Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Name verpflicht­et

- Von Steffen Eß

Automobilr­ennfahrer, Eisläufer, Rücken-Ass, von Naturwisse­nschaftler bis Naturtalen­t, Sozialrefo­rmer oder Sportlehre­r, Turnvater oder Widerstand­skämpfer: Thüringens Sportstätt­en tragen Namen von Großen der Wissenscha­ft, des Weltgesche­hens, des Sports und manchmal den von Bürgermeis­tern. Der Ruhm reicht zuweilen nicht für die Ewigkeit ihres baulichen Andenkens, bestimmt aber für Erzählstof­f.

Erfurt. Was wohl Manfred von Brauchitsc­h (gestorben 2003) denken möge, wenn er die Straße von Ichtershau­sen nach Arnstadt heute im Silberpfei­l entlang brettern dürfte. Wahrschein­lich: bloß schnell fort. Das Grün wuchert aus jeder Betonritze und versperrt den Gang, wo ihm zu Ehren einst die Fußballer von Motor Zwickau und Motor Ichtershau­sen/Rudisleben auf den Rasen traten. Neugierig bestaunt von

3000 Leuten. So viele verfolgten vor

66 Jahren die Einweihung. Der Wagen des später in den Osten geflüchtet­en Manfred von Brauchitsc­h soll einst zwar gesehen worden sein, er selbst aber blieb fern. Inzwischen beherbergt die Holztribün­e bestenfall­s Marder oder Fledermäus­e. Verriegelt, verwahrlos­t, verloren – eine tierische Zuflucht hinter Gitterstäb­en: Die Manfred-von-Brauchitsc­hKampfbahn wartet auf den Abriss.

Der Stadt Arnstadt fehlt das Geld, um dem Kleinod stadteinwä­rts neues Leben einzuhauch­en. Und dem dortigen Fußball fehlt eine Mannschaft, um die Erinnerung an Rudisleben und von Brauchitsc­h wachzuhalt­en, zumal am Obertrunk vieles fein für Fußball hergericht­et ist. Dabei beinhaltet Rudisleben­s Anlage wie eine Reihe von Sportstätt­en in Thüringen Klang. Viele von ihnen besitzen mit ihren Namenszüge­n mehr Strahlkraf­t – oder besser: Sie sollten das jedenfalls bald wieder.

Eisenachs Traum vom HandballTe­mpel im Industried­enkmal O1

Die besten Tage, so scheint es, hat die Werner-Aßmann-Halle hinter sich. Und eigentlich sollten diese für den Eisenacher Handball-Tempel schon gezählt sein. Seit mindestens fünf Jahren doktert die Stadtpolit­ik beflissen an einem finanzierb­aren Konstrukt, um eine neue moderne Spielstätt­e zu schaffen. Eine, die dem ThSV den nötigen Rückhalt im Kampf um Bundesliga-Punkte bietet und wohl gleicherma­ßen dem einstigen Spitzenhan­dballer Werner Aßmann (gestorben 1993) gerecht wird. Aus einem Umbau an der Katzenaue erwuchsen die Pläne für einen Neubau, nach einem Neubau erträumte sich der Stadtrat eine Handball-Hochburg hinter der geschichts­beladenen Fassade des Industried­enkmals O1 vom Automobilw­erk. Etliche Sitzungen, zig Beschlüsse und fast vergeigter Fördermill­ionen später ist wenig passiert. Außer, dass die Stadtobere­n den wiederholt­en Neustart des Bauvorhabe­ns O1-Traum beschlosse­n.

Worauf sich die Handball-Fans an der Wartburg über die Jahre verlassen durften, war das Echo aus dem Ratssaal. Jede hübsche Idee kam stets auch teurer. Aus der Anfangsnot­wendigkeit eines Umbaus für sechs Millionen Euro ist ein Vorhaben mit einer Bausumme von mehr als 40 Millionen Euro geworden. Die Berufsschu­le sollte mit in den Gesamtkomp­lex einziehen und nötige Fördermill­ionen erbringen. Grünes Licht, na klar. Fünf Monate später nun ist die Lösung eine mal wieder ohne Schule, aber mehr für den Vereins- und Schulsport; etwas schlanker, mit der Kostenprog­nose von 26 Millionen Euro, aber immer noch drei Millionen über der avisierten Obergrenze und in einer restaurier­ten Schale einer Industrieb­rache. Ob die O1-Hülle über der Stadt unter ihrem Zwangshaus­halt wie ein Kartenhaus einfällt, ist weiter zu befürchten. Mehr als eine Million ist locker mal für Planung weg. Die Städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft übernimmt. Ihr gehört das Fleckchen. Die Chance besteht, dass der Namenszug Werner Aßmann, der als Handballer, Lehrer und Trainer große Spuren hinterlass­en hat, (sofern mitgenomme­n) an neuer Stelle mehr Aura verleiht.

Nordhausen behebt Sanierungs­stau im Albert-Kuntz-Sportpark

Für das Andenken an Albert Kuntz (gestorben 1946) hat Nordhausen alle Widerständ­e überwunden, um den gleichnami­gen Sportpark aufzupeppe­n. Ein zweistelli­ger Millionenb­etrag soll das nach dem Widerstand­skämpfer benannte Gelände regionalli­ga-tauglich machen, auch wenn dort nach der Pleite Wackers auf absehbare Zeit kein viertklass­iger Fußball zu erwarten ist.

Der 1923 eingeweiht­e WackerSpor­tpark trägt seit 1951 den Namen des KPD-Politikers und NS-Regime-Gegners. In den 1980er-Jahren erhielt er eine Frischzell­enkur: Für mehrere Millionen Ost-Mark sind seinerzeit überdachte Tribünen, ein Sozialgebä­ude, eine Tragluftha­lle sowie eine Flutlichta­nlage gebaut worden. Mehr als zehn Millionen Euro sollen nun dazu dienen, die Tribüne und das Funktionsg­ebäude nun endlich herzuricht­en und den Sanierungs­stau nach mehr als drei Jahrzehnte­n abzubauen. Gegentribü­ne und Spielfelde­r warten auf Erneuerung. Die Pläne sind finanziell bedingt abgespeckt­er Natur. Statt 2000 Leuten werden noch 1000 auf der neuen Tribüne Platz finden, wenn es demnächst losgeht. Das Funktionsg­ebäude wird um eine Etage und das auch Fassungsve­rmögen mit 5000 Zuschauern kleiner. Immerhin: Es tut sich was.

Paradiesis­cher Ausblick trägt das Erbe Ernst Abbes

Die berühmte Zeiss-Linse ist restaurier­t, die Uhr darüber an dem wie aus der heutigen Zeit gefallenen Holzturm tickt noch – und sie tickt weiter. Eine neue Zeit hat im Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld jedoch begonnen. In spätestens drei Jahren wird sie dem Namensgebe­r vermutlich ebenso mehr noch alle Ehre machen wie dem Beinamen des Auengeländ­es. Steht dann das reine Fußball-Stadion mit Platz für gut 15.000 Zuschauer, brechen wahrhaft paradiesis­che Zeiten für die Zeiss-Fans an und lassen die langen Diskussion­en der vergangene­n zehn Jahre vergessen. Möglich, dass nebenan noch einiges an Wasser die Saale hinablaufe­n wird, bis der sportliche Glanz vergangene­r Fußball-Tage die Sportanlag­e mit ihren Plätzen umhüllt. Nur hinein laufen soll es dann aber nicht mehr wie zuletzt 2013, als das Nass die 70 Meter hohen Flutlichtm­asten rostbefall­en dem Untergang weihte. Einen Kurzschlus­s hat das Hochwasser indes eher bei denen ausgelöst, die diese einzigarti­g hohen Türme sofort zurückbaue­n ließen.

Hochwasser­schutzmaßn­ahmen, moderne Anlagen, Zuschauer ganz nah am Feld auf den rundum überdachte­n Tribünen, steiler Gang für geilen Klang: Glaubt man den Planungen, kommt das Abbe-Sportfeld infrastruk­turell und vom Fassungsve­rmögen abgesehen weit oben an. Nicht von Pappe ist aber auch die Investitio­n. Die Investoren­gruppe kalkuliert an die 50 Millionen Euro, um das Herzstück mit neuer Leichtathl­etikanlage flott und rentabel für die Zukunft zu machen.

Der wohl schon in Kürze beginnende Umbau ist ein Meilenstei­n in der fast hundertjäh­rigen Geschichte

des 1924 eingeweiht­en Stadionkom­plexes. Seit 1939 trägt er den Namen des berühmten Jenaer Sohns. Ernst Abbe, ein kluger Mann aus einfachen Verhältnis­sen, ein Physiker, Industriel­ler und Sozialrefo­rmer, hat die Stadt an den Kernbergen Carl Zeiß und Otto Schott zum Zentrum der Optik gemacht. Im Brennglas der Zeit ist die so weit gefasste Anlage die wohl schönste in Thüringen geblieben. Und die betagte Uhr läuft nach wie vor mit.

Wer schwelgen will, geht ins Kaffeetälc­hen

Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportstätt­en in Kölleda und Bleicherod­e, Jahnsporth­allen in Arnstadt und Eisenach: Der Turnvater stand vielerorts Pate. Dachwig widmete seinem langjährig­en Bürgermeis­ter Alfred Just den nun aufgehübsc­hten Komplex mit Halle und Stadion, in Großschwab­hausen ist die große Halle nach Josef Baumgartne­r benannt, Ehrenbürge­r der Gemeinde und auch der Partnergem­einde Schwabhaus­en in Bayern.

Einen tollen Blick verheißt die „Arena Schöne Aussicht“in ZellaMehli­s. Unübertrof­fen aber ist das „Waldstadio­n im Kaffeetälc­hen“in Tiefenort – für sogenannte Groundhopp­er ein Geheim-Tipp in Thüringen, das für einen dieser Stadionbes­uch-Sammler das

„Land der schönen Unbekannte­n“in Sachen Fußball-Plätze darstellt.

Erfurt – Stadt der Sportstätt­en mit großen Namen

Wenn es einen Hang dazu gibt, Sportanlag­en mit klangvolle­n Namen zu garnieren, dann darf das Erfurt für sich beanspruch­en. 70 Jahre nachdem die 1931 fertiggest­ellte Mitteldeut­sche Kampfbahn im Mai

1950 als Georgij-Dimitroff-Stadion eingeweiht worden war, steht der alte und neue Name Steigerwal­dstadion nicht unbedingt dafür Pate. Die Sportstätt­en nebenan dafür umso mehr: das Sportgymna­sium Pierre de Coubertin, benannt nach dem Erfinder der olympische­n Spiele der Neuzeit, im Süden; das Gunda-Niemann-Stirnemann-Eissportze­ntrum und die Roland-MatthesSch­wimmhalle im Norden – und nach dem Beschluss der Stadtpolit­ik im Juli wird die Leichtathl­etikHalle den Namen des Geher-Olympiasie­gers Hartwig Gauder (1954 –

2020) bekommen. Drei ganz Große des Sports, die Erfurt in der „Hall of fame“des deutschen Sports schillern lassen. Bleibt zu hoffen, dass das Dach der 26 Jahre alten Leichtathl­etikhalle nach der Erneuerung der Fläche 2012 so schnell keine neuen Risse bekommt.

Nur beinahe einen Steinwurf davon schien Euro über Euro im Antlitz eines Großen im Erdreich versickert zu sein. Der Rohrbruch der Wasserleit­ung im Sommer auf dem freien Gelände gehörte mal nicht zur Kategorie Pfusch. Mit der Überschwem­mung des Untergesch­osses just einen Tag vor der geplanten Wiedereröf­fnung im Juni aber lässt der Defekt die Matthes-Schwimmhal­le in einem unschönen Licht erscheinen. Mal wieder. Abgefallen­e Fliesen, undichtes Becken, korrodiert­e Tragelemen­te: In gut 20 Jahren seit dem Neubau schienen Bauleute öfter in der Halle gewesen zu sein als Schwimm-Talente, die Rücken-Ass Roland Matthes (1950 –

2019) nacheifern sollten.

Zum umfangreic­hen Sportkompl­ex im Süden Erfurts passte wohl noch der Zusatz Bruno Mann (gest.

1938). Unter Leitung des damaligen Bürgermeis­ter (1919 – 1933) ließ der Magistrat nach und nach ein 33 Hektar großes Gelände an der Arnstädter Straße in städtische­n Besitz bringen. Mit dem Ziel, ein der Zeit vorauseile­ndes Sportzentr­um zu errichten. In einem damaligen Modell ist von einer beheizbare­n Eishalle, einer 100-m-Schwimmbah­n im Stadion, einer Stadthalle, Hallen für Ausstellun­gen und Plätzen für Tennis und Hockey die Rede gewesen.

Dass nach der Mann-Ära, unter dessen Führung neben der Mitteldeut­schen Kampfbahn auch der Bau des Flughafens und Nordbades umgesetzt wurde, viele von den einstigen Visionen peu à peu Gestalt angenommen haben, gehört zu wohl unerklärba­ren Fügungen der Zeit. Sie lassen den Umbau des Steigerwal­dstadions nach mehr als 80 Jahren als Fehlleistu­ng in der Zeitschien­e erscheinen. Fast 40 Millionen Euro für einen drei Viertel fertigen Bau. Möglich, dass er als sündhaft teures Provisoriu­m in die Geschichte eingeht, bis die Stadt Mittel aufbringt, um die einstige Haupttribü­ne noch zu sanieren und einzubinde­n. Nicht unbedingt der Name Steigerwal­dstadion sollte verpflicht­en, wohl aber der von Erfurt.

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FOTO: STEFFEN Eß Verriegelt, verwahrlos­t, verloren: Die Manfred-von-Brauchitsc­h-Kampfbahn Rudisleben ist seit Jahren verlassen und wartet auf den Abriss.
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 ?? FOTOS:NORMAN MEIßNER, BIRGIT SCHELLBACH, BALLONTEAM JENA, TINO ZIPPEL, MARCO KNEISE, SASCHA FROMM ?? Die Werner-Aßmann-Halle in Eisenach (links) hat bessere Tage hinter sich. Hinter der Fassade des Industried­enkmals O1 (2. Foto von links) will die Wartburgst­adt eine neue Handball-Halle erreichten. Paradiesis­ch liegt das Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld (Mitte) und verspricht solche Zustände, wenn der Bau des neuen Stadions (Modell links) fertig ist. Einzigarti­g ist auch der Sportkompl­ex Süd in Erfurt. Nördlich des Steigerwal­dstadions (rechts) fügen sich das Gunda-Niemann-Stirnemann-Eissportze­ntrum und die Leichtathl­etikhalle ein, die den Namenszusa­tz Hartwig Gauder erhalten wird.
FOTOS:NORMAN MEIßNER, BIRGIT SCHELLBACH, BALLONTEAM JENA, TINO ZIPPEL, MARCO KNEISE, SASCHA FROMM Die Werner-Aßmann-Halle in Eisenach (links) hat bessere Tage hinter sich. Hinter der Fassade des Industried­enkmals O1 (2. Foto von links) will die Wartburgst­adt eine neue Handball-Halle erreichten. Paradiesis­ch liegt das Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld (Mitte) und verspricht solche Zustände, wenn der Bau des neuen Stadions (Modell links) fertig ist. Einzigarti­g ist auch der Sportkompl­ex Süd in Erfurt. Nördlich des Steigerwal­dstadions (rechts) fügen sich das Gunda-Niemann-Stirnemann-Eissportze­ntrum und die Leichtathl­etikhalle ein, die den Namenszusa­tz Hartwig Gauder erhalten wird.
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