sommer: Wird das Wasser in Zukunft für uns alle reichen? Wir werden uns einschränken müssen, aber wo? Wie finden wir zu einer möglichst gerechten Verteilung der Ressourcen? Über diese Fragen sollten wir eher früher als später miteinander sprechen.
Ralf Schultz ist Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde in Erfurt-Bischleben