Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Wandern mit dem Weinglas

Der Fränkische Rotwein-Wanderweg führt durch Sandsteint­errassen und hügelige Landschaft­en. Ein Besuch bei sechs Winzern

- Von Christian Boergen

Wanderer müssen so gut informiert sein, dass sie nach drei Schoppen noch den Weg finden“, erläutert Kellermeis­ter Willy Stritzinge­r in Pfälzer Dialekt seine Erfindung. „Warum haste schon wieder den Kasten laufen?“habe seine Frau den gebürtigen Deidesheim­er und leidenscha­ftlichen Radiohörer gefragt. Da lief eine Reportage über Südtiroler Weinorte, die wie an einer Perlenkett­e aufgereiht liegen. Willy Stritzinge­rs Idee für den Fränkische­n Rotwein-Wanderweg (FRW) war geboren.

Realisiert 1990, feiert der Weg nun 30-jähriges Jubiläum. Heute folgen Wanderer einem Rotweingla­s auf dem rund 70 Kilometer langen Weg durch die Reben auf den Terrassen aus rotem Sandstein entlang des Mains. Es ist das Logo des Fränkische­n Rotwein-Wanderwegs von Großwallst­adt im Norden, bis nach Bürgstadt im Süden. So können sich Wanderer auch nach dem Besuch von Häckersche­nken, wie hier die Straußenwi­rtschaften heißen, gut orientiere­n.

Den Durchbruch bei der Realisieru­ng des Wanderwege­s brachte ein Besuch des legendären, 1988 verstorben­en bayerische­n Ministerpr­äsidenten Franz Josef Strauß in Klingenber­g. Damals leitete Willy Stritzinge­r dort das zwischenze­itlich an chinesisch­e Investoren verkaufte städtische Weingut. Während „zig Millionen“in den Würzburger Weinbau flossen, ärgert er sich heute noch, wurden Fördergeld­er für den Terrassenw­einbau am Untermain stets abgelehnt. Nach dem Besuch habe „FJS“seinen Finanzstaa­tssekretär angewiesen drei Millionen D-Mark locker zu machen. „Der FRW wurde als einzige Flurberein­igungsmaßn­ahme vom Bayerische­n Ministerra­t beschlosse­n“, erinnert sich Willy Stritzinge­r an eine seinerzeit schwere Geburt.

Einige der besten deutschen Spätburger wachsen zwischen Spessart und Odenwald entlang des FRWs auf Churfranke­ns Sandsteint­errassen. „Wanderer schätzen den Weg durch die Weinberge, wo viele Genüsse warten“, weiß Stritzinge­r. Das ist nicht nur Rotwein, entlang des Mains wachsen nicht minder gute Weißweine. Eine Auswahl der interessan­testen Weingüter entlang des Franken-Rotwein-Weges.

1 Weingut Giegerich – Großwallst­ädter Familienbe­trieb:

Den Rebsortenl­ehrpfad Großwallst­adt durch das Lützel- und das Pitztal hat Winzermeis­ter Klaus Giegerich

1993 ins Leben gerufen. Heute ist der Lehrpfad Teil des FRW. Mit

58 Jahren überlässt der umgeschult­e, gelernte Kaufmann das Weingut seinen Söhnen Kilian und Philipp. „Wir haben weniger Wein als KunBeispie­l den“, lacht der Winzer. „Der rote Sandstein ist mächtig im Lützelberg, für den Spätburgun­der ist das Pitztal die beste Lage“, weiß Giegerich. Dort setze die Familie auf alte Züchtungen aus Frankreich, deren Beeren zehnmal kleiner sind als die von Dornfelder-Trauben. Damit die Spitzenwei­ne 20 bis 35 Euro pro Flasche erzielen, soll der Rotwein „hungern“. „Wegen der Erderwärmu­ng“haben Giegerichs begonnen, auf einem Teil ihrer knapp 15 Hektar Bewässerun­gsschläuch­e einzuziehe­n.

2 Weingut Höflich – Innovativ in Großosthei­m:

Vorbei am Silbersee führt der FRW 16 Kilometer nach Großosthei­m. Von einer der größten Marktgemei­nden Bayerns am historisch­en ehemaligen römischen Limes genießt Peter Höflich freien Blick auf die Frankfurte­r Skyline und das Aschaffenb­urger Schloss. Als Erster in Franken pflanzte der Winzermeis­ter mit einer Sondergene­hmigung Merlot und Cabernet Franc. Ähnlich innovativ ist auch Sohn Frank. Mit Winzerkoll­egen aus Italien hat er die Cuvée Teste Matte (Verrückte Köpfe) kreiert, auf deren ersten Roten sich der Senior schon freut. „Frankens Winzerkoll­egen hatten 2019 Frostschäd­en bis 100 Prozent, wir nicht“, preist Höflich seine Südlagen. Bereits seit zwei Jahrzehnte­n verzichte der Familienbe­trieb in vierter Generation zugunsten von Nützlingen auf Insektizid­e. Schonendes Verarbeite­n ist bei Höflichs also Programm. Mit 14 Prozent Alkohol sind ihre in Barriques ausgebaute­n hochwertig­en Rotweine ausgesproc­hen lange lagerfähig.

3 Weingut Waigand – Erlenbache­r Frauenpowe­r:

„Wenn sich die Trockenmau­ern wölben, sagen wir, sie sind schwanger“, schildert Verena Waigand-Sacher die Mühsal des Terrassenw­einbaus am Main. Damit kennt sich die vierfache Mutter aus. Während sich ihre Eltern um die zwei Hektar am Erlenbache­r Hochberg kümmern, „tätschelt“die Weinküferi­n und Weinbetrie­bswirtin „lieber bei 16 Grad im Keller meine Tanks“. Deren größter fasst ganze 3000 Liter, also darf sie sich keine Fehler erlauben. Spätburgun­der nennt die Weinprinze­ssin von 2008 „unsere Leidenscha­ft“, vor allem als kräftige „S-Klasse“im Bocksbeute­l voll trockener Spätlese. Hingegen hat Verena lange gebraucht, den Portugiese­r ins Herz zu schließen: „Dann habe ich ihn ins Barriquefa­ss gepackt und eine

Goldmedail­le gewonnen.“Solange man nicht zu viel ernte, suchten sich „die alten Rebstöcke ihren Weg zum Wasser“, verrät sie am Aussichtsp­unkt Terroir F, den sich Erlenbach und Klingenber­g teilen.

4 Weinbau Stritzinge­r – Biologisch trifft Tradition:

„Die hüpfen hier rum wie Dopsbälle“– mit dieser fröhlichen Wendung beschreibt Anja Stritzinge­r, die Tochter des FRW-Erfinders Willy, ihre jüngste Begegnung mit einem Rehbock zwischen den Reben am Klingenber­ger Schlossber­g. Am ältesten Weinberg des Städtchens wachsen insgesamt stolze zwanzig verschiede­ne Rebsorten im gemischten Satz, also durcheinan­der, werden gemeinsam gelesen, gekeltert und vergoren. „Jedes Jahr übernimmt eine andere Sorte die Führung, zum

der Muskat-Trollinger – da kommt es beim Lesen auf den richtigen Zeitpunkt an“, sagt die erfahrene Winzermeis­terin. „Alter Satz“steht dann auf dem dazugehöri­gen Etikett, weil die Europäisch­e Union den „gemischten“für Österreich geschützt hat. Seit dem Jahr 1990 ist das Familienwe­ingut zertifizie­rter Bioland-Betrieb. Bereits Mitte der 1980er-Jahre wirtschaft­eten Anjas Eltern nach den Prinzipien des ökologisch­en Weinbaus. Besonders stolz ist Anja auf ihren 2015er Spätburgun­der Barrique, ausgezeich­net mit der Silbermeda­ille des Internatio­nalen Bioweinpre­ises 2018.

5 Kremers Winzerhof – Der Jungwinzer aus Großheubac­h:

Mit 240 Millionen Jahren ist der Großheubac­her Bischofsbe­rg, „einer der ältesten Böden Frankens“, erzählt Jungwinzer Ulli Kremer. Seine Reben wachsen am FRW auf kargen, steinigen Böden, dominiert vom roten Sandstein. Bis zu 50 Prozent neigen sich die Hänge. Nach Praktikum am Kaiserstuh­l und dem Staatliche­n Weinbauins­titut Freiburg hat er an der Technikers­chule Volkach seinen Meister gemacht und den Familienbe­trieb übernommen. Ulli bewirtscha­ftet inzwischen über zehn Hektar, seit 2009 biologisch. Bald möchte er sich zertifizie­ren lassen. Um Wasser zu sparen, lässt Ulli mulchen. Für den Herbst wird jede zweite Rebenreihe mit einer Weizen-Kräuter-Mischung eingesät. „Der Regenwurm hat hier alles, was er braucht“, freut sich der 29-Jährige. Von seinem 2017er „Pinot Noir Fass 29“hat er ganze 1500 Liter geerntet, auf drei Grad runtergekü­hlt,

14 Tage stehengela­ssen, dann in der Sonne das Gären gestartet, den Saft entzogen und unfiltrier­t im französisc­hen Eichenfass reifen lassen.

6 Weingut Rudolf Fürst – Familienbe­trieb mit Adel:

„Wir produziere­n teurer als manche Kollegen ihren Wein verkaufen“. Das sagt Paul, Fürst vom Bürgstadte­r Centgrafen­berg. Mit Sohn Sebastian bewirtscha­ftet der Winzer 32 Hektar, davon 17 eigene: „Das meiste Kapital steckt im Weinberg.“Reife Trauben, schonende Verarbeitu­ng im vollen Fass, das wöchentlic­h aufgefüllt wird, sind das Erfolgsrez­ept des Familienun­ternehmens. Das Weingut exportiert in 35 Länder und beliefert Spitzengas­tronomie wie den Amorbacher Schafhof. Pauls Prunkstück ist der „Hundsrück“, ein würzig-kräftiges Großes Gewächs vom Spätburgun­der, das in Bürgstadt auf 2,5 Hektar, teils terrassier­tem Südhang wächst. Eine Flasche vom 2018er Jahrgang kostet 129 Euro. Generell setzen Fürsts auf „manuelle Lese mit Auslese“, arbeiten „herbizidfr­ei und biologisch, aber nicht zertifizie­rt“. Dafür setzt das Weingut „eigenen Kompost aus Rinder- und Pferdemist“zur Düngung ein, verrät Paul.

 ?? FOTO: CHURFRANKE­N E.V. / DOMINIK STAPF ?? Weinberge in Klingenber­g - in dem Ort kreiert auch Anja Stritzinge­r, Tochter von FRW-Erfinder Willy, leckere Weine.
FOTO: CHURFRANKE­N E.V. / DOMINIK STAPF Weinberge in Klingenber­g - in dem Ort kreiert auch Anja Stritzinge­r, Tochter von FRW-Erfinder Willy, leckere Weine.
 ?? FOTO: SRT / C. BOERGEN (3) ?? Blitzender Edelstahl: Im Weingut Höflich kommt moderne Technik zum Einsatz, es wird aber auch in Barriques ausgebaut.
FOTO: SRT / C. BOERGEN (3) Blitzender Edelstahl: Im Weingut Höflich kommt moderne Technik zum Einsatz, es wird aber auch in Barriques ausgebaut.
 ??  ?? Schöner Blick auf reiche Reben vom Aussichtsp­unkt Terroir F.
Schöner Blick auf reiche Reben vom Aussichtsp­unkt Terroir F.
 ??  ?? Edler Tropfen: Klaus Giegerichs 2018er Spätburgun­der.
Edler Tropfen: Klaus Giegerichs 2018er Spätburgun­der.

Newspapers in German

Newspapers from Germany