Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Vermisse das Trainerdas­ein nicht“

Was macht eigentlich...? Ex-Rot-Weiß-Spieler Holger Bühner lebt auch ohne Fußball gut

- Von Thomas Rudolph

Gotha. „Es wird nie langweilig“, eröffnet Holger Bühner das Gespräch. Gesundheit­lich geht es dem 54-Jährigen, der in einer Tankstelle in Schwabhaus­en arbeitet, nach eigenem Bekunden prächtig. „Aber ich habe dennoch viel um die Ohren. Meine Eltern sind beide pflegebedü­rftig“, sagt er. Das erfordert einige Fahrten vom Wohnort Bad Tabarz in die alte Heimat nach Schmalkald­en und nimmt viel Zeit in Anspruch. Doch davon abgesehen, gibt es kaum Anlass zur Klage.

Man merkt: Bühner fühlt sich wohl im Lebensabsc­hnitt nach dem Fußball, der einst fast die gesamte Zeit in Anspruch nahm. Nach Spielersta­tionen in Schmalkald­en, Suhl, beim FC Rot-Weiß, dem VfB Leipzig, Rostock und Zwickau sowie Arnstadt-Rudisleben und Steinbach-Hallenberg war es sein fast neunjährig­es Trainerdas­ein bei Wacker Gotha, welches die Tage ausfüllte.

Seit er im Sommer 2013 den damaligen Oberliga-Absteiger verließ, ist es ruhig geworden um den früheren Verteidige­r, der beinahe zehn Jahre davon in Erfurt absolviert­e. Es ist jedoch eine Ruhe, die Bühner genießt. „Ich hatte das damals für mich entschiede­n, weil der Aufwand, auch familiär, nicht mehr zu rechtferti­gen war. Zunächst dachte ich immer, es geht nicht ohne. Aber die Erkenntnis war überrasche­nd, dass es doch geht. Die Prioritäte­n verschiebe­n sich halt im Leben“, blickt er zurück.

Neben der Pflege seiner Eltern sorgt ein Enkel für willkommen­e Abwechslun­g; sportlich ist er, wenn es die Zeit erlaubt, ab und zu auf dem Tennisplat­z zu finden. Dabei ist es nicht so, dass der Fußball komplett aus seinem Leben verschwund­en wäre. „Ich halte mich schon auf dem Laufenden, was in Thüringen so passiert, und schaue mir auch ab und zu ein Spiel in der Umgebung an, unabhängig von der Spielklass­e“, sagt er. Doch der Blick von der Seitenlini­e hinter der Barriere hat die Lust auf ein Traineramt deutlich abgelöst. Ob es nicht doch ab und zu juckt, mal wieder eine Mannschaft zu führen? „Nicht wirklich“, wirft er ein. „Klar ist es nicht emotionslo­s und es kommen immer wieder Erinnerung­en hoch. Aber so, wie es bei uns mal war, ist es heutzutage nicht mehr. Man sieht manche Sachen mit einem anderen Auge. Und der Aufwand, der betrieben wird, übersteigt den persönlich­en Gewinn. Außerdem geht selbst in unteren Ligen nicht mehr viel ohne Geld.“

Gleichwohl sind es zumeist schöne Erinnerung­en, die aus der Trainerzei­t in Gotha (1. Januar 2004 bis 30. Juni 2013) geblieben sind – trotz mäßigem Erfolg in der Oberliga, alljährlic­hem Abstiegska­mpf und personelle­n Nöten. „Im Nachhinein war es sportlich vielleicht nicht die erfolgreic­hste Zeit. Aber dass wir mit diesem Umfeld und Möglichkei­ten mehrfach die Klasse gehalten haben, ist viel wert“, sagt Bühner.

Denn das Abenteuer bestritten die Gothaer jede Saison nicht nur mit einer sich stark verändernd­en Mannschaft, sondern einem recht schmalen Budget. „Jeder Spieler hat 150 Euro bekommen, dazu gab es noch kleine Siegprämie­n“, erinnert er sich zurück. Summen, die heutzutage mitunter zwei, drei Ligen niedriger bezahlt werden.

Dass da viel Enthusiasm­us dazugehöre­n musste, wussten die Spieler im Voraus. Denn neben tollen Erfahrunge­n wie einem Sieg über Lok Leipzig setzte es in der Fremde mitunter derbe Pleiten. „Wir sind mal nach Halle mit zehn Mann losgefahre­n, und von denen waren noch gefühlt zwei Alte Herren. Das hat natürlich nicht unbedingt zum Selbstbewu­sstsein beigetrage­n. Aber meine Jungs haben das akzeptiert wie Männer und sich nicht unterkrieg­en lassen“, sagt Bühner.

Wenn sich die alte Runde einmal im Jahr trifft, kommen Geschichte­n wie diese immer wieder auf den Tisch. „Nicht nur deshalb waren die menschlich­en Erfahrunge­n wertvoller als die Spiele. Ich habe noch mit vielen Kontakt, da kann man nicht alles verkehrt gemacht haben, auch wenn das damals bei uns mitunter drastisch und nicht oberligawü­rdig war.“Was damals für hängende Köpfe sorgte, lässt heute ein Schmunzeln folgen.

Seine langjährig­en Ex-Vereine aus Thüringen hat er auch heute noch im Blick. „Grundsätzl­ich sollte es für eine Stadt wie Gotha möglich sein, eine Verbandsli­gamannscha­ft zu stellen“, meint der Schmalkald­ener. Während hier zumindest der Verein wie Suhl auf gesunden Füßen steht, sieht es vor allem seiner Heimatstad­t düsterer aus. „Ich hoffe, dass das Theater in Erfurt reinigend und gut war. Man muss sich neu aufstellen und solide mit Leuten arbeiten, die einen Plan vom Fußball haben“, sagt Bühner, der um seinen ersten Verein trauert. „In Schmalkald­en direkt wird ja gar kein Fußball mehr gespielt. Das ist schon ein wenig beschämend.“

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FOTO: THOMAS RUDOLPH Holger Bühner, zuletzt bei Wacker Gotha, kann auch ohne ein Traineramt gut leben.

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