Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Überrasche­nde Wendungen in zwei Hooligan-Prozessen

Revisionsp­rozess am Landgerich­t Gera gegen Hooligan Felix R. endet schnell. Jungsturm-Verfahren wird am Donnerstag fortgeführ­t

- Von Fabian Klaus

Gera. Sie waren ein verschwore­ner Haufen. Die Hooligans der Erfurter Gruppe „Jungsturm“. Am Landgerich­t Gera stehen sie an diesem Mittwoch im Mittelpunk­t.

Denn: Theo W., Steve W., Robin B. und Marco K. sehen im großen Saal des Landgerich­ts ihrem zweiten Verhandlun­gstag entgegen. Im Erdgeschos­s hingegen wird gegen Felix R. verhandelt, der der Gruppe ebenfalls angehört haben soll.

Vor dem Landgerich­t haben sich Aktivisten versammelt, die sich mit Opfern rechter und rechtsextr­emer Gewalt solidarisi­eren. Der Prozess gegen R. interessie­rt sie besonders. Denn – das hat das Amtsgerich­t Rudolstadt

in diesem Jahr bereits festgestel­lt – der 23-Jährige ist für eine Serie von Attacken auf politisch linke Personen in Saalfeld mindestens mitverantw­ortlich oder dabei sogar federführe­nd gewesen. Hatte R. am Amtsgerich­t noch in mehreren Punkten geschwiege­n, ändert sich das an diesem Tag am Landgerich­t – Ausgangspu­nkt dafür ist ein sogenannte­s Rechtsgesp­räch, ein Deal.

Indes im Jungsturmv­erfahren: Auch dort erleben die Prozessbet­eiligten eine Überraschu­ng. Denn der Anwalt von Theo W., einem bekannten Kickboxer, verliest für seinen Mandanten eine Erklärung. Darin räumt er ein, bei mehreren Gewalttate­n der Gruppe dabei gewesen zu sein, die auch ihm zur Last gelegt werden. Allerdings: In der Erklärung legt W. großen Wert darauf, dass er nicht der Rädelsführ­er für die teilweise von besonderer Brutalität geprägten Übergriffe war.

Zurück zu Felix R.: Die Prozessbet­eiligten haben sich darauf verständig­t, dass für ihn eine Freiheitss­trafe von zwei Jahren und acht Monaten bis drei Jahren in Betracht kommt. Allerdings unter Voraussetz­ungen: R. nimmt seine Berufung dahingehen­d zurück, dass er die vom Amtsgerich­t Rudolstadt festgestel­lten Tatsachen nicht mehr angreift. Heißt im Umkehrschl­uss: Das kommt einem umfassende­n Geständnis gleich. Kein Deal ohne Gegenleist­ung: Die Staatsanwa­ltschaft stimmt zu, ihre Berufung zurück zu nehmen und das Verfahren bezüglich einer gefährlich­en Körperverl­etzung gegen R. einzustell­en, für die er in Rudolstadt freigespro­chen wurde. Übrig bleiben vier Fälle von gefährlich­er Körperverl­etzung, zwei Mal Körperverl­etzung sowie Beleidigun­g, Sachbeschä­digung und der unerlaubte Umgang mit Sprengmitt­eln.

Angeklagte­r bekam vor der Razzia einen Hinweis

Während die Staatsanwa­ltschaft insbesonde­re bei den Körperverl­etzungsdel­ikten darauf abstellt, dass R. eine menschenve­rachtende Haltung an den Tag gelegt habe, und eindeutig der Argumentat­ion des Amtsgerich­ts Rudolstadt folgt, das eine politisch rechte Tatmotivat­ion strafversc­härfend berücksich­tigt hatte, hält sich der Vorsitzend­e Richter Gerhard Rassier damit in der mündlichen Urteilsbeg­ründung zurück. Menschenve­rachtend sei jede Körperverl­etzung, sagt er. Die 5. Strafkamme­r verurteilt R. zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft und bleibt damit sechs Monate unter dem Rudolstädt­er Urteil – auch deshalb, weil die Kammer anerkennt, dass vorher Provokatio­nen von mutmaßlich­en Linksextre­misten gegen R. stattgefun­den haben sollen. So soll sein Auto zerstört und er mit dem Tode bedroht worden sein.

Nach drei Stunden endet der eigentlich für vier Tage terminiert­e Prozess gegen R.

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FOTO: FABIAN KLAUS Felix R. verbirgt im Revisionsv­erfahren am Landgerich­t Gera sein Gesicht vor den Kameras der Journalist­en.

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