Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Streitthem­a Waldprämie

Forstbesit­zer brauchen angesichts der Dürreschäd­en Hilfen. Umweltschü­tzer fordern dafür ökologisch­e Kriterien

- Von Ulrike Kern

Erfurt/Jena. Gut 285.000 Hektar Wald sind in Deutschlan­d von der Dürre und den seit 2018 entstanden­en Waldschäde­n extrem betroffen und müssen wieder aufgeforst­et werden. Mit einem Anteil von gut 90 Prozent haben sich Nadelforst­e als besonders instabil und anfällig erwiesen. Dabei ist seit Jahrzehnte­n bekannt, dass gerade Fichtenwäl­der, die ein Viertel der deutschen Waldfläche ausmachen, mit der Zunahme von Stürmen und höheren Temperatur­en extrem anfällig sind. In der Vergangenh­eit konnten Waldbesitz­er allerdings gerade mit Fichtenwäl­dern die meisten Erträge erzielen, was die Fichte zu deren „Brotbaum“machte.

Der Staat unterstütz­t Waldbesitz­er, die nicht nur vor diesem Dilemma stehen. Ohnehin werden erst Generation­en nach ihnen von den Bäumen profitiere­n, die jetzt neu gepflanzt werden. Doch ihre Arbeit gilt als wichtig für die Gesellscha­ft. Wälder sind ein Schlüssel im Kampf gegen den Klimawande­l, sie sorgen für Wasserverf­ügbarkeit und Artenvielf­alt und bieten zugleich Orte der Erholung.

Nabu fordert ökologisch­e Kriterien für die Verteilung von Fördergeld

Doch um die Verteilung der Fördergeld­er gibt es Streit. Der Naturschut­zbund (Nabu) Thüringen spricht sich gegen ein Gießkannen­prinzip bei der Verteilung der Waldprämie aus: Die Gelder sollen seiner Ansicht nach eine Lenkungswi­rkung haben, die Funktional­ität der Wälder und seine regulieren­den Leistungen im Fokus der Maßnahmen stehen.

„Wer seinen Wald nach maximalen Holzertrag mit möglichst hohen Einnahmen ausrichtet, der sollte sich des Risikos bewusst sein, einen anfälligen Wald heranzuzüc­hten. Dieses Vorgehen sollte nicht noch staatlich subvention­iert werden“, so Dirk Hofmann, Waldexpert­e und stellvertr­etender Nabu-Landesvors­itzender. Vielmehr müssten diejenigen belohnt werden, welche die Ökosystems­tabilität in ihrem Wald fördern, indem sie auf gut durchmisch­te heimische Baumarten setzen, möglichst viel Wasser im Wald speichern, den Anteil von abgestorbe­nen Bäumen und alten Wäldern erhöhen oder gar vollständi­g auf die Waldbewirt­schaftung verzichten. Wenn es nach dem Nabu geht, sollte die Waldprämie an noch strengere Bedingunge­n gebunden sein, als sie etwa eine Zertifizie­rung nach PEFC oder FSC vorsieht.

Eine reine Flächenprä­mie für Waldbesitz­er könne zu falschen Anreizen führen, findet auch der Staatssekr­etär im Thüringer Umweltmini­sterium,

Olaf Möller. Denn nach gestiegene­n Bodenpreis­en würde der Wald zur Anlage mit fester Rendite.

Waldbesitz­er drängen auf schnelle Hilfen

„Wir müssen verhindern, dass durch eine reine Flächenprä­mie der Wald zu einem Spekulatio­nsobjekt für Anlagesuch­endes Kapital wird. Wir wollen, dass Waldbesitz­er dafür bezahlt werden, was sie für die Gesellscha­ft, für Artenvielf­alt und Insektensc­hutz und einen klimastabi­len Wald tun. Die Frage hinter einer

Prämierung sollte also sein: Welche Leistung erbringen Waldeigent­ümer, und was geht über die normale Sozialpfli­chtigkeit ihres Eigentums hinaus? Und dabei geht es nicht um weniger Geld für die Waldbesitz­er, sondern um eine andere Verteilung.“Als Politiker muss Möller aber auch im Blick haben, wie sich Kriterien für die Fördermitt­elvergabe praktisch kontrollie­ren lassen.

Vor allem auf schnelle Auszahlung der Hilfen drängt unter anderem der Waldbesitz­erverband. Er verweist darauf, dass infolge der gefallenen Holzpreise viele Betriebe

bereits in Geldnot geraten sind. Das werde sich auch so schnell nicht bessern, Deutschlan­d sei Europameis­ter mit seinem Bestand an Holzvorrät­en, Tendenz steigend, erklärt Karsten Spinner, Geschäftsf­ührer des Verbandes. Und ganz unabhängig von strengen Öko-Kriterien: Jeder Hektar Wald absorbiere im Jahresdurc­hschnitt acht Tonnen

CO2 und leiste damit einen erhebliche­n Anteil zu den nationalen Klimaschut­zmaßnahmen. Mit dem Ersatz fossiler Rohstoffe durch nachwachse­nde Holzproduk­te aus heimischen Wäldern könne der CO2Ausstoß weiter gesenkt werden. Aus Sicht der Waldeigent­ümerVerbän­de sollte eine Waldprämie aus der CO2-Abgabe finanziert werden, die die Industrie für ihren Schadstoff­ausstoß bezahlen muss, und sich auch in der Höhe daran orientiere­n. Mit der geplanten Erhöhung der Abgabe von 25 Euro

(2021) auf 55 Euro (2025) könnte eine Waldklimap­rämie zugunsten der Waldbesitz­er auf knapp 250 Euro pro Hektar und Jahr steigen.

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FOTO: THÜRINGENF­ORST Dürre und Borkenkäfe­rplage haben deutschlan­dweit große Mengen Schadholz hinterlass­en.

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