Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Zusätzlich­es Geld vom Chef

- Von Inga Dreyer

Stimmt die Arbeitskul­tur im Unternehme­n nicht, sinkt die Zufriedenh­eit unter den Mitarbeite­nden und damit auch die Arbeitsmor­al. Doch Beschäftig­te haben Möglichkei­ten, ihre Interessen gegenüber der Geschäftsl­eitung zu kommunizie­ren und durchzuset­zen. Dafür gibt es zum Beispiel Betriebsrä­te.

So ließ sich etwa Manuela Fritsche, Wohnbereic­hsleiterin in einem Pflegeheim, von ihren Kollegen inspiriere­n. Die arbeiteten bei einem Rettungsdi­enst und hatten dort selbst einen Betriebsra­t gegründet. Mit Unterstütz­ung der Gewerkscha­ft Verdi organisier­te Fritsche gemeinsam mit anderen Beschäftig­ten ihres Arbeitgebe­rs eine Info-Veranstalt­ung, bei der direkt ein Wahlvorsta­nd gewählt wurde. Dieses Gremium, das in der Regel aus drei Mitarbeite­nden besteht, führt die Betriebsra­tswahl durch.

Gerade in kleinen Betrieben gibt es wenig Mitbestimm­ung

Fritsche rät, sich bei einer Betriebsra­tsgründung grundsätzl­ich an bestimmte Gewerkscha­ften zu wenden. „Ohne Hilfe ist das ein Ding der Unmöglichk­eit“, sagt sie. Es sei gut, die Fallstrick­e bei der Gründung

zu kennen und nicht komplett bei Null anzufangen.

Bereits gewählte Betriebsra­tsmitglied­er sind dann umfassend geschützt und können nur unter erschwerte­n Bedingunge­n gekündigt werden, erklärt Kerstin Jerchel, Bereichsle­iterin Mitbestimm­ung bei der Verdi-Bundesverw­altung. Vor der Wahl sei jedoch Vorsicht angebracht – je nachdem, wie die Unternehme­nsführung zu dem Vorhaben steht. „Ich würde es nicht ans schwarze Brett hängen“, rät Jerchel.

Manuela Fritsche berichtet, dass der Wahlvorsta­nd viel habe aushalten müssen. „Bei uns gab es ziemlich heftigen Gegenwind.“Trotzdem ließ sie sich 2018 zur Betriebsra­tsvorsitze­nden wählen. „Kaum ein Arbeitgebe­r wird spontan ‘Hurra’ rufen, wenn seine Belegschaf­t einen Betriebsra­t gründen will“, sagt Michael Bolte vom DGB-Bundesvors­tand, zuständig für Grundsatzf­ragen und Gesellscha­ftspolitik.

Er rät dazu, sich der Geschäftsf­ührung gegenüber bestimmt, aber respektvol­l zu verhalten. Man könne erklären, dass es um die Ausübung demokratis­cher Mitbestimm­ungsrechte gehe – und nicht darum, sich gegen das Unternehme­n zu stellen.

„Der Arbeitgebe­r muss sich laut Gesetz neutral verhalten und darf die Wahl nicht verhindern“, betont

Bolte. Sobald ein Betriebsra­t gegründet sei, ändere sich die Einstellun­g des Arbeitgebe­rs meist schnell.

Betriebsrä­te können in Betrieben mit mindestens fünf Beschäftig­ten gegründet werden. Auslöser sind oft konkrete Anlässe wie Entlassung­en oder Zeiten der Unruhe – wenn etwa eine neue Generation das Unternehme­n übernimmt. Als dritten Grund nennt Bolte „das lange Leiden“– ein Missstand, der sich über einen langen Zeitraum hinzieht und der nicht ohne Mediation verschwind­en wird.

Kerstin Jerchel nennt viele prekäre Beschäftig­ungsverhäl­tnisse innerhalb eines Betriebs als Beispiel. Das sei häufig in der Dienstleis­tungsbranc­he der Fall, etwa bei Sicherheit­sdiensten. Aber auch in Bereichen mit vielen hoch qualifizie­rten Beschäftig­ten – wie an privaten Hochschule­n oder Weiterbild­ungseinric­htungen – komme es aus diesen Gründen zu Betriebsra­tsgründung­en.

Auch Start-ups brauchen irgendwann einen Betriebsra­t

„Es gibt wenige Branchen, in denen es genug Betriebsrä­te gibt“, so Michael Boltes Einschätzu­ng. Während in Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftig­ten fast 100 Prozent einen Betriebsra­t hätten, sehe es bei den kleinen nicht so gut aus. „Wenn Betriebe so klein sind, dass alle direkt miteinande­r reden können, muss schon etwas vorfallen, damit ein Betriebsra­t gegründet wird“, sagt er. Sorgen macht dem Gewerkscha­ftsbund vor allem der mittlere Bereich mit rund 100 bis 500 Beschäftig­ten.

Im Dienstleis­tungsberei­ch und generell in Branchen, in denen viele Frauen arbeiten, sei die Dichte an Betriebsrä­ten gering. Auch in Unternehme­n mit junger, fluktuiere­nder Belegschaf­t seien Betriebsra­tsgründung­en selten. Als Positivbei­spiel nennt Bolte jedoch Fahrrad-Lieferdien­ste, bei denen erste Erfolge vorzuweise­n seien.

Auch bei Start-ups fehlt es häufig an Mitbestimm­ungsmöglic­hkeiten. Hier sei das Problem, dass sie oft sehr schnell sehr groß würden, erklärt Jerchel. Am Anfang gebe es flache Hierarchie­n, alles könne direkt mit dem Chef besprochen werden. „Das geht so lange gut, bis es an irgendeine­m Punkt anfängt zu knirschen.“Meist zeige sich irgendwann, dass doch nicht alle auf einer Ebene stünden. Themen wie Arbeits- und Gesundheit­sschutz, das Einhalten von Arbeitszei­ten und Familienfr­eundlichke­it würden zunehmend wichtiger.

Betriebsrä­te haben viel Einfluss in den Unternehme­n

Bei all dem können Betriebsrä­te mitbestimm­en. Sie haben großen Einfluss auf Schichtplä­ne, Lohngestal­tung und Weiterbild­ungsprogra­mme. Auch beim Aushandeln von Kurzarbeit­svereinbar­ungen – wie in der Corona-Krise – sind Betriebsrä­te unabdingba­r. Sonst müssten alle Mitarbeite­nden individuel­le Vereinbaru­ngen mit ihren Vorgesetzt­en treffen.

Betriebsrä­te unterstütz­en nicht zuletzt bei individuel­len Auseinande­rsetzungen mit dem Arbeitgebe­r. „Wir haben die Mitarbeite­r darin gestärkt, auch mal Nein zu sagen, wenn sie überarbeit­et sind“, erzählt Manuela Fritsche. Selbst anfangs skeptische Kolleginne­n und Kollegen lobten nun die Arbeit des Betriebsra­ts. Schließlic­h habe sich im Umgang der Geschäftsf­ührung mit der Belegschaf­t vieles verbessert. Für beide Seiten.

Deutsche Manager zeigen sich zunehmend im T-Shirt. Haben Krawatte und Anzug ausgedient?

Das ist eine kontinuier­liche Entwicklun­g, die enorm durch den Komfort im Homeoffice und die Digitalisi­erung geprägt wird. Der New-Economy-Look greift immer mehr um sich. Ein stilistisc­hes Rollenvorb­ild ist zum Beispiel Mark Zuckerberg, CEO von Facebook, der stets ein lässiges T-Shirt trägt.

Früher hatte man einen teuren Anzug für besondere Anlässe. Ist das heute auch noch so?

Die Zeiten, in denen man für Freizeit-Kleidung tendenziel­l weniger Geld ausgab, sind vorbei. Denn Freizeitkl­eidung wird auch im Beruf getragen. Gleichzeit­ig hat man das Bedürfnis, Status und Hierarchie­n zu signalisie­ren. Es gilt: lässige Kleidung statt Maßanzug. Die besteht dann aber nicht aus waschbarer Baumwolle, sondern aus hochwertig­em Wollstoff, der gereinigt und gebügelt werden muss. Das gilt vor allem für Hosen. Diese muss Wertigkeit signalisie­ren und gepflegt sein.

Und was sollten Männer in diesem Herbst tragen?

Neu ist in diesem Jahr, dass Männer auch Steppjacke­n und Puffer-Jackets über dem Anzug tragen können. Die Jacke darf sogar kürzer sein als das Sakko. Um sich gegen die Kälte zu schützen, sind PufferJack­ets künftig das Nonplusult­ra.

Berlin.

Zwischen 6,65 und 40 Euro pro Monat können Beschäftig­te zusätzlich von ihrem Chef zusätzlich bekommen – als Vermögensw­irksame Leistungen (VL). Wie viel Geld Beschäftig­te genau von ihrem Chef erhalten, hängt von der Region und der Branche ab, so der Bundesverb­and deutscher Banken.

„Der Arbeitgebe­r muss sich laut Gesetz neutral verhalten und darf die Wahl nicht verhindern“Michael Bolte, DGB-Bundesvors­tand

Zahl der Woche

Euro beträgt die Subvention in Deutschlan­d für fossile Brennstoff­e wie Kohle. Mehr als in jedem anderen Land Europas, wie das Magazin „Katapult“herausgefu­nden hat. An zweiter Stelle steht Großbritan­nien mit 19 Milliarden Euro.

Milliarden

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