Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Familie Sevilla im Freudentau­mel

Der „FC Europa League“macht seinem Namen mit dem sechsten Titel im sechsten Finale alle Ehre. Inter Mailands Durststrec­ke hält nach zehn Jahren an

- Von Marco Krummel

Köln. Bei der Rückkehr nach Spanien wurde deutlich, wie besonders diese Liebesbezi­ehung des FC Sevilla zur Europa League ist. Stolz reckten die frischgeba­ckenen Champions die Trophäe in die Kamera, noch auf der Landebahn entrollten sie ein passendes Banner. „Niemand will sie so wie wir“, stand dort geschriebe­n. Die Fans ließen es sich nicht nehmen, ihre Helden nach dem 3:2 (2:2)-Finalsieg in Köln gegen Inter Mailand am Flughafen zu empfangen, in der Stadt wurden die Gebäude mit „Campe6nes – Reyes de Europa“angestrahl­t.

Wie die „Könige Europas“fühlten sich die Andalusier, die ihren bereits sechsten Titel in der Europa League ausgelasse­n feierten. Es zeigte sich mal wieder, wie viel der von Franz Beckenbaue­r einst als „Cup der Verlierer“titulierte Wettbewerb dem FC Sevilla bedeutet.

Sportdirek­tor Monchi schwärmte nach dem sechsten Erfolg im sechsten Finale: „Das mit der Europa League ist nicht nur eine Romanze, sondern eine dauerhafte Beziehung.“Trainer Julen Lopetegui schossen die Tränen in die Augen. „Ich bin überwältig­t“, sagte der 53Jährige: „Wir haben so hart dafür gearbeitet. Wir haben es verdient, gegen so ein fantastisc­hes Team wie Inter zu gewinnen.“

Für Lopetegui dürfte der krönende Abschluss seiner ersten Saison beim Europa-League-Rekordsieg­er eine besondere Genugtuung sein, liegen doch schwere Zeiten hinter ihm. Er galt als größte spanische Trainerhof­fnung, dann stürzte er in Rekordzeit ab.

Lopetegui vor WM-Start entlassen

Wegen seines bevorstehe­nden Wechsels zu Real Madrid wurde Lopetegui wenige Tage vor Beginn der WM 2018 in Russland vorzeitig als Nationaltr­ainer der Iberer entlassen. Und das Engagement bei den Königliche­n dauerte wegen zahlreiche­r Misserfolg­e dann auch nur vier Monate. Alles abgehakt: „Ich blicke nicht zurück. Ich habe das Glück, in einem Klub zu sein, der mir die Chance mit einer richtigen Mannschaft

gegeben hat. Mit allem, was dieses Wort bedeutet.“

Tatsächlic­h war Sevillas Teamgeist wie schon so oft der Schlüsself­aktor im zweithöchs­ten europäisch­en Wettbewerb. Sowohl im Halbfinale gegen Manchester United als auch im Endspiel gegen Inter setzte sich das perfekt funktionie­rende Kollektiv dank großer Hingabe gegen die höhere individuel­le Qualität des Gegners durch.

„Seit dem ersten Tag sind wir ein richtig verschwore­nes Team, und das hilft uns an solchen Abenden“, betonte Lopetegui. Doppeltors­chütze Luuk de Jong (12., 33.) kann dem beipflicht­en. „Wir haben das Gefühl, dass wir eine große Familie sind“, so der Ex-Gladbacher.

Er selbst ragte mit seinen beiden Kopfballtr­effern heraus. Der in seiner Bundesliga-Zeit in Mönchengla­dbach meist unglücklic­he Angreifer erlebte die größte Sternstund­e seiner Karriere – zum Leidwesen von Inter, für das Romelu Lukaku per Foulelfmet­er (5.) und Diego Godin (36.) vor der Pause trafen.

Die zehnjährig­e internatio­nale Titel-Durststrec­ke der Nerazzurri geht wegen Pechvogel Lukaku, der nach Fallrückzi­eher von Diego Carlos den Ball zum entscheide­nden 2:3 (74.) ins eigene Tor abfälschte, weiter. Trotz der besten Saison seit zehn Jahren steht die Zukunft von Coach Antonio Conte bei Inter angesichts der hohen Ansprüche der chinesisch­en Besitzer in Frage.

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FOTO: F. VOGEL / AFP Für Sevillas Trainer Julen Lopetegui war der Triumph eine besondere Genugtuung.

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