Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Minister: Wirtschaft Ende 2021 erholt
Wirtschaftsminister Tiefensee auf Sommertour zur gebeutelten Branche der Touristiker und Gastwirte
Erfurt. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sieht die Tourismus-Branche in schwerem Fahrwasser. Die Gästezahlen seien im ersten Halbjahr um die Hälfte zurückgegangen, sagte er nach Abschluss seiner Sommertour. „Ein neuer Stillstand wäre für viele touristische Betriebe der Todesstoß.“Insgesamt treffe Corona die Branchen unterschiedlich schwer, so sei die Logistik überwiegend gut durch die Krise gekommen. Digitale Lösungen hätten nach Erfahrung vieler Unternehmen besser funktioniert als erwartet. Ende 2021 könnte die Wirtschaft im Freistaat wieder Vorkrisenniveau erreichen. Allerdings dürfe es keinen neuen totalen Lockdown geben.
Gebesee/Wingerode. Die große Weltkarte im Büro von Anke Mingerzahn stiftet Fernweh. Die Neugier auf die Welt begründet ihr Geschäft, aber Corona zurrt die Möglichkeiten derzeit eng zusammen.
Der Umsatz in ihrem Reisebüro in Gebesee (Landkreis Sömmerda) ist auf etwa 15 Prozent des Normalen zusammengebrochen. Die Möglichkeit, bei Stornierungen auf einen Gutschein zu setzen, werde kaum angenommen, die Veranstalter verlangen ihre Provisionen zurück. Sie sei froh, dass ihr Büro überhaupt noch existiert. Vor dem Lockdown hatte sie noch eine Filiale in Gotha. Die musste sie schließen, von ihren fünf Mitarbeitern zwei entlassen. Dass es ihr Geschäft noch gibt, verdanke sie ihrem guten Wirtschaften in der Zeit zuvor und den Corona-Hilfen. Immerhin konnte nicht zuletzt dank der Förderhilfe des Landes eine Auszubildende ihre Berufsausbildung in diesem Jahr abschließen. Anke Mingerzahn hätte sie auch gern eingestellt, aber das sei derzeit nicht finanzierbar. Wenn sie wenigstens 80 Prozent der Personalkosten bei den Hilfen aus dem Hilfspaket des Bundes geltend machen könnte, statt der aktuellen zehn Prozent, wäre das eine Riesenhilfe, konstatiert sie. Und die Überbrückungshilfen müssen weiter verlängert werden.
So sagte sie es auch Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der am Samstag in ihrem Reisebüro auf ein Gespräch vorbeikam. Der letzte Tag seiner Sommertour galt der gebeutelten Tourismus- und Gastgewerbebranche. Das Jahr des DeutschlandUrlaubs? Davon habe sie, bemerkt Anke Mingerzahn, ohnehin kaum noch etwas zu verkaufen, weil es keine Plätze mehr gibt. Und genau das bereite ihr mit Blick auf die Pandemie Sorgen: Volle Urlaubsgegenden an der Ostsee oder an der Müritz und kaum jemand werde getestet. Sie zum Beispiel sei vom Hygienekonzept in den großen Urlaubshotels in der Türkei überzeugt, das im Übrigen gemeinsam mit dem Tüv entwickelt wurde. Auch Urlaub in Griechenland sei gut möglich. Doch die Menschen seien verunsichert, auch weil sie das nicht wissen und unklar ist, wo sie verlässliche Informationen, die auch auf dem neuesten Stand sind, herbekommen sollen.
Ein Internetportal zum Beispiel, das das alles bündelt, Informationen über nahe Ziele in heimischen Gegenden eingeschlossen, würde auch der Branche helfen. Eine Idee, mit der man sich im Wirtschaftsministerium anfreunden könnte. Wenn sie schnell ein Konzept vorlege, sei man dabei, bemerkte Wolfgang Tiefensee.
Wie es einem Landgasthof in Zeiten von Corona ergeht, erfuhr er im eichsfeldischen Wingerode. „Kepplers Ecke“– ein mit viel Liebe zum Detail hergerichtetes Traditionshaus, 16 Gästezimmer inmitten idyllischer Natur, der LeineRadweg
ist nicht weit. Ein Familienbetrieb, der für eine Rückbesinnung auf Urlaub im Heimischen prädestiniert ist. Ein guter Sommer?
Inhaberin Ina Göbel holt tief Luft. Es geht. Dass dieser Sommer anders ist, spüre sie vor allem daran, dass auch an Werktagen mehr Gäste zum Essen kommen. Viele Leute, bemerkt sie, machen sich zu Hause ein paar schöne Ferientage. Aber nein, es sei nicht gerade so, dass sie sich vor Anfragen kaum retten können. Dabei könnten sie nach den neun Wochen Schließung während des Lockdowns jede zusätzliche Buchung gut vertragen.
Als Randgebiet, dazu länderübergreifend, werde das Eichsfeld bei der Tourismus-Werbung etwas stiefmütterlich behandelt, sagt sie diplomatisch. Was Corona betreffe, sehe sie den kommenden Monaten mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Überbrückungshilfen, sagt sie, müssen länger dauern und auch die derzeitige Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Kleine Gasthöfe im ländlichen Raum leben auch von Familienfeiern oder Dorffesten. Doch wenn erneut Einschränkungen kommen, werden das viele nicht überleben. Die Diskussionen um Hygiene-Vorschriften für Feiern würden schon jetzt verunsichern. Fatal sei das nicht nur für die Wirte. Dann feiern die Leute im eigenen Wohnzimmer, wo dann niemand kontrolliert, wie viele wie eng in zusammensitzen, bemerkt sie.