Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
War der Märchenkönig ein Genie?
Geheimbünde, Monarchiefans und Riesendenkmäler: Rund um den 175. Geburtstag von Ludwig II. gibt es im Süden eine neue Begeisterung für den Regenten
Wer dachte, der Kult um den sagenumwobenen Märchenkönig sei mehr als 130 Jahre nach seinem mysteriösen Tod verblasst, kennt die Guglmänner nicht. So nennen sich die Mitglieder eines auf die Zeit der Kreuzfahrer zurückgehenden Geheimbundes, der in Bayern als Fanclub Ludwigs II. für Aufsehen sorgt. An dessen jährlichen Todestagen treten sie öffentlich als vermummte Gestalten auf – in schwarzer Kutte und Kapuze (Gugl) mit Sehschlitz. Jetzt wollen sie ihrem Lieblingskönig mit einem spektakulären Plan huldigen.
Die Guglmänner möchten Ludwig II. nämlich ein überdimensionales Denkmal bauen. Wenn es so kommt, wie der königstreue Geheimbund fordert, wird Ludwigs Konterfei meterhoch in die Kampenwand gemeißelt, die Aussichtskanzel über dem Chiemsee. Wie Mount Rushmore, nur in den Voralpen – „so ähnlich wünschen sich die Guglmänner das“, sagt HansPeter Huber über den US-Felsen mit den Gesichtern von vier verdienten Präsidenten. Huber, eine Art Pressesprecher der Bruderschaft, betont, dass es den Männern ernst sei.
Der kunstsinnige Monarch, der Wagner hörte und Schiller las, ist in Bayern seit jeher populär. In diesen Tagen erreicht die Begeisterung für Ludwig II. indes eine neue Dimension. Willkommener
Anlass für die Heldenverehrung: Der 175. Geburtstag des tragischen Monarchen am kommenden Dienstag, den nicht nur die zahlreichen aktiven LudwigII.-Vereine im Freistaat feiern wollen. Auf den Gipfeln bei Oberammergau werden am Vorabend Feuer zum „flammenden Gedenken“lodern. Bayern, schwärmt Stefan Jetz, Vorsitzender des Verbands der Königstreuen in Bayern, wäre ohne die Wittelsbacher und ohne Ludwig II. heute ein anderes Land. Einige Getreue werden zum Grab in der Gruft der Münchner Michaelskirche steigen, Jetz
selbst will des Königs
Herz in der Gnadenkapelle in Altötting besuchen, wo die Herzen aller bayerischen Könige beigesetzt sind. Die Monarchie, sie hat im Süden auch mehr als 100 Jahre nach ihrer Abschaffung viele Anhänger.
Wie kommt es, dass Ludwig II. noch immer so viele Menschen bewegt? Nun, da sind zum einen seine historischen Leistungen. „Er war ein Friedenskönig. Er hat sich mit Händen und Füßen 1866 und 1870 gegen Krieg gewehrt – aber er konnte nicht aus dem Deutschen Bund“, sagt Stefan Jetz. Dass Bayern heute mit jährlich 30 Millionen Besuchern das beliebteste Urlaubsland der Deutschen ist, liegt auch an Ludwig, dem Erbauer des weltberühmten Schlosses Neuschwanstein. Das steckt voll ungewöhnlicher Technik: Die Fantasieversion einer mittelalterlichen Ritterburg wurde durch ein Rohrsystem geheizt, das im Winter warme Luft in die Räume blies. Essen kam per Aufzug von der Küche in den Speisesaal, und es gab fließendes, teils warmes Wasser sowie eine automatische Toilettenspülung. Ludwig, der Technikförderer.
Tod im Starnberger See – die Umstände wurden nie geklärt
Zu seiner Legendenbildung trägt ansonsten der bis heute ungeklärte Tod des gleichermaßen selbstherrlichen wie menschenscheuen Königs bei. Nach offizieller Darstellung ist er im Starnberger See ertrunken – zusammen mit einem Seelenarzt, der bei ihm zuvor eine Geisteskrankheit diagnostiziert hatte. Doch die genauen Umstände werden sich kaum je klären lassen.
Die beschäftigen auch die geheimnisvollen Guglmänner. Sie forderten schon vor Jahren die Sargöffnung, um die sterblichen Überreste untersuchen zu lassen. Daraus wurde bis heute nichts. Ähnlich wirkungslos wird wohl auch der Vorschlag eines bayerischen Mount Rushmore verhallen. Der Deutsche Alpenverein spricht jedenfalls von einem „ziemlich absurden Plan ohne Realisierungschancen“. Der Ludwig-Manie wird das kaum schaden.