Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Immer wieder die Charité
Deutschlands größte Uniklinik hat Erfahrung mit Polit-Prominenz
Pussy Riot, Julia Timoschenko und Alexej Nawalny – prominente Patienten aus Osteuropa, die in ihrer Heimat gefährlich leben, sind an der Berliner Charité keine Seltenheit. Wenn es politisch heikel wird, kommt Deutschlands größte Uniklinik schnell ins Spiel. Hier gibt es 17 Medizinzentren, 100 Kliniken mit 3000 Betten – und geballtes Expertenwissen.
Nach dem Mauerfall hat sich die Charité – auch in der DDR eine Institution – ihren internationalen Ruf zurückerobert. Mit knirschenden Sparplänen und schmerzhaften Umstrukturierungen bekam die landeseigene Klinik, einer der größten Arbeitgeber Berlins, auch ihre
Finanzen wieder in den Griff. Unter den 15.500 Beschäftigten sind heute rund 4500 Ärztinnen und Ärzte. Ein großer Schwerpunkt liegt auf der Forschung. In Corona-Zeiten erlangte zum Beispiel der CharitéVirologe Christian Drosten bundesweit Bekanntheit. Einem breiten Fernsehpublikum in Deutschland ist die Charité auch durch historische Spielfilmserien ein Begriff.
Aus der Charité selbst hieß es zum aktuellen Fall bescheiden, dass sicher auch andere deutsche Kliniken Nawalny helfen könnten. Nötig kann im Fall von Vergiftungen zum Beispiel die Nephrologie (Nierenkrankheiten) und eine internistische Intensivstation sein.
Dass die Wahl wie schon bei Pjotr Wersilow auf die Charité fiel, liegt für den ehemaligen Vorstandschef Karl Max Einhäupl daran, dass sie unbestechlich sei und einen sachlichen Umgang mit allen Beteiligten habe. 2014 hatten die Ärzte dort der ukrainischen Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko wegen chronischer Rücken- und Gehprobleme geholfen. Timoschenko, die damals aus der Haft freikam, hatte im Gefängnis mehrere Bandscheibenvorfälle erlitten. Bereits in der Ukraine behandelten Charité-Ärzte sie auf ihren Wunsch. In ihrer Heimat hatte Timoschenko eine Behandlung abgelehnt, weil sie den Behörden nicht traute.