Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Trennung von Religion und Staat
Der Islam und seinen Konflikten vor allem mit der westlichen Welt schreibt ein Leser unter anderem:
Ein sehr deutliches Merkmal für eine mittelalterliche Ausrichtung einer Gesellschaft ist die fehlende Trennung von Religion und Staat. Und auf diesem Gebiet ist die Entwicklung islamischer Staaten, wie beispielsweise dem Iran, noch manifester als vor 50 Jahren. Gottesstaatsbestrebungen mit Scharia-Gesetzgebung nehmen heute in beängstigender Weise zu, vor allem in Afrika. Nehmen wir zudem den Terror der afghanischen Taliban und ihre gottesstaatlichen Bestrebungen, kann festgestellt werden, dass die Scharia auf dem Vormarsch ist. Vollkommen ausgeblendet wird oft, dass besonders in einem Gottesstaat die Frauenrechte beseitigt werden. Dort wird sogar die Schulbildung für Frauen und Mädchen abgelehnt.
Eine der Ursachen dieser unterschiedlichen Entwicklung zwischen dem Orient und Okzident ist meinen Überlegungen nach, dass mit dem Übergang vom Feudalismus zu einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung in Europa, beginnend im 17. Jahrhundert, neben der Wirtschaftsordnung sich auch ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen wurde, der etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu pluralistischen und demokratischen Strukturen geführt hat. Dieser ist allerdings in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich verlaufen.
Ein besonderes Merkmal ist die Trennung von Religion und Staat als wesentlicher und notwendiger Fortschritt in einer demokratischen Gesellschaft. Auch die christlichen Kirchen mussten sich diesem Prozess stellen und haben dies, wenngleich in sehr unterschiedlicher Weise, vollzogen. Die Frauenrechte spielen dabei eine sehr wichtige Rolle, weil sie unumkehrbar in alle gesellschaftlichen Prozesse gleichberechtigt einfließen. Allerdings ist das bis heute ein harter Kampf!
Die islamische Welt hat mit Ausnahme der Türkei diese Entwicklung so nicht vollzogen. Demzufolge sind die beschriebenen mittelalterlichen Zustände heute immer noch sehr manifest und werden zum Teil aggressiv sowie mittels Terror verteidigt.
Man möge sich in diesen Zusammenhang mit den Attentaten in Paris und Wien, die aktuellen Stimmen und Wortmeldungen anderer islamischer Staatsmänner, wie zum Beispiel in Indonesien, auseinandersetzen und die Rolle des radikalen Islams richtig zu beurteilen. Es muss jedoch auch deutlich festgestellt werden, dass dieser radikale Islamismus nicht in allen heutigen Staaten, mit vorwiegend islamischer Religion, weit verbreitet ist. Die überwiegende Mehrheit der heutigen Muslime ist friedliebend und human.
Wir als Europäer würden deshalb einen großen Fehler machen, wenn wir diesen Umstand außer Acht ließen und die in Europa lebenden Muslime in einen Topf mit den radikalen Islamisten werfen würden, weil auch dieser überwiegende Teil friedliebend und für unsere Werte zugänglich ist.
Eine Stigmatisierung dieser Religionsgruppen darf unter keinen Umständen stattfinden! Im Gegenteil, unsere Gesellschaft muss diese Menschen möglichst komplett integrieren, denn das ist die einzige Chance, den Islam vorsichtig zu modernisieren. Eine solche Modernisierung würde reflexiv auch Einfluss auf die heute noch sehr geschlossenen muslimischen Strukturen nehmen.
Für die fortlaufende Diskussion, die ich hiermit anrege, ist wichtig, dass alle Beteiligten in Bezug auf andere Meinungen die notwendige Toleranz beweisen.
Reinhard Kitzig, Jena
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